Zeitschrift für Sozialismus und Frieden                                                                                   8/2004

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik (e.V.)

Spendenempfehlung: 2,50 Euro

 

Stalins

Beiträge zur marxistisch-leninistischen Militärtheorie und –politik

 

 

Kooperation und Klassenkampf in der Antihitlerkoalition

1944

 

Von Ulrich Huar


 

Redaktionsnotiz

Kooperation und Klassenkampf 1944

Die Befreiungsmission der Roten Armee

Griechenland

Zur „Methode der aufeinanderfolgenden Stöße“

Polen

Der Warschauer Aufstand - 1. August - 2. Oktober 1944

Rumänien

Bulgarien

Jugoslawien

Ungarn

Der Slowakische Nationalaufstand

Befreiung Wiens

Finnland

Exkurs

Petsamo - Kirkenes - Operation

Anmerkungen (Quellennachweise)

 


 

Redaktionsnotiz

Wir setzen die Reihe von Ulrich Huar fort. Es geht um das Jahr 1944.

Diese Reihe wird geliebt und gehasst. Das war auch nicht anders zu erwarten.

Wir haben aber Erfreuliches zu vermelden: gerade für junge Genossinnen und Genossen – das beweisen die zahlreichen schriftlichen, elektronischen und telefonischen Rückmeldungen – sind diese Hefte aufschlussreich und wertvoll.

Wir würden viel dafür geben, wenn auch diejenigen etwas älteren Genossinnen und Genossen, die mit der so genannten „Entstalinisierung“ und dem daraus entstandenen Anti-Stalinismus aufgewachsen und von dieser Geisteshaltung geprägte wurden („Fehler und Verbechen der Stalinzeit“ – „Entstellung und Diskreditierung der sozialistischen Idee“ – „Mit Stalin begann die Konterrevolution in der UdSSR“ - „Stalin hat mehr Kommunisten umgebracht als Hitler“ usw.), sich ebenso vorurteilslos den Fakten nähern könnten wie die junge Generation.

Wie auch die schon vorliegenden Hefte dieser Reihe erscheint das jetzt vorliegende bei uns und bei der KPD. Wir danken den Genossinnen und Genossen der KPD herzlich für die Arbeit der Texterfassung und die Kooperation.

Zeitungmachen kostet Geld, deshalb hier unser Spendenkonto:

Konto Frank Flegel, Konto-Nummer 3090180146 bei der Sparkasse Hannover, BLZ 25050180, Kennwort „Offensiv“.

                                                                                                                     Redaktion Offensiv, Hannover


Kooperation und Klassenkampf 1944

Die Befreiungsmission der Roten Armee

Im Zuge ihrer Frühjahrsoffensiven drangen die sowjetischen Truppen bis an ihre westlichen Grenzen vor. Bis April 1944 erreichten sie die Ausläufer der Karpaten, die Grenzen zur CSR und zu Rumänien auf einer Breite von 200 km. Am 21. Juli erreichte die Rote Armee die Grenze zu Polen, befreite am 22. Juli Chelm, am 24. Juli Lublin.

Was sich bereits 1943 nach Stalingrad und Kursk abzeichnete, das Aufbrechen der Klassengegensätze in der Antihitlerkoalition, wurde 1944 offensichtlich, zunächst auf dem Balkan und in Polen.

Die Klassengegensätze innerhalb der Antihitlerkoalition kennzeichneten auch den antifaschistischen Widerstandskampf in den von den Faschisten besetzten Ländern bzw. innerhalb der Satellitenstaaten des faschistischen Deutschlands, wobei die Klassenkräfteverhältnisse in den betreffenden Staaten unterschiedlich und wechselhaft waren. In den südosteuropäischen Ländern1) waren die vor dem Krieg herrschenden ausbeutenden Klassen mit ihren despotischen Regierungen, die jegliche demokratische Bewegung der Arbeiter, Bauern, Intellektuellen und selbst Teilen des liberalen Bürgertums brutal unterdrückten, bei den Volksmassen verhaßt. Die Kommunistischen Parteien, als die entschiedensten demokratischen Kräfte in den antioligarchischen bzw. antifaschistischen Bewegungen, agierten unter den Bedingungen der Illegalität. Ihre Mitglieder befanden sich zum großen Teil in Gefängnissen oder in Lagern. Eine Ausnahme bildete lediglich die CSR, in der die Bourgeoisie ihre Macht in Form einer parlamentarischen Demokratie ausübten.

Neben der in sich widersprüchlichen Klassenstruktur gab es noch nationale Unterschiede bis Gegensätze in Rumänien, Ungarn, der CSR, Griechenland, Bulgarien, besonders in Jugoslawien. Insofern waren die antifaschistischen Widerstandsbewegungen wohl einheitlich in ihrem Kampf gegen die Okkupanten, aber klassenmäßig heterogen zusammengesetzt. So gab es in der Regel neben den demokratischen Volksbewegungen bürgerliche, royalistische und nationalistische Widerstandsgruppen. Dies trifft auch auf die Partisanenbewegung zu.

Der Einfluß der Sowjetunion auf die antifaschistischen Widerstandsbewegungen war in den einzelnen Ländern ebenfalls unterschiedlich. Besonders nach Stalingrad und Kursk verfügte die Sowjetunion über ein hohes Ansehen unter der Bevölkerung Südosteuropas, beflügelte sie die antifaschistische Befreiungsbewegung, besonders den Partisanenkrieg, der von der Roten Armee tatkräftig unterstützt wurde.

Bei Bulgaren, Serben und Griechen kam hinzu, daß sie schon seit den Türkenkriegen traditionell russenfreundlich eingestellt waren. Dies traf auch auf große Teile der Slowaken zu. In Polen waren historisch ererbte antirussische, antisowjetische und starke nationalistische Gefühle auch unter den Volksmassen vorhanden, die von den restaurativen Kräften für reaktionäre Ziele ausgenutzt werden konnten.

Mit den Siegen der Roten Armee wuchsen zugleich auch Ansehen und Einfluß der Kommunistischen Parteien, auch in Polen.

Die Niederlagen der faschistischen deutschen Armeen und der mit ihnen kollaborierenden reaktionären Kräfte in den besetzten Ländern schufen günstige Vorausetzungen für revolutionär-demokratische Umgestaltungen, die von den Kommunisten und anderen fortschrittlichen Kräften nichtproletarischer Schichten ausgenutzt werden konnten. Die Rote Armee, dort, wo sie hinkam, konnte diese Volksbewegungen vor Interventionen von außen schützen. Besonders auf dem Balkan war die Gefahr der Intervention von außen gegeben, vor allem von Seiten der britischen Regierung. In solchen Interventionsbestrebungen hat namentlich Churchill eine bestimmende Rolle gespielt. Churchill, als politischer Repräsentant des britischen Imperialismus, war an einer Restauration der alten Machtverhältnisse auf dem Balkan und in Polen interessiert.

Im nationalen Befreiungskampf gegen die deutschen Okkupanten entbrannte zugleich der Kampf zwischen Restauration und sozialem Fortschritt. Kompromisse zwischen den von den Kommunisten geführten Volksbewegungen mit den bürgerlich-restaurativen Kräften waren solange möglich, wie der Kampf gegen die deutschen Okkupanten geführt wurde. War die nationale Befreiung vollbracht, brach der Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat offen aus.

 

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Griechenland

Selbst nach Quellen des Foreign Office (Außenministerium) Großbritanniens, das kommunistischer Sympathien unverdächtig ist, waren die Regierungen in Jugoslawien und Griechenland unter großen Teilen der Bevölkerung verhaßt.2)

Die Kommunisten, in beiden Ländern von den despotischen Regimes in den Untergrund getrieben, gewannen nach Kriegseintritt Rußlands in den Krieg (lies: nach dem Überfall der faschistischen deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion, UH) an Autorität. Sie waren dominierend in den Widerstandsbewegungen.3)

Der König von Griechenland, Georg II., und seine Regierung waren unmittelbar nach dem Einfall deutscher Truppen in Griechenland (6. April 1941) nach Ägypten geflohen und hatten dort eine Exilregierung gebildet. Auf Initiative der Kommunistischen Partei schlossen sich die demokratischen Kräfte aus allen Schichten des Volkes in der nationalen Befreiungsbewegung (nach der griechischen Sprache EAM) am 27. September 1941 zusammen.

Die faschistischen deutschen Okkupanten errichteten eine Marionettenregierung unter General G. Tsolakogen, der 1943 aus der griechischen Bevölkerung Truppen ausheben ließ und sie gegen die Sowjetunion einsetzte.

In den Kämpfen gegen die faschistischen deutschen Okkupanten und der landesverräterischen Marionettenregierung Tsolakogon vereinigten die Patrioten Griechenlands unter Führung der KP Griechenlands im Dezember 1941 die verschiedenen Partisanenabteilungen zur Nationalen Volksbefreiungsarmee (ELAS), die bis Mitte 1943 ein Drittel des griechischen Festlandes befreite. Dies wäre ohne die energische Unterstützung von der Mehrheit des Volkes nicht möglich gewesen. Am 10. März 1944 bildeten die griechischen Patrioten das Politische Komitee der Nationalen Befreiung (PEEFA). An den Wahlen zum Nationalrat des PEEFA beteiligten sich 1,8 Millionen Bürger, über 80 Prozent der in dieser Zeit wahlberechtigten Bürger. Im Nationalrat waren Repräsentanten aller Schichten des Volkes vertreten. Unter Druck der britischen Regierung stimmte die PEEFA im Mai 1944 zu, eine gemeinsame Regierung mit der in Ägypten gebildeten Emigrantenregierung unter Leitung des Sozialdemokraten G. Papandreou zu bilden. Am 2. September 1944 kam es zur Konstituierung dieser Regierung in Kairo.

Den im PEEFA vereinigten Kommunisten und Vertretern der ELAM waren 25 Prozent der Mandate zugesagt worden. Dies entsprach in keiner Weise den tatsächlichen Mehrheitsverhältnissen im Volk. Durch diesen erzwungenen Kompromiß des PEEFA erhielten die bürgerlichen Parteien, die nicht am Widerstandskampf teilgenommen teilgenommen hatten und bezüglich der deutschen Besatzungsmacht sich abwartend bis kooperativ verhalten hatten, in der „Regierung der nationalen Einheit“ die absolute Mehrheit.

Durch den zügigen Vormarsch der Roten Armee auf dem Balkan waren die deutschen Besatzungstruppen gezwungen, sich aus Griechenland zurückzuziehen. Die ELAS verstand es, trotz aller Intrigen von Seiten der konservativen, restaurativen Parteien und des britischen Armeekommandos, den Rückzug der deutschen Truppen auszunutzen und Griechenland bis auf einige Inseln bis Anfang November 1944 zu befreien. Nach dem von der Mehrheit des Volkes unterstützten Programm der Nationalen Befreiungsfront (EAM) sollte nunmehr die antiimperialistisch-demokratische Revolution zu Ende geführt werden. Dadurch wäre die Hegemonie des britischen Imperialismus über Griechenland und das östliche Mittelmeer zumindest eingeschränkt, wenn nicht sogar beseitigt worden. Dies galt es von britischer Seite mit aller Macht zu verhindern. Mit Bedauern stellte das Foreign Office fest, daß eine bewaffnete Intervention in Jugoslawien gegen Tito nicht möglich gewesen sei, aber dafür in Griechenland. Die britische Regierung mußte nach Auffassung des Foreign Office Gewalt anwenden, aber, so versichert uns Sir Liewellyn Woodward, es gäbe keinerlei Zweifel, daß die große Mehrheit der griechischen Nation die Einmischung begrüßt habe.4)

Um die Rechtfertigung imperialistischer Interventionen war die britische Regierung noch nie verlegen.

Am 13. Oktober 1944 landeten britische Truppen in Athen und Piräus. Provokationen von Seiten der britischen Interventionsarmee unter General Scobie und griechischen restaurativen Politikern und Offizieren führten zu Aufständen der ELAS.

Nun war Churchill in seinem Element. In der Nacht vom 4. zum 5. Dezember autorisierte er General Scobie telegrafisch, die Volksbewegung mit Gewalt zu unterdrücken.

In seinen Memoiren rühmt sich Churchill rückblickend, wie er in die Kämpfe in Griechenland persönlich eingegriffen habe. Welche Weisungen er an General Scobie erteilt hatte, wird aus dem Telegramm sichtbar; darum werden die haßerfüllten Ausführungen Churchills in ihrer antikommunistischen Diktion, mit denen er seine barbarischen Weisungen, die jedem orientalischen Despoten zur Ehre gereicht hätten, durch Verleumdungen der Kommunisten und Volksmassen als „Mob“ noch nachträglich zu legitimieren suchte, dokumentiert:

„Jetzt schaltete ich mich in die Leitung der Angelegenheit direkt ein. Als ich erfuhr, daß die Kommunisten fast alle Polizeiwachen in Athen besetzt und den Großteil der nicht mit ihnen im Einverständnis stehenden Polizisten ermordet hatten und nur wenig über einen Kilometer von den Regierungsgebäuden entfernt standen, erteilte ich General Scobie und seinen fünftausend britischen Soldaten - die nur zehn Tage zuvor von der Bevölkerung als Befreier bejubelt worden waren - Befehl, zu intervenieren und mit Waffengewalt gegen die verräterischen Angreifer vorzugehen. Es hat keinen Sinn, solche Dinge mit halbem Herzen zu tun. Der Gewalttätigkeit des Mobs, mit dessen Hilfe sich die Kommunisten der Stadt bemächtigen wollten, um sich der Welt als die vom griechischen Volk gewünschte Regierung zu präsentieren, konnte nur mit Feuerwaffen entgegengetreten werden. Zur Einberufung einer Kabinettssitzung blieb keine Zeit.

Eden und ich blieben bis ungefähr zwei Uhr morgens zusammen; wir waren uns völlig einig, daß nur Waffengewalt helfen könne. Ich sah, wie sehr er erschöpft war, und sagte: ‘Wenn Sie zu Bett gehen wollen, überlassen Sie es mir.’ Er zog sich zurück, und etwa um drei entwarf ich folgendes Telegramm an General Scobie:

‘...Sie sind für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in Athen verantwortlich und haben alle EAM-ELAS-Verbände, die sich der Stadt nähern, am Einmarsch zu hindern und eventuell zu vernichten. Sie können alle Ihnen nötig erscheinenden Vorschriften zur Kontrolle der Straßen und Festnahme von widerspenstigen Elementen erlassen. Die ELAS wird natürlich, wo die Gefahr einer Schießerei besteht, versuchen, Frauen und Kinder vorauszuschicken. In solchen Fällen müssen Sie geschickt vorgehen und Fehler vermeiden. Aber zögern Sie nicht, auf alle Bewaffneten im Stadtgebiet zu schießen, die sich gegen unsere oder die von uns anerkannte griechische Autorität auflehnen. Es wäre selbstverständlich gut, wenn sich die griechische Regierung mit ihrer Autorität hinter Ihre Kommandogewalt stellen würde, und Leeper wirkt in diesem Sinn auf Papandreou ein. Zögern Sie aber nicht, so zu handeln, als befänden Sie sich in einer eroberten Stadt, in der ein örtlicher Aufstand ausgebrochen ist....

3. Sollten sich ELAS-Banden der Stadt von außen nähern, sind Sie bestimmt in der Lage, ihnen mit Ihren Panzern eine Lektion zu erteilen, die andere von weiteren Versuchen abschrecken wird. Sie dürfen darauf zählen, daß ich Sie bei jeder derartigen wohlüberlegten, vernünftigen Aktion decken werde. Wir müssen unsere Position und Autorität in Athen behaupten. Sie würden sich das größte Verdienst erwerben, wenn es Ihnen ohne Blutvergießen gelänge, nötigenfalls aber auch mit Blutvergießen.’

Dieses Telegramm wurde am 5. um 4 Uhr 50 abgesandt. Ich muß zugeben, daß es etwas scharf formuliert war. Ich verspürte jedoch die dringende Notwendigkeit, dem Befehlshaber eine feste Anleitung zu geben, so daß ich mit Vorbedacht die stärksten Wendungen gebrauchte. Mit einem solchen Befehl in seinen Händen würde er den Mut haben, energisch zu handeln, da er ihm die Gewißheit verlieh, daß ich jede wohlüberlegte Aktion decken würde, welche Konsequenzen sie auch hätte. Die ganze Entwicklung bereitete mir ernstliche Sorgen, doch war ich überzeugt, daß es hier weder Schwäche noch Bedenken geben dürfe. Ich erinnerte mich an das berühmte Telegramm Arthur Balfours in den achtziger Jahren an die britischen Behörden in Irland: ‘Zögern Sie nicht, zu schießen.’ Jenes Telegramm ging über die öffentlichen Telegraphenämter und erregte im damaligen Unterhaus einen Sturm der Entrüstung, doch hat es bestimmt Blutvergießen verhindert. Der Vorfall erwies sich als eine der wichtigsten Etappen in Balfours Aufstieg zur Macht. Die Dinge lagen jetzt freilich anders; nichtsdestoweniger klang mir dieses ‘Zögern Sie nicht, zu schießen’ wie eine Einflüsterung aus fernen Tagen im Ohr.“5)

„Zögern Sie nicht, zu schießen!“ General Scobie zögerte nicht. Die einschränkenden Vorbehalte Churchills in seinem Telegramm hatten nur eine Alibifunktion.

Der schmutzige Interventionskrieg gegen die griechische Volksbefreiungsarmee - einem aktiven Mitglied der Antihitlerkoalition! - stieß auf harsche Kritik in Großbritannien, was Sir Liewellyn Woodward damit erklärte, daß die englische Bevölkerung nicht richtig informiert sei über „pöbelhafte Gewalt und kommunistische Diktatur“.6) Die britische Regierung half über ihre Medien nach, diesen beklagenswerten Mangel an Aufklärung rasch zu überwinden.

Aber auch in den USA stieß das Vorgehen der britischen Armee gegen die griechische Volksbefreiungsarmee auf Kritik. Offenbar war auch Präsident Roosevelt unzureichend informiert über die „kommunistische Diktatur“ des „Pöbels“. Wie sich sein Sohn Elliot Roosevelt erinnerte, war der Präsident äußerst empört über den Kampf englischer Truppen gegen die Guerillas in Griechenland, „die vier Jahre lang tapfer gegen die Nazis gekämpft haben...“

„Ich würde mich nicht wundern“, habe Präsident Roosevelt gesagt, „wenn Winston (Churchill, UH) uns einfach mitgeteilt hätte, er wolle die griechischen Royalisten unterstützen. Das würde seinem Charakter entsprechen. Aber griechische Guerilla töten! Englische Truppen für eine derartige Sache zu benützen!“7)

Roosevelt kritisierte kurz vor seinem Tode die „englische Fähigkeit, andere Länder in einen Block gegen die Sowjetunion zusammenzubringen.“8)

Im Januar 1945 informierte Harry Hopkins, ein Vertrauter des Präsidenten, Elliot Roosevelt über einen „Invasionsplan vom Süden her“ von Churchill, als „letzten Versuch, alliierte Soldaten vor den Russen in den Balkan zu schmuggeln, ...“ 9)

Damit dürften die Ambitionen Churchills in Griechenland und auf dem Balkan hinreichend gekennzeichnet zu sein.

Natürlich hat Stalin diese perfide Politik, die Brutalitäten der britischen Interventen in Griechenland durchschaut. Aber die Sowjetregierung konnte den griechischen Patrioten nicht zu Hilfe kommen. Davon abgesehen, daß unter dem bestehenden Kräfteverhältnis im Süden, der Balkanhalbinsel ein Eingreifen gegen die britischen Truppen riskant gewesen wäre, hätte ein solcher Schritt gegen einen Koalitionspartner zum Bruch der Antihitlerkoalition führen können. Churchill wußte, daß Stalin gegen die britische Intervention nichts unternehmen würde, um einen solchen Bruch zu vermeiden. Auch Roosevelt vermied eine öffentliche Verurteilung Churchills aus den gleichen Gründen.

Die Einmaligkeit der historischen Situation bestand darin, daß die Partner der Antihitlerkoalition aufeinander angewiesen, andererseits durch Klassengegensätze gespalten waren, die nach dem Krieg ausgefochten werden mußten. Eine schwierige Entscheidung für Stalin, den Klassengenossen in Griechenland seinem Schicksal zu überlassen, um die Antihitlerkoalition aufrechtzuerhalten. 1944/45 hatte der Krieg gegen den deutschen Faschismus und gegen Japan gegenüber einzelnen, lokal begrenzten Kampfaktionen Priorität. Die deutschen Armeen kämpften noch immer mit fanatischer Verbissenheit an der deutsch-sowjetischen Front. Ein Bruch der Antihitlerkoalition selbst in der Endphase des Krieges hätte unübersehbare militärische Auswirkungen gehabt. Die Entscheidung mochte Stalin schwer gefallen sein, aber eine andere Möglichkeit gab es für ihn nicht. So konnte Churchill denn auch noch zynisch bemerken, daß „in all den Wochen, die die Straßenkämpfe in Athen andauerten, ...kein Wort des Vorwurfs von der Prawda und Iswestija“ kam.10)

Nachtrag zu Griechenland

Churchill und die griechischen Obristen haben auf ihre Art die marxistisch-leninistische Staats- und Revolutionstheorie verifiziert: Erst klärt man die Machtfrage, wenn nötig, per Blutbad, danach „freie“ Wahlen, und siehe, nun haben die bürgerlichen Parteien die Mehrheit. An den „freien“ Wahlen am 31. März 1946 konnten die KP Griechenlands, die EAM und andere demokratische Parteien nicht teilnehmen. Tausend Widerstandskämpfer gegen die faschistischen Besatzer wurden von den konterrevolutionären Truppen ermordet, 75.000 wurden verhaftet und über 100.000 aktive Kämpfer der Befreiungsbewegung verfolgt und in die Illegalität getrieben. Am 1. September 1946 fand unter den Bajonetten reaktionärer Truppen eine „freie“ „Volksbefragung“ statt, die für die Rückkehr des König Georgs II. stimmte, und in „freier Selbstbestimmung“ war die Hegemonie des britischen Imperialismus über Griechenland wiederhergestellt, im Februar 1952 der „freie“ Eintritt in die NATO vollzogen. Allerdings war und ist damit der Kampf der griechischen Demokraten noch nicht beendet.

 

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Zur „Methode der aufeinanderfolgenden Stöße“

Nach dem Sieg bei Stalingrad glaubten Stalin und einige Mitglieder des HQ, daß nunmehr der Zeitpunkt gekommen sei, eine allgemeine Offensive an der gesamten Front von der Ostsee bis ans Asowsche Meer durchführen zu können. Es wurde bereits darauf verwiesen, daß diese Idee der allgemeinen Offensive sich als ein tragischer Fehler erwies, der auf einer Unterschätzung der noch immer starken deutschen Truppenverbände beruhte.10a)

Waren Anfang des Jahres 1943 noch nicht die Bedingungen für eine allgemeine Offensive gegeben, so hatte sich das Kräfteverhältnis Ende 1943, Anfang 1944 grundlegend zugunsten der Roten Armee verändert. Was sich Anfang 1943 als eine Fehleinschätzung erwies, war ein knappes Jahr später eine strategisch richtige Entscheidung.

In seinem Befehl zum 1. Mai 1944 faßte Stalin die Aufgaben der Roten Armee zusammen, „unsere ganze Heimat von den faschistischen Eindringlingen zu säubern und die Staatsgrenze auf ihrer gesamten Ausdehnung, vom Schwarzen Meer bis zur Barentsee, wiederherzustellen.“10b)

Die Idee der „allgemeinen Offensive“ erläuterte Stalin in einer Botschaft an Churchill vom 6. Juni 1944. Danach werde die Sommeroffensive der sowjetischen Truppen Mitte Juni an „einem wichtigen Frontabschnitte eröffnet“ werden. „Die allgemeine Offensive der sowjetischen Truppen wird in Etappen eingeleitet werden. Zu diesem Zweck werden die Armeen nacheinander zu Angriffsoperationen übergehen. Ende Juni und im Laufe des Monats Juli werden sich diese Angriffsoperationen zu einer allgemeinen Offensive der sowjetischen Truppen entwickeln.“10c)

Drei Tage später verständigte Stalin Churchill darüber, daß am 10. Juni „die erste Phase unserer Sommeroffensive an der Leningrader Front“ beginne.10d) In einer weiteren Botschaft an Churchill vom 21. Juni informierte Stalin die Verbündeten, daß „spätestens“ in einer Woche, „die zweite Phase der Sommeroffensive der sowjetischen Truppen“ beginne.10e) Gemeint war die Offensive in Belorußland in der Hauptrichtung.

In einem weiteren Brief an Churchill vom 27. Juni erklärte Stalin, „daß wir den Deutschen keine Atempause gönnen werden, sondern die Front unserer Angriffsoperationen ausweiten und die Wucht unseres Ansturms gegen die deutschen Armeen verstärken werden.“10f)

Die Idee der Führung aufeinanderfolgender Schläge in unterschiedliche Richtungen bezeichnete Marschall der Sowjetunion K.S. Moskalenko als eine „neue Erkenntnis“ der sowjetischen Kriegskunst, geboren „in den Kämpfen unserer Truppen in der Südwestrichtung in der ersten Hälfte des Jahres 1944.“10g)

„In der ersten Januarhälfte griffen ... zwei und im Februar schon alle vier Ukrainische Fronten an. Diese Operationen waren Glieder einer Kette und trotz ihrer räumlichen und zeitlichen Distanz operativ miteinander verbunden. Kaum ging eine Operation zu Ende, begann schon die nächste.

Diese Methode hat sich gut bewährt. Sie ermöglichte es, die Truppen des Gegners fast an der gesamten Front zu binden und ihm das Aufstellen starker Reserven und das Manöver mit ihnen zu erschweren. Das deutsche Oberkommando versuchte zwar trotzdem, mit Reserven zu manövrieren, aber die mußten von einem Frontabschnitt zum andern ‘hin und her hasten’ und kamen doch überall zu spät. Als so Anfang März die gegnerischen Reserven aufgesplittert und gebunden waren, gingen die ersten drei Ukrainischen Fronten mit allen Kräften gleichzeitig zur Offensive über. Das war die Krönung der glänzend verwirklichten Idee zur Zerschlagung und Vertreibung des Gegners aus der Ukraine westlich des Dnepr und zum Vorstoß an die Staatsgrenze im Westen und Südwesten.

Und nun hatte sich das Hauptquartier entschlossen, die erprobte Methode der aufeinanderfolgenden Stöße durch eine Gruppe von Fronten während des Sommer-Herbst-Feldzuges 1944 an der gesamten sowjetisch-deutschen Front zu praktizieren. Der Plan dieses Feldzuges war bereits im Frühjahr ausgearbeitet worden.“10h)

Die Methode der aufeinanderfolgenden Schläge wurde vom HQ bis Ende des Krieges durchgehalten. Die ersten Schläge Anfang 1944 wurden nur in der Südwestrichtung von den vier Ukrainischen Fronten geführt. Ab Frühjahr/Sommer kamen aber noch die anderen Fronten hinzu, deren Kampfgebiet sich bis zum Polarkreis erstreckte.

Nach Armeegeneral S.M. Schtemenko, Chef der operativen Verwaltung des Generalstabs, ist zwischen der „Hauptstoßrichtung“ und „Nebenrichtungen“ zu unterscheiden.

Der militärische Begriff „Hauptstoßrichtung“ widerspiegelt die Hauptaufgaben eines Krieges, einer Operation oder eines Gefechts für die man die stärksten und besten Kräfte einsetzt und der man besondere Aufmerksamkeit widmet. Jeder Soldat, Offizier oder Heerführer möchte hier eingesetzt werden. Die Aufgaben in den Nebenrichtungen sind bescheidener, die Kräfte und Mittel geringer. Obwohl sie nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, ist hier der Kampf jedoch nicht leichter, sondern eher schwerer.10i)

Die Nebenrichtungen dürfen dabei nicht unterschätzt werden. Sie müssen im Maßstab der Hauptrichtung vorankommen, da sonst die Flanken der Armeen der Hauptstoßrichtung ungedeckt sind, was der Gegner zu Gegenoffensiven ausnutzen kann. Die Nebenrichtungen waren von enormer politischer Bedeutung, wie sich an den Fronten auf dem Balkan, in Ungarn, Österreich, der Tschechoslowakei und an der Karelischen Front zeigte.

Als Oberbefehlshaber mußte Stalin alle Fronten, Haupt- und Nebenrichtungen, vom Balkan bis zum Polarkreis im Auge behalten. Es ist klar, daß er allein das gar nicht konnte, sondern sich auf ein Kollektiv erfahrener Generale im HQ, der FOB und AOB stützen mußte, so daß die Entscheidungen Stalins stets das Ergebnis der kollektiven Erfahrung der führenden Generale der Roten Armee waren, bei persönlicher Verantwortung als Oberbefehlshaber. Mit Überschreiten der Staatsgrenzen waren zunehmend außenpolitische Entscheidungen zu treffen, die kollektive Beratungen mit den Genossen des Volkskommisariats für Äußeres, vor allem mit Genossen Molotow erforderten.

Aus der Strategie der aufeinanderfolgenden Schläge ergibt sich ein methodisches Problem der Darstellung: entweder chronologisch, nebeneinander, oder nach Fronten und innerhalb der Fronten chronologisch. Beide Methoden haben ihre Vorzüge und Nachteile. Ich habe mich für die Darstellung nach Fronten entschieden, dabei die Nachteile durch Verweis auf gleichzeitige Operationen an anderen Fronten zu kompensieren gesucht.

 

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Polen

In Polen bestanden besonders komplizierte Verhältnisse, die vom sowjetischen Hauptquartier (HQ) sowie den Front- und Armeeoberbefehlshabern (FOB und AOB) beim Überschreiten der Staatsgrenzen zu berücksichtigen waren. Die über zwanzigjährige antisowjetische Politik und Propaganda der Pilsudskis, Rydz-Smiglys, Becks u.a., unterstützt vom katholischen Klerus, hatte im Zusammenwirken mit der restaurativen, gleichermaßen sowjetfeindlichen Tätigkeit und Ideologie der Londoner Exilregierung, wohlwollend gefördert von der britischen Regierung, beträchtliche Auswirkungen auf die polnische Bevölkerung gehabt. Wie Generalleutnant Antipenko, Stellvertreter (für Rückwärtige Dienste) von General Rokossowski, FOB der 1. Belorussischen Front, schrieb, begrüßte die polnische Bevölkerung die Rote Armee als Befreier, aber ein gewisses Mißtrauen war unverkennbar.11) Dieser Sachverhalt wird auch von anderen sowjetischen Autoren bestätigt.

Die polnische Widerstandsbewegung war in sich klassenmäßig tief gespalten. Es gab zwei politische Zentren in Polen. Das war für die antifaschistisch-demokratisch-revolutionären Kräfte das am 21. Juli 1944 gebildete Polnische Komitee der Nationalen Befreiung, „Polski Komitet Wyzwolenia Narodowego“ (PKWN). Dem PKWN gehörten an: Die Polnische Arbeiterpartei, „Polska Partia Rabotnica“ (PPR), im Januar 1942 auf Initiative der in der Sowjetunion lebenden Kommunisten und illegal in Polen wirkender kommunistischer Organisationen als marxistisch-leninistische Partei gegründet; die Polnische Sozialistische Partei, „Polska Partia Socjalistyczna“ (PPS); die Polnische Bauernpartei, „Polski Stronnictwo Ludowe“ (PSL); die Demokratische Partei, „Stronnictwo Demokratyczne“ (SD) und Parteilose.

Das PKWN war die Keimzelle der späteren volksdemokratischen Regierung Polens. Es hatte seinen Sitz zunächst im befreiten Lublin.

Die feudal-bourgeois-restaurativen Kräfte hatten ihre politische Repräsentanz in der polnischen Exilregierung in London und deren Vertretung im polnischen Untergrund, der sogenannten Delegatur.

1944 gab es mehrere polnische Armeen und bewaffnete Einheiten. Nach einem Abkommen der Sowjetregierung mit der polnischen Exilregierung in London begann am 30. Juli 1941 die Aufstellung einer polnischen Armee auf sowjetischem Territorium. 1942 erfolgte auf ihren Wunsch ihre Evakuierung nach dem Iran. Sie wurde nach dem Namen ihres Befehlshaber als „Anders-Armee“ bekannt. Sie nahm an der Seite britischer Truppen an den Kämpfen in Nordafrika, Italien und Griechenland teil.

Im Februar 1942 begann die polnische Exilregierung in London mit der Aufstellung einer Landesarmee in den von den deutschen Faschisten besetzten polnischen Gebieten, der „Armija Krajowa“ (AK).

Sowohl die Anders-Armee als auch die AK standen unter Führung von in ihrer Mehrheit reaktionärer Generale und Offiziere mit General Kazimierz Sosnkowski als Obersten Befehlshaber an der Spitze. Sosnkowski gehörte der Exilregierung in London an. Ziel der beiden polnischen Armeen war, nach der Vertreibung der deutschen Okkupanten die alte kapitalistische Klassenherrschaft wiederherzustellen.

Aus der antifaschistischen Widerstandbewegung bildeten sich unter Führung der PPR die Volksarmee, die „Armia Ludowa“ (AL) und Bauernbataillone, „Bataliony Chlopskie“ (BCH) heraus. Die PPR schuf mit Beginn des Jahres 1942 noch ihre eigene militärische Organisation, die Volksgarde, „Gwardia Ludowa“ (GL). Auf sowjetischem Territorium begann der Bund Polnischer Patrioten, „Zwiazek Patriotow Polskich“ (ZPP) mit dem Aufbau regulärer polnischer Streitkräfte, deren 1. Division bereits im Oktober 1943 an der Seite der Roten Armee an den Kämpfen teilnahmen. An der Befreiung Lublins am 24. Juli 1944 beteiligten sich bereits Einheiten der 1. Polnischen Armee, die sich am 21. Juli 1944 mit der AL zum Polnischen Heer, „Wojsko Polski“ (WP) vereinigte.

Neben diesen militärischen Verbänden und Armeen existierten noch Partisaneneinheiten.

Der polnische Widerstand gliederte sich also in zwei Hauptgruppen, einmal die antifaschistisch-demokratischen Organisationen und Verbände und zum anderen bürgerlich-nationalistische Organisationen und Verbände. Wollten die ersteren die nationale Befreiung von den faschistischen deutschen Okkupanten mit der volksdemokratischen Revolution, der Beseitigung von Großgrundbesitz und Großkapital verbinden, so beschränkten die von der polnischen Exilregierung in London und deren Delegatur ihren Widerstand auf die nationale Befreiung unter Restaurierung der alten Macht- und Eigentumsverhältnisse und führten zugleich den Klassenkrieg  gegen  die antifaschistisch-demokratischen Verbände und die Rote Armee.

Diese klassenbedingte Grobeinteilung in zwei politische Gruppierungen und Streitkräfte bedeutet nicht, daß sie in „reiner“ Form so getrennt in der Praxis zu unterscheiden waren, nach dem Schema, hier die progressiven Volkskräfte, „die Guten“, da die nationalistisch-restaurativ-bürgerlichen Kräfte, „die Bösen“! Innerhalb der reaktionären Verbände kämpften nicht wenige polnische Patrioten, die mit Mut und Entschlossenheit unter Einsatz ihres Lebens gegen die deutschen Faschisten um die Befreiung ihres Landes kämpften, die aber zugleich Vorbehalte gegenüber den Kommunisten und der Sowjetunion hatten. Umgekehrt kämpften in den von der PPR geführten Organisationen und Verbänden wiederum polnische Patrioten die zwar keine Antikommunisten waren, aber den Kommunisten gegenüber auch nicht frei von Vorbehalten waren. Es ist immer wieder zu berücksichtigen, daß eine Nation, die von 1772 bis 1918 drei Teilungen überlebt hat, deren staatliche Unabhängigkeit erst vor 25 Jahren wiederhergestellt worden war, die also im Erfahrungsbereich der noch lebenden und kämpfenden Generation lag, Mißtrauen gegenüber ihren starken Nachbarn hegte. Die deutschen Faschisten gingen ihrer Niederlage entgegen, die wurden die Polen los, aber wie würde sich die Sowjetregierung verhalten, deren siegreiche Armeen nunmehr polnisches Territorium betreten mußten? War an den Gerüchten und antisowjetischen Verleumdungen der Exilregierung in London sowie ihrer Delegatur wie auch der Goebbelspropaganda vielleicht nicht doch ein bißchen was dran, daß die Sowjets den Polen ihren Willen, ihr System aufzwingen würden? So bewegten sich viele Polen in dem Widerspruch, einerseits ist die Rote Armee der Befreier von den deutschen Faschisten, insofern muß man sie unterstützen, ihnen helfen, andererseits, werden sie die staatliche Souveränität Polens, das Selbstbestimmungsrecht der polnischen Nation respektieren?

Auf ausdrücklichen Befehl Stalins hatte sich die Rote Armee auf ihre Kampfaufgaben gegen die deutschen Armeen zu konzentrieren, sich nicht in die inneren Angelegenheiten des polnischen Volkes einzumischen, sich gegenüber der polnischen Bevölkerung  höflich zu benehmen, hilfsbereit zu sein, Hilfeleistungen im Rahmen des Möglichen zu gewähren.

Die Verwaltung der befreiten Gebiete unterstand dem PKWN. Die Rote Armee hatte das PKWN zu unterstützen, hatte aber keine Weisungsbefugnis. Vom HQ, von den FOB und AOB wurden Übergriffe von Angehörigen der Roten Armee streng bestraft.

Die Politische Hauptverwaltung der Roten Armee hatte in ihrer Direktive vom 19. Juli 1944 auf die neue Lage hingewiesen, die mit dem Vorstoß der Roten Armee über die Staatsgrenze hinaus entstanden sei. Daraus ergaben sich entsprechende Anforderungen der parteipolitischen Bildung und Erziehung der Soldaten der Roten Armee.

Stalin hatte im Juli 1944 General Krainjukow, Erstes Kriegsratsmitglied der 1. Ukrainischen Front, die Generale Mechlis und Subottin, Mitglieder von Kriegsräten, zu einer Beratung ins Staatliche Verteidigungskomitee nach Moskau einberufen, um einen Beschlußentwurf über Verhaltensregeln für die Rote Armee im Ausland auszuarbeiten, „denn dort sei jeder Kämpfer berufen, Ehre und Ansehen des Sowjetlandes hochzuhalten sowie die Souveränität und Würde der befreiten Völker zu achten.“12)

In dieser Beratung entwickelte Stalin seine Gedanken über Polen, „seine Gegenwart und Zukunft. Er erinnerte daran, daß die Polen in der Vergangenheit nicht nur das Joch der zaristischen Selbstherrschaft hätten tragen müssen, sondern auch von den eigenen Gutsbesitzern und Kapitalisten und den bürgerlichen Mächten des Westens brutal ausgebeutet worden seien. In den Händen der Imperialisten sei Polen häufig ein Stein des Anstoßes, ein Herd der Widersprüche, Konflikte und militärischen Zusammenstöße gewesen. Stalin betonte, daß in diesen historischen Tagen, wo die Rote Armee das polnische Volk vom faschistischen Joch befreie, die Grundlagen für eine brüderliche, unzerstörbare Freundschaft zwischen dem sowjetischen und dem polnischen Volk gelegt würden. Die Kriegsräte müßten sich darum kümmern, daß sich diese Freundschaft entwickle und festige, damit sie über Jahrhunderte fortdauern könne.

‘Wir Bolschewiki’, fuhr Stalin fort, ‘haben vom ersten Tag des Großen Vaterländischen Krieges an auf die historische Befreiungsmission der Roten Armee verwiesen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, die Völker Europas aus der faschistischen Knechtschaft zu befreien. Es ist unsere internationalistische Pflicht, dem polnischen Volk bei der Wiedergeburt eines starken, unabhängigen, demokratischen Polens beizustehen.’

Der Vorsitzende des Staatlichen Verteidigungskomitees erklärte, daß wir keinerlei eigene Administration auf polnischem Boden bilden und dort auch unsere Ordnung nicht errichten würden. Wir hätten uns nicht in die inneren Angelegenheiten des befreiten Landes einzumischen. Diese fielen allein in die souveräne Kompetenz der Polen. Es habe sich das Polnische Komitee der Nationalen Befreiung gebildet, und das werde auch seine eigene Verwaltung aufbauen. Mit dem Komitee sei enge Verbindung zu halten, andere Machtorgane seien nicht anzuerkennen.

‘Ich wiederhole, keinerlei andere Macht ist anzuerkennen außer dem Polnischen Komitee der Nationalen Befreiung!’

Stalin schlug den Kriegsräten der Fronten, deren Truppen polnischen Boden betreten hatten, vor, einen Aufruf an das polnische Volk herauszugeben. Er empfahl, dem Aufruf die Erklärung der Sowjetregierung und den Beschluß des Staatlichen Verteidigungskomitees zugrunde zu legen und darin zu erläutern, zu welchem Zweck und mit welchen Aufgaben sich die Rote Armee auf dem Territorium Polens aufhalte.

Damit war die Beratung beendet. Stalin trat auf uns zu, drückte jedem die Hand und wünschte uns viel Erfolg.“13)

Auf Weisung des ZK der KPdSU (B) und des Staatlichen Verteidigungskomitees beschloß der Kriegsrat der Front einen Aufruf an das polnische Volk. Darin hieß es:

„Die Rote Armee stellt sich nicht die Aufgabe, irgendeinen Teil polnischen Bodens der Sowjetunion einzuverleiben oder in Polen die Sowjetordnung einzuführen. Die historische Stunde ist gekommen, wo das polnische Volk selbst sein Geschick in die Hände nimmt. Das kürzlich gebildete Polnische Komitee der Nationalen Befreiung ist die einzige rechtmäßige Macht auf dem Territorium Polens, die die Interessen des polnischen Volkes zum Ausdruck bringt. In dieser Stunde müssen Sie der Roten Armee in jeder Weise helfen, damit sie die faschistischen Armeen zerschlagen kann und die Normalisierung des Lebens auf dem freien Boden des unabhängigen Polens beschleunigt wird.“14)

Der Kriegsrat und die Politverwaltung der 1. Ukrainischen Front gaben eine Zeitung in polnischer Sprache unter dem Namen „Neues Leben“ heraus. Sie erschien in einer Auflage von 20.000 Exemplaren.

Es wurden Gruppen von polnisch sprechenden Agitatoren zusammengestellt, die zur massenpolitischen Arbeit in den befreiten Gebieten eingesetzt wurden.15)

Das PKWN als neue Volksmacht in Polen veröffentlichte am 22. Juli 1944 ihr programmatisches Manifest. Darin hieß es: „Das Nationaleigentum, das sich gegenwärtig in den Händen des deutschen Staates und einzelner deutscher Kapitalisten befindet, und zwar von Großindustrie-, Handels-, Bank- und Transportunternehmen, so wie die Wälder werden vorläufig unter staatliche Verwaltung gestellt.“ Das „Eigentum von Bürgern, Bauern, Kaufleuten, Handwerkern, kleinen und mittleren Unternehmern sowie von Einrichtungen und von der Kirche, das die Deutschen an sich gerissen hatten“, wird „dem gesetzmäßigen Eigentümer zurückgegeben...“16)

Wie ersichtlich, handelte es sich in den Zielen des PKWN nicht um sozialistische Forderungen.

Am 26. Juli 1944 erfolgte in Moskau die Abstimmung über die Befugnisse zwischen dem PKWN und dem Oberbefehlshaber der Roten Armee. In frontnahen Gebieten übte das sowjetische Oberkommando, das war der jeweilige FOB, in dem Maße die oberste Gewalt aus, wie es für die militärischen Erfordernisse notwendig war. In den nicht mehr zur Kampfzone gehörenden befreiten Gebieten ging die gesamte Macht an das PKWN über. Es nahm praktisch Regierungsfunktionen wahr, wenn es auch noch nicht offiziell die Bezeichnung einer provisorischen Regierung annahm.

Am 1. August 1944 bestätigte Molotow als Volkskommisssar für Auswärtige Angelegenheiten in einem Schreiben an den Vorsitzenden des PKWN, Edward Boleslaw Osobka-Morawski, dessen Anerkennung durch die Sowjetunion. Nach Bildung der „Provisorischen Regierung der Polnischen Republik“ am 31. Dezember 1944 nahm die Regierung der UdSSR am 5. Januar 1945 diplomatische Beziehungen zu ihr auf. Wie Stalin nachdrücklich erklärt hatte, war das PKWN, die Provisorische Regierung das einzige Machtorgan Polens, das zu unterstützen war. Alle anderen Organisationen, die sich als „Machtorgane“ ausgaben, seien als illegal zurückzuweisen. Das galt ausdrücklich für die polnische Exilregierung in London - Stalin sprach meistens von einer Emigrantenregierung - und ihrer Delegatur in Polen. Alle innenpolitischen Fragen sowie Probleme der polnischen Außenpolitik seien grundsätzlich an die Provisorische Regierung zu verweisen als der einzigen rechtmäßigen Regierung Polens.

Solche Weisungen Stalins waren klassenmäßig und sicherheitspolitisch bestimmt. Die Sowjetregierung war nach den Erfahrungen mit den alten feudal-kapitalistischen, sowjetfeindlichen Regimes Pilsudskis und Becks daran interessiert, ein demokratisches und friedfertiges Polen als Nachbarn zu haben. Stalin hat zu keiner Zeit die Forderung nach Errichtung einer sozialistischen Ordnung in Polen oder in einem anderen Land, auch nicht in Deutschland bzw. der DDR gestellt. Die Frage der Gesellschaftsordnung hatten die Volksmassen selbst zu entscheiden. Revolutionen, speziell die sozialistische Revolution, sind keine Exportartikel.

Stalin hatte nach den Erfahrungen der 20er und 30er Jahre jedoch keine Illusionen über die polnischen Großgrundbesitzer und Großkapitalisten. Daraus folgte, daß er und die anderen Mitglieder der Sowjetregierung die ersten Organe einer demokratischen Volksmacht in Polen, in denen nicht die Pans den Ton angaben, unterstützten und nach außen gegen eine militärische Intervention wie in Griechenland sicherte. Diese Politik hat natürlich Churchill, und nicht nur ihm, gar nicht gefallen, der die alten Machtverhältnisse der Pans restaurieren und Polen in einen neuen „cordon sanitaire“ gegen die Sowjetunion einbinden wollte. Aus dieser Zeit stammt auch der bis in die heutige bürgerliche Geschichtsschreibung und politische Publizistik reichende diffamierende Terminus von sowjetischer „Satelliten-Regierung“ für Polen, wie später auch für die anderen osteuropäischen Voksdemokratien und die DDR. Daß Arbeiter, Bauern, Intellektuelle und andere Werktätige eine sozialistische Gesellschaftsordnung, die Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln, die Errichtung ihrer eigenen politischen Herrschaft wollen könnten, stößt an die sozialen Schranken des Bourgeoisverstandes.

Die bürgerliche Demokratie, hervorgegangen aus „freien Wahlen“ zum Parlament als angeblicher Ausdruck der Volkssouveränität war seit ihrer geschichtlichen Existenz nichts anderes als die Form bürgerlicher Klassenherrschaft und politischer Reflektion der Konkurrenz unter den Bourgeois gewesen. Das ist zumindest seit 150 Jahren bekannt. In seiner 1850 verfaßten Schrift „Die Klassenkämpfe in Frankreich“ schrieb Marx: „Die  Bourgeoisherrschaft als Ausfluß und Resultat des allgemeinen Stimmrechts, als ausgesprochener Akt des souveränen Volkswillens, das ist der Sinn der Bourgeoiskonstitution.“17)

Aber was, wenn die Kommunisten in den Wahlen die Mehrheit erringen? Das Wahlrecht will „das Vernünftige“, und das Vernünftige ist die Klassenherrschaft der Bourgeoisie. Wenn „der Inhalt dieses Stimmrechts... nicht mehr die Bourgeoisherrschaft ist“, hat die Konstitution ihren Sinn verloren. „Ist es nicht Pflicht der Bourgeoisie, das Stimmrecht so zu regeln, daß es das Vernünftige will, ihre Herrschaft?“18)

Churchill wollte das „Vernünftige“ in Polen, und das „Vernünftige“ repräsentierte die polnische Exilregierung in London, und dieses „Vernünftige“ hat Stalin verworfen und nur die Provisorische Regierung in Lublin als einzig rechtmäßige Regierung anerkannt, das „Unvernünftige“, und alle Polen betreffende Fragen an diese Regierung verwiesen.

Im Demokratieverständnis Churchills und anderer Bourgeoisideologen war die durch Gewalt der britischen Armee gebildete und in Terrorwahlen bestätigte Regierung in Griechenland das „Vernünftige“, eine durch „freie Wahlen“ legitimierte Macht. Die Provisorische Regierung in Lublin als Repräsentant der Arbeiter, Bauern, Intellektuellen und anderen Werktätigen unter Ausschluß der Großgrundbesitzer und Großkapitalisten war das „Unvernünftige“. Und wenn diese Volksmacht auch noch durch die Rote Armee vor Intervention von außen geschützt war, war sie eben nur eine „Satelliten-Regierung“ der Sowjets. Antisowjetismus, Antikommunismus sind a priori „demokratisch“, und umgekehrt, Sozialismus, sozialistische Demokratie sind „Diktatur“, Satelliten-Regimes, das „Unvernünftige“, etc. So einfach ist das Schema, und danach wurde und wird verfahren. Es kommt nur darauf an, daß diese Version oft genug und möglichst in den gleichen Worten wiederholt wird, um einen nicht geringen Teil der Volksmassen selbst daran zu hindern, die Herrschaftsmethoden der Diktatur der Kapitalistenklasse zu durchschauen.

Die Delegatur entfachte in Polen einen wütenden Kampf gegen die vom PKWN bzw. der Provisorischen Regierung errichteten Verwaltungen in den befreiten Gebieten, führte terroristische Anschläge gegen sowjetische Armee-Einheiten, Truppentransporte, Nachschubgüter durch und schreckte auch vor Mordanschlägen nicht zurück. Teilnahme von Bürgern an den Verwaltungen wurde als „Landesverrat“ gebrandmarkt, die nach Wiederherstellung der Macht der Londoner Exilregierung strafrechtlich verfolgt werden würden. Die Delegatur führte einen regelrechten Klassenkrieg gegen die Partisanenabteilungen, die zum Teil von sowjetischen Offizieren ausgebildet, in einigen Fällen auch geführt wurden. Ermordung von Partisanen, Sowjetsoldaten und -offizieren, Sabotageanschläge gegen rückwärtige Verbindungen der kämpfenden Roten Armee waren an der Tagesordnung.

Die mehr als fünfjährige Besetzung Polens durch die deutschen Faschisten hatte neben der Vernichtung von sechs Millionen Menschen - 25 Prozent der gesamten Bevölkerung! - auch  zu einer umfassenden Zerstörung der Industrie und kultureller Einrichtungen geführt. „Während der Okkupation wurden in Polen 10.200 (64 Prozent!) Industriebetriebe, 2.677 Krankenhäuser, 6.000 Schulen, 3.337 Museen und Theater, 300.000 Gebäude in Städten und über 450.000 Häuser in Dörfern zerstört. Viele polnische Städte bestanden nur noch aus Ruinen und Brandstätten.“19)

Die sowjetische Regierung und die Rote Armee halfen mit allem, womit sie helfen konnten. „Tausende Waisen mußten eingekleidet und ernährt werden. Auf Antrag der polnischen Regierung stellte die Front für diese Kinder Mehl, Graupen, Zucker und kondensierte Milch für ein ganzes Jahr sowie Bettzeug zur Verfügung. Auf persönliche Weisung Stalins übergab die 1. Belorussische Front aus ihren Beständen 500 Lastkraftwagen sowie einige hundert Tonnen Treibstoff an die polnische Regierung. Das fiel damals keineswegs leicht.“20)

Der Aufbau einer neuen Verwaltung durch das PKWN, die Provisorische Regierung bedurfte ebenfalls der Unterstützung durch sowjetische Dienste. Die sowjetischen Finanzfachleute standen vor schwierigen Problemen, wie der Festsetzung des Goldkurses unter den neuen Bedingungen, Regelungen, wie Lieferungen an die Rote Armee abzurechnen und wie die Löhnung an die Militärangehörigen auszuzahlen waren. Es sollten gleichzeitig zwei Währungen, die polnische und sowjetische, gültig sein. Fragen des Geldumlaufs, die ausgesprochen politischen Charakter trugen, waren zu klären.21)

Das galt für die befreiten Gebiete. Aber noch war Krieg auf polnischem Territorium und auch über die Westgrenzen Polens hinaus, wobei es zu Widersprüchen zwischen militärischen Erfordernissen und politischen Rücksichten kam. Generalleutnant Antipenko verwies auf das Problem der für die Offensive der Roten Armee in der Hauptrichtung Weichsel - Oder - Berlin strategisch wichtigen Ost-West-Bahnlinie. Die Bahn in Polen hatte die in Westeuropa übliche Spurbreite. Ein Umnageln der polnischen Gleisanlagen auf die sowjetische Norm war aus militärischen Gründen geboten, politisch aber bedenklich. Mit dem Umnageln wurde begonnen, aber Stalin gab Befehl, die Schienen sofort wieder auf die westeuropäische Spur umzunageln. Erst nach mehreren Überlegungen zwang die militärische Lage das auf Initiative Stalins geschaffene Transportkomitee, dem Antrag Antipenkos auf Umnageln auf die sowjetische Spur wenigstens auf einer Strecke im Oktober/November stattzugeben. Anders war der Transport von Truppen und Militärgütern für die Offensive Weichsel - Oder - Berlin nicht zu bewältigen, was zu einer Verlängerung des Krieges geführt hätte.22)

 

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Der Warschauer Aufstand - 1. August - 2. Oktober 1944

Der Warschauer Aufstand war Ausdruck und Ergebnis des sich dramatisch zuspitzenden Klassenkampfes innerhalb der Antihitlerkoalition. Valentin Falin gebührt das Verdienst, unter den sowjetischen Wissenschaftlern zu den ersten zu gehören, wenn nicht sogar der erste gewesen zu sein, auf den inneren Zusammenhang von drei auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun habenden Ereignissen hingewiesen zu haben: den Plan „Rankin“, das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 und den Warschauer Aufstand.

Der Plan „Rankin“ wurde auf der Quebec-Konferenz (19. - 24. August 1943) von Roosevelt und Churchill bestätigt, am 8. November 1943 noch präzisiert. Er sah unter anderem vor, bei einem möglichen Zusammenbruch der deutschen Verteidigung, einer bedingungslosen Kapitulation vor den angloamerikanischen Truppen folgende Städte mit Umgebung „unverzüglich“ zu besetzen: In Deutschland: Bremen, Lübeck, Hamburg, das Ruhrgebiet, Köln, Berlin, Dresden, Stuttgart und München; in Italien: Turin, Mailand, Rom, Neapel und Triest; in Südosteuropa sollten Budapest, Bukarest und Sofia besetzt werden. „Symbolische Kräfte“ sollten in Den Haag, Brüssel, Lyon, Prag, Warschau, Belgrad und Zagreb abgesetzt werden. Schließlich sollten auch Dänemark, der Raum Kiel, Saloniki, die Insel Rhodos unter Kontrolle gestellt werden. Das Leitmotiv lautete überall: ‘den Russen zuvorkommen’.

Kein koordiniertes Vorgehen mit der UdSSR, sondern Gegenmaßnahmen. Bedingungslose Kapitulation Deutschlands nicht vor der Anti-Hitler-Koalition, sondern vor den USA und Großbritannien.23)

Offiziell wurde Stalin von diesen Beschlüssen nichts mitgeteilt. Inwieweit er aus anderen Quellen, durch Indiskretionen oder durch die sowjetische Aufklärung Kenntnis von diesen Plänen erhielt, muß ich offen lassen. Über Churchill und dessen edlen Absichten hatte Stalin jedenfalls keinerlei Illusionen.

Das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 war nicht nur eine einzelne Aktion, Ergebnis einer Verschwörung einiger Militärs und Beamten des faschistischen Staatsapparates, sondern Ausdruck einer tiefgreifenden politischen Krise des faschistischen Deutschlands. Die Kungeleien von hochrangigen Repräsentanten des faschistischen Staates mit Vertretern der Westmächte, Himmler, Schellenberg, Papen u.a., ließen einen Zusammenbruch der deutschen Wehrkraft im Westen, eine Kapitulation nur vor den Westmächten bei Fortsetzung des Krieges gegen die Sowjetunion als möglich erscheinen.23a) Dieser Aspekt läßt das politische Motiv der für den Warschauer Aufstand verantwortlichen Führer deutlich werden: „Den Russen zuvorkommen!“

Denn diese Absicht lag dem Plan „Burza“, Deckname für den Aufstand, zugrunde: Wenigstens 12 Stunden vor dem Eintreffen sowjetischer Truppen in Warschau die Stadt durch den Aufstand von den faschistischen Besatzern zu befreien und die Delegatur der polnischen Exilregierung in London als legitime polnische Regierung zu proklamieren. Bei Erfolg des Aufstandes konnte dann ein symbolisches, britisches Armeekontingent Warschau besetzen.24)

Die von interessierter Seite in die Publizistik lancierte Version, daß der Aufstand „spontan“ nach einem Kommentar des Moskauer Rundfunks vom 29. Juli ausgebrochen sei, der so interpretiert wird,  als habe er die Warschauer Bevölkerung zum Aufstand aufgerufen, ist angesichts des umfangreichen zugänglichen Faktenmaterials nicht haltbar, obwohl noch längst nicht alle Archivdokumente veröffentlicht sind. Diese antisowjetische Behauptung stammt von General Bor-Komorowski, der damit sein verbrecherisches Unternehmen zu rechtfertigen suchte, nachdem auch für ihn erkennbar war, daß der Aufstand zum Scheitern verurteilt war. Der Ministerpräsident der polnischen Exilregierung in London, Stanislaw Mikolajczyk, bediente sich seinerseits dieser Lüge in seinem Telegramm an Roosevelt vom 18. August, um die verantwortungslose Handlungsweise seiner Regierung und der Delegatur in Polen zu begründen. Die Methode war und ist nicht neu, die eigenen Verbrechen der Sowjetunion - Stalin - anzulasten.

Bedienen wir uns einer Dokumentation des britischen Foreign Office, die - zwar unter Weglassung wichtiger Fakten - eindeutig aussagen, daß der Aufstand vom 1. August 1944 „keine spontane Erhebung“ war.25)

Der „polnische Untergrund“ (gemeint waren die Delegatur und die AK, UH) wurde von der polnischen Exilregierung in London „kontrolliert“, d.h. angeleitet.26) Der Befehlshaber der AK, Bor-Komorowski, war wiederum dem Oberbefehlshaber der polnischen Streitkräfte (Anders-Armee und AK, UH), General Sosnkowski, unterstellt. Sosnkowski war Mitglied der Exilregierung in London. Die britische Regierung ließ keinen Zweifel daran, daß die polnische Exilregierung in London für sie die „legitime Regierung in Polen“ sei.27)

Die polnische Exilregierung hatte „fertig ausgearbeitete Pläne für einen allgemeinen Aufstand“. Sie habe „um britische Unterstützung ersucht“, was jedoch abgelehnt worden sei mit der Empfehlung, „daß ein Aufstand nur dann erfolgreich sein würde, wenn er in Übereinstimmung mit und in Kooperation mit den Russen erfolgen würde.“28) Es muß erwähnt werden daß auch General Sosnkowski Bor-Komorowski vor einem Aufstand gewarnt hat, wenn er nicht vorher mit dem sowjetischen Oberkommando abgestimmt sei.

Die Aufstandspläne waren fertig, noch bevor die Russen in einem raschen Vormarsch die Vororte von Warschau am 29. Juli erreicht hatten.29)

Diese letztere Aussage ist ungenau und kann zu dem falschen Schluß führen, als wenn die sowjetischen Streitkräfte unmittelbar vor Warschau standen und nur noch einmarschieren mußten. Vielleicht war ein solcher falscher Schluß auch beabsichtigt?!

Tatsächlich befanden sich die Hauptkräfte der 1. Belorussischen Front unter dem FOB Marschall Rokossowski noch 200 Kilometer von Warschau entfernt. Lediglich die 2. Panzerarmee der 1. Belorussischen Front war bis auf etwa 10 - 12 Kilometer vor Praga, einem Außenbezirk von Warschau auf dem Ostufer der Weichsel, vorgestoßen. Dort stand sie in Abwehrkämpfen gegen Angriffe starker deutscher Panzerverbände. Warschau war durch die Weichsel von Praga getrennt. Ein Forcieren des Flusses war bei dem bestehenden Kräfteverhältnis zu diesem Zeitpunkt unmöglich. Offenbar spekuliert man auf die Unwissenheit des Lesers. Über die Gefechtsbereitschaft der 1. Belorussischen Front im Juli 1944 wird noch zurückzukommen sein.

In der Dokumentation des Foreign Office folgt dann die Version vom „Kommentar“ des Moskauer Rundfunks vom 29. Juli, der angeblich Bor-Komorowski veranlaßt habe, den Befehl zum Aufstand am 1. August zu geben. Die Russen wären „nur 10 Kilometer von Warschau entfernt gewesen“, aber General Bor-Komorowski wäre nicht in der Lage gewesen, mit dem sowjetischen Oberkommando in Verbindung zu treten, bevor er seinen Aufstandsbefehl gegeben habe.30)

Den Kontakt zum sowjetischen Oberkommando, konkret zum FOB der 1. Belorussischen Front, Marschall Rokossowski, hätte Bor-Komorowski herstellen können, wenn er ihn hätte haben wollen.

In einer Fußnote versteckt wird von Llewellyn Woodward die These vom „Aufstandsaufruf“ des Moskauer Rundfunks relativiert, mit der Bemerkung, daß die Sowjets bestreiten, einen solchen Aufruf erlassen zu haben. Dem Leser wird damit die Interpretation des Kommentars vom 29. Juli überlassen.

In der gleichen Fußnote kommt der Verfasser der Wahrheit jedoch ein Stückchen näher, wenn er eingesteht, daß die Polen selbst Warschau befreien, eine arbeitsfähige Regierung einsetzen wollten, bevor die Russen die Stadt einnehmen würden, was bedeutete, daß sie wenigstens zwölf Stunden vor dem Eintreffen der Russen die Kontrolle über Warschau haben müßten.31) Wenn wir an die Stelle „die Polen“ Bor-Komorowski und die Exilregierung setzen, dann stimmt es. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß am 27. Juli Mikolajczyk und Begleitung nach Moskau abgereist waren, also unmittelbar vor dem Aufstand in Moskau waren.

Aus dem Sachverhalt ergeben sich einige Fragen: Mikolajczyk hatte von dem in London ausgearbeiteten Aufstandsplan als Ministerpräsident der Exilregierung nichts gewußt? Er hatte keine Möglichkeit gehabt, Stalin, Molotow oder einen anderen hochrangigen Sowjetfunktionär oder General über den unmittelbar bevorstehenden Aufstand zu informieren, auch wenn er die genaue Stunde nicht wissen mußte? (Bor-Komorowski hatte ihn mehrfach verschoben, wie noch zu zeigen sein wird) Er konnte sich nicht darüber informieren, ob die Rote Armee in der Lage war, den Aufständischen rasch zu Hilfe zu kommen? Er konnte nicht einen Kontakt zwischen Bor-Komorowski und Marschall Rokossowski vermitteln?

Die britische Regierung - also auch Churchill - haben von dem Aufstand gewußt. Sie waren vorsichtig genug, irgendwelche Hilfen, Unterstützungen in Aussicht zu stellen. Churchill verfuhr nach der bekannten Devise: macht nur, geht es gut, können wir helfen, dann haben wir die Sowjets draußen, geht es schief, tragen wir keine Verantwortung dafür, wir haben ja empfohlen, mit den Sowjets vorher Kontakte aufzunehmen (in dem guten Wissen, daß sie gerade dies nicht tun würden). Darüber hinaus bot eine Niederlage der Aufständischen die Möglichkeit, die Verantwortung für das vorauszusehende Blutbad, das die Faschisten unter der Warschauer Bevölkerung anrichten würden, den Sowjets - Stalin! - anzulasten, wie es ja dann auch geschah.

General der Infanterie Kurt von Tippelskirch bezeugte als Militär eine im wesentlichen richtige Einsicht in die Ereignisse in Warschau, als er schrieb:

„Als sich Rokossowskis Armeen Ende Juli anscheinend unaufhaltsam der polnischen Hauptstadt näherten, hielt die polnische Untergrundbewegung die Stunde der Erhebung für gekommen. Auch an einer Aufmunterung von englischer Seite hat es wohl nicht gefehlt. Gehörte es doch zu den schon vorher in Rom und bald darauf in Paris von den Engländern angewandten Gepflogenheiten, die Bevölkerung der Hauptstädte, deren Befreiung unmittelbar bevorzustehen schien, zur Erhebung aufzurufen. Der Aufstand brach am 1. August aus, als die Kraft des russischen Vorstoßes bereits gebrochen war und die Russen den Versuch, die Hauptstadt im Handstreich zu nehmen, einstellten. So blieben die polnischen Aufrührer sich selbst überlassen. Sie hatten zunächst überraschend große Erfolge. Die meisten deutschen Dienststellen in der großen Stadt wurden von der Außenwelt abgeschnitten, die Bahnhöfe von den Aufständischen, die über Granatwerfer, 2-cm-FIak und Panzerbekämpfungsmittel verfügten, besetzt und alle Durchgangsstraßen gesperrt. Nur die Brücken über die Weichsel konnten von deutschen Sicherungen gehalten werden. Hätten die Russen ihre Angriffe an der Front des  Brückenkopfes fortgesetzt, so wäre die Lage in der Stadt wohl unhaltbar geworden. Nun konnten in und um Warschau genügend Kräfte zusammengebracht werden, um wenigstens die deutschen Dienststellen zu befreien, die Bahnhöfe wieder in die Hand zu bekommen und zu verhindern, daß die volle Gewalt über die Stadt in die Hände der Aufständischen geriet. Es bedurfte aber noch eines harten und zähen Kampfes, der sich bis in den Oktober hinzog, bis die deutsche Besatzung des Aufstandes Herr wurde. Für eine schnelle, durchgreifende Säuberung fehlte es ständig an Kräften.“32)

Stalin, das HQ, der FOB der 1. Belorussischen Front, Marschall Rokossowski wurden von dem Aufstand überrascht. Es bestand weder von Seiten der polnischen Exilregierung noch von Bor-Komorowski die Absicht, die sowjetische Führung zu informieren oder gar zu konsultieren. Das widersprach ihren politischen Intentionen, nämlich: „den Russen zuvorzukommen!“

Es mutet schon befremdlich an, wenn Churchill an Stalin am 4. August telegrafierte, daß die Polen „um russische Hilfe bitten, die sehr nahe scheint. Sie werden von anderthalb deutschen Divisionen angegriffen. Das könnte für Ihre eigenen Operationen von Nutzen sein.“33) Churchill berief sich dabei auf Informationen, die er von den Polen erhalten habe.

Die Antwort Stalins vom 5. August fiel dann auch sehr kurz aus. Er meinte, daß er die „von den Polen übermittelte Information ... für nicht sehr vertrauenswürdig“ hielt. „Die Armia Krajowa der Polen besteht aus einigen Abteilungen, die sich fälschlicher Weise als Divisionen bezeichnen. Sie haben weder Artillerie, Flugzeuge noch Panzer. Ich kann mir nicht vorstellen, wie solche Abteilungen Warschau einnehmen wollen, das die Deutschen mit vier Panzerdivisionen, darunter die Division ‘Hermann Göring’, verteidigen.“34)

Wie dieser Aufstand unter dem von Stalin genannten Kräfteverhältnis „von Nutzen“ für die Rote Armee sein könnte, blieb wohl das Geheimnis des britischen Premierministers.

Nach Untersuchungen von Falin bestand die offizielle Mannschaftsstärke der AK (in Polen insgesamt, UH) aus 175.000 Mann, die unter „direkter Aufsicht britischer Berater mit britischem Geld aufgebaut und mit Waffen ausgerüstet“ waren. Die Waffen wurden von britischen Flugzeugen abgeworfen.

Nur ein kleiner Teil der AK kam bei Operationen gegen die faschistischen Okkupanten zum Einsatz. „Alle übrigen warteten auf den Tag X“35), das heißt, auf den Einsatz gegen die Rote Armee.

Trotz ihrer Erkenntnisse über die tatsächlichen Absichten der polnischen Exilregierung in London und ihrer Delegatur und Führung der AK sowie der Churchill-Regierung haben Stalin, das HQ und der FOB der 1. Belorussischen Front, Marschall Rokossowski, alles nur menschenmögliche getan, um die Aufständischen zu unterstützen.

Der Aufstand trug einen doppelten Charakter. Er war einmal das Werk unverantwortlicher Abenteurer mit antisowjetischer Zielstellung, insofern ein Verbrechen am polnischen Volk. Zum anderen beteiligten sich nach Beginn des Aufstandes auch Einheiten der AL (Armia Ludowa)  die ebenfalls von Bor-Komorowski nicht informiert waren und der auch jeden Kontakt von Einheiten der AK zur AL verbot! Desgleichen unterstützte die Warschauer Bevölkerung den Aufstand gegen die verhaßten deutschen Faschisten; insofern trug der Aufstand den Charakter einer antifaschistischen Volkserhebung. Das war der Grund, warum Stalin und das HQ alles taten, was in ihren Kräften stand, um der Warschauer Bevölkerung zu helfen.

Der ehemalige FOB der 1. Belorussischen Front, Marschall Rokossowski, erinnert sich: Die Armeen der 1. Belorussischen Front gehörten zu den ersten, die polnischen Boden betraten. Sie stießen bis an Praga, am Ostufer der Weichsel gelegen, vor. Praga wird unterschiedlich mal als Vorort, mal als Stadtteil, von Warschau bezeichnet. Wichtig für das Verständnis der strategischen Situation ist, daß Praga durch die Weichsel von den anderen Stadtteilen Warschaus getrennt ist.  Rokossowskis Armeen standen also Warschau am nächsten.

Um Wiederholungen zu vermeiden, beschränke ich mich hier auf die Ausführungen Rokossowskis über die militärische Lage, die militärischen Aktivitäten der 1. Belorussischen Front und seine Erfahrungen mit den Offizieren der AK.

Von der polnischen Bevölkerung wurden die Armeen der 1. Belorussischen Front begrüßt. Die 1. Polnische Armee, die zur 1. Belorussischen Front gehörte, erhielt zunehmende Verstärkungen von Freiwilligen aus der Bevölkerung, von Einheiten der GL (Gwardia Ludowa), der AL und anderen Widerstandskräften. Befremden erregte die Verhaltensweise der AK.

„Schon die erste Begegnung mit Vertretern dieser Armee hinterließ einen unangenehmen Eindruck. Als wir erfahren hatten, daß sich in den Wäldern nördlich Lublin ein polnischer Verband befand, der sich 7. Division der AK nannte, entschlossen wir uns, durch einige Offiziere unseres Stabes die Verbindung aufzunehmen. Bei dem Treffen lehnten die AK-Offiziere, die polnische Uniformen trugen, unseren Vorschlag, im Kampf gegen die faschistischen Truppen zusammenzuwirken, arrogant ab. Sie erklärten, daß die AK nur die Weisung der Londoner Exilregierung und deren Bevollmächtigten befolge. Ihre Haltung uns gegenüber definierten sie vielsagend wie folgt: ‘Wir werden gegen die Rote Armee keine Waffengewalt anwenden, wünschen aber auch keinen Kontakt mit ihr’“.36)

Am 2. August erhielt Rokossowski von der eigenen Aufklärung die Nachricht vom Aufstand in Warschau. Alles war überraschend gekommen, sie waren auf Vermutungen angewiesen. Rokossowski nahm zunächst an, daß es sich um ein vom Gegner verbreitetes Gerücht handelte.

„Der Zeitpunkt des Beginns war so ungünstig gewählt, daß es schien, der Aufstand sei absichtlich jetzt ausgelöst worden, um ihn scheitern zu lassen. Zu dieser Zeit kämpften die 48. und die 65. Armee über 100 Kilometer ost- und nordostwärts der polnischen Hauptstadt. Unser rechter Flügel war durch den Abzug zweier Armeen in die Reserve des Hauptquartiers geschwächt. Er mußte noch einen starken Gegner zerschlagen, den Narew erreichen und Brückenköpfe an seinem Westufer bilden. Die 70. Armee hatte eben erst Brest genommen und säuberte den Raum von Resten der dort eingeschlossenen gegnerischen Truppen. Die 47. Armee kämpfte im Raum Siedlce mit Front nach Norden. Die 2. Panzerarmee kämpfte im Vorfeld von Praga, einem Warschauer Vorort am Ostufer der Weichsel, und wehrte die Gegenangriffe faschistischer Panzerverbände ab. Die 1. Polnische Armee, die 8. Gardearmee und die 69. Armee forcierten die Weichsel südlich Warschau bei Magnuszew und Pulawy und hatten Brückenköpfe an deren Westufer zu bilden und zu erweitern. Das war die Hauptaufgabe des linken Flügels, die unbedingt gelöst werden mußte.

In der Westpresse warf man mir damals vor, die Warschauer Aufständischen wären absichtlich von uns nicht unterstützt und damit dem Untergang preisgegeben worden. Dazu muß folgendes gesagt werden: Die Belorussische Operation war in ihrer Tiefe beispiellos. Der rechte Flügel der Front hatte eine Entfernung von über 600 Kilometern zurückgelegt. Unsere Truppen setzten nach den pausenlosen Kämpfen ihre letzten Kräfte ein, um die vom Hauptquartier gestellte Aufgabe noch lösen zu können. Die Befreiung Warschaus hätte aber eine neue große Angriffsoperation erfordert - die dann später ja auch durchgeführt wurde. Aber im August 1944 hätten wir ohne umfangreiche Maßnahmen Warschau nicht einmal als großen Brückenkopf nehmen können.“37)

Warschau lag in nächster Nähe, die Truppen der 1. Belorussischen Front kämpften bereits im Vorfeld von Praga. „Aber jeder Schritt kostete ungeheure Anstrengungen.“38) Es gab noch immer keine Verbindung zu den Aufständischen. „Alle Bemühungen unserer Aufklärungsorgane, Kontakte aufzunehmen, waren gescheitert.“39)

Rokossowski lernte sehr schnell den Unterschied zwischen den Initiatoren des Aufstandes, General Bor-Komorowski als dessen Befehlshaber sowie General „Monter“ als dessen Gehilfen, Befehlshaber des Militärbezirks Warschau und den „patriotisch gesinnten Warschauer Einwohner(n)“ kennen. Letztere, die sich von den faschistischen Okkupanten befreien wollten, griffen zu den Waffen und schlossen sich dem Aufstand an. „Sie hatten dabei keine Hintergedanken. Diejenigen aber, die die Bevölkerung von Warschau unter so ungünstigen Umständen zum Aufstand aufriefen, hätten alle Folgen dieses Schrittes vorher bedenken müssen.

Aus allem, was ich von den polnischen Genossen und aus dem umfangreichen Material des Stabes der Front erfuhr, ergab sich die Schlußfolgerung, daß die Leiter des Aufstands bestrebt waren, jegliche Kontakte der Aufständischen mit der Roten Armee strikt zu unterbinden. Allmählich wurde jedoch der Bevölkerung klar, daß sie betrogen worden war. Erst als sich die Lage in der Hauptstadt immer mehr verschärfte und unter den Aufständischen Zwistigkeiten ausbrachen, entschlossen sich die Anführer der Armia Krajowa, über London an das sowjetische Oberkommando heranzutreten.

Nach Erhalt eines entsprechenden Funkspruchs leitete der Chef des Generalstabes, Antonow, die offizielle Verbindung zwischen uns und den Aufständischen ein. Schon zwei Tage später, am 18. September, meldete der britische Rundfunk, General Bor-Komorowski hätte die Koordinierung der Handlungen mit dem Stab Rokossowskis bekanntgegeben und berichtet, daß sowjetische Flugzeuge laufend Waffen, Munition und Verpflegung für die Aufständischen in Warschau abwürfen.

Daraus sieht man, wie leicht eine Verbindung zum Oberkommando der 1. Belorussischen Front aufzunehmen war, wenn man diese wünschte. Doch General Bor-Komorowski entschloß sich erst dazu, als der Versuch der Briten, die Aufständischen aus der Luft zu versorgen, gescheitert war. Eines Tages hatten nämlich 80 ‘Fliegende Festungen’ in Begleitung von ‘Mustang’-Jägern Warschau in 4500 Metern Höhe gruppenweise überflogen und ihre Lasten abgeworfen. Infolge der durch die Höhe bedingten Streuung verfehlten die Abwürfe ihr Ziel. Außerdem schoß die gegnerische Flak zwei Flugzeuge ab. Daraufhin stellten die Briten ihre Versuche ein.“40)

„Der Gegner, der unsere schwache Stelle zwischen Praga und Siedlce erkannt hatte, entschloß sich, von hieraus in die Flanke und den rückwärtigen Raum der Truppen zu stoßen, die südlich der polnischen Hauptstadt die Weichsel forciert hatten. Dazu konzentrierte er am Ostufer im Raum Praga die 4. Panzerdivision, die 1. Panzerdivision ‘Hermann Göring’, die 19. Panzer- und die 73. Infanteriedivision. Diese Kräfte begannen am 2. August einen Gegenstoß, wurden jedoch im Vorfeld von Praga von den aus Süden anrückenden Truppenteilen unserer 2. Panzerarmee gestellt. Es kam zu einem hartnäckigen Begegnungsgefecht, in dem sich die faschistischen Truppen in einer günstigeren Lage befanden, da sie sich auf den stark befestigten Raum Warschau stützen konnten.

In dieser Lage hätten sich die Warschauer Aufständischen bemühen können, die Weichselbrücken und Praga zu nehmen, dem Gegner in den Rücken zu fallen und damit unsere 2. Panzerarmee zu unterstützen. Wer weiß, wie sich die Ereignisse dann entwickelt hätten. Aber das lag weder in der Absicht der polnischen Regierung in London, von der sich drei Vertreter in Warschau befanden, noch in denen der Generale Bor-Komorowski und ‘Monter’. Diese ließen, nachdem sie ihre schmutzige Arbeit verrichtet hatten, das Volk die Folgen ihres verbrecherischen Tuns ausbaden.“41)

Aus den weiteren Ausführungen Rokossowskis geht hervor, daß es zwischen den Armeen der 1. Belorussischen Front und deutschen Panzerverbänden im Raum um Warschau zu erbitterten, langwierigen und verlustreichen Kämpfen kam.

„Im Vorfeld der polnischen Hauptstadt hatte der Gegner eine starke Gruppierung konzentriert, die aus der 5. SS-Panzerdivision ‘Wiking’, der 3. SS-Panzerdivision ‘Totenkopf’, der 19. Panzerdivision und etwa zwei Infanteriedivisionen bestand. Um diese Bedrohung zu beseitigen, entschlossen wir uns nach dem Aufschließen der 70. Armee, die gegnerischen Truppen ostwärts Warschau zu zerschlagen und Praga einzunehmen. Zu dieser Operation wurden die 47. und die 70. Armee, Teilkräfte der 1. Polnischen Armee, die 16. Luftarmee und alle Verstärkungsmittel herangezogen, die wir von anderen Frontabschnitten abziehen konnten.

Am 11. September begannen unsere Truppen den Angriff, und am 14. September war der Gegner zerschlagen, und Praga befand sich in unserer Hand. Unsere Infanteristen, Panzersoldaten, Artilleristen, Pioniere und Flieger hatten sich Schulter an Schulter mit den ruhmreichen Kämpfern der 1. Polnischen Armee tapfer geschlagen. In den Straßenkämpfen leisteten uns die Einwohner von Praga große Hilfe, wobei viele ihr Leben ließen.

Jetzt wäre der Zeitpunkt für einen Aufstand in der polnischen Hauptstadt gekommen gewesen. Wenn unsere Truppen von Osten und die Aufständischen aus Warschau gleichzeitig über die Weichselbrücken gestoßen wären, hätte man mit einer dauerhaften Befreiung Warschaus rechnen können. Mehr wäre von den Truppen der Front selbst unter günstigsten Bedingungen nicht zu verlangen gewesen.“42)

Soldaten, Offiziere und Generale der 1. Belorussischen Front taten unter Einsatz ihres Lebens alles, was sie konnten, um den Aufständischen in Warschau zu helfen.

„Die Tragödie, die sich in Warschau abspielte, ließ uns keine Ruhe. Das Bewußtsein, keine große Operation zur Rettung der Aufständischen unternehmen zu können, war bedrückend.

Stalin sprach mit mir auf der Direktleitung über dieses Problem. Nach meinem Bericht über die Lage an der Front und über alle Fragen, die mit Warschau verknüpft waren, erkundigte sich Stalin, ob die Truppen der Front imstande wären, sofort eine Operation zur Befreiung Warschaus durchzuführen. Als ich verneinte, bat er mich, die Lage der Aufständischen durch jede mögliche Hilfe zu erleichtern. Meinen Vorschlägen, wie dies geschehen könnte, stimmte er zu.“43)

Ab 13. September begannen die Fliegerverbände der 1. Belorussischen Front die Aufständischen aus der Luft mit Waffen, Munition, Verpflegung und Medikamenten zu versorgen. „Unsere Nachtbombenflugzeuge Po 2 warfen ihre Lasten aus geringer Höhe über den von den Aufständischen gekennzeichneten Stellen ab. Vom 13. September bis zum 1. Oktober 1944 flogen die Fliegerkräfte der Front 4821 Einsätze zur Unterstützung der Aufständischen, davon 2535 mit Versorgungsgütern für die aufständischen Truppen. Deren Anforderungen entsprechend, deckten unsere Flieger deren Räume aus der Luft, bombardierten die Truppen des Gegners in der Stadt und griffen diese im Tiefflug an.

Die Flakartillerie der Front begann die Aufständischen gegen Angriffe von Fliegerkräften zu sichern, während unsere Erdartillerie mit ihrem Feuer Artillerie- und Granatwerferbatterien des Gegners niederhielt. Zur Verbindung und zur Feuerkorrektur setzten wir Offiziere mit Fallschirmen ab. Es wurde erreicht, daß sich keine gegnerischen Flugzeuge mehr über den Stellungen der Aufständischen sehen ließen. Die polnischen Genossen, die sich aus Warschau zu uns durchschlagen konnten, waren vom wirksamen Einsatz unserer Flieger und Artilleristen begeistert.“44)

Polnische Patrioten warnten uns „vor den Angehörigen der Armia Krajowa, die nichts mit uns zu tun haben wolle. Ihre Führung benehme sich verdächtig und entfessele eine feindselige Agitation gegen die Sowjetunion, gegen die in Lublin konstituierte polnische Regierung und gegen die 1. Polnische Armee. Wir mußten befremdet feststellen, daß Bor-Komorowski auch keine Anstalten machte, direkte Verbindung zum Stab der Front aufzunehmen, obgleich ihm der Generalstab dazu einen Code übermittelt hatte. Das bewies uns, daß die Politikaster zu allem bereit waren, nur nicht zu einer Zusammenarbeit mit uns. Das sollte sich bald noch eindeutiger erweisen“.45)

Um den Aufständischen noch stärkere Hilfe zukommen zu lassen, faßte Rokossowski den Entschluß, auf der Westseite der Weichsel eine starke Landungstruppe abzusetzen. Der Stab der 1. Polnischen Armee hatte die Organisation übernommen. Diese Aktion war mit der Aufstandsleitung rechtzeitig abgestimmt worden.

„Die Einheiten der 1. Polnischen Armee, die am 16. September die Weichsel überquerten, um - wie es festgelegt war - an dem von den Aufständischen besetzten Uferstreifen zu landen, mußten feststellen, daß dieser in der Hand der faschistischen Truppen war. Da sich die ersten Landungstruppen nur mühsam am Ufer halten konnten, mußten immer neue Kräfte in das Gefecht eingeführt werden. Die Verluste stiegen. Aber die Anführer des Aufstands halfen den Landungstruppen nicht, Verbindung zu ihnen aufzunehmen.

Unter diesen Umständen war es unmöglich, sich am Westufer der Weichsel zu halten. Ich entschloß mich, die Operation abzubrechen. Wir halfen den Landungstruppen, auf unser Ufer zurückzukehren, und bis zum 23. September waren die an diesem Unternehmen beteiligten Einheiten dreier Infanterieregimenter der 1. Polnischen Armee wieder bei ihren Truppenteilen.

Die polnischen Soldaten, die bewußt ihr Leben eingesetzt hatten, um ihre in Not geratenen Landsleute zu retten, wurden von denen verraten, die die Interessen ihrer Machthaber über die der Heimat stellten. Bald darauf erfuhren wir, daß auf Anweisung von Bor-Komorowski und ‘Monter’ die Truppenteile und Einheiten der Armia Krajowa vor Beginn der Landung von den Ufergebieten in das Stadtinnere abgezogen worden waren. Deren Platz nahmen faschistische deutsche Truppen ein. Dabei kamen die an diesen Abschnitten eingesetzten Einheiten der Armia Ludowa zu Schaden, die von der Armia Krajowa nicht über die Räumung des Uferstreifens informiert worden waren.

Wie das reichhaltige Archivmaterial beweist, bereitete die Führung der Armia Krajowa von diesem Zeitpunkt ab die Kapitulation vor. Unser Angebot, allen denen bei der Evakuierung aus Warschau behilflich zu sein, die auf das Ostufer übergesetzt werden wollten, fand kein Gehör. Erst nach der Kapitulation gelang es einigen Dutzend Aufständischen, unsere Uferseite zu erreichen.

So endete die Tragödie des Warschauer Aufstands.“46)

Soweit Marschall Rokossowski.

Als Chef der operativen Verwaltung, dem Kernstück des Generalstabs, hatte Armeegeneral Sergej Matwejewitsch Schtemenko47) nicht nur Einsicht in die Planungen des Generalstabs und des HQ, sondern nahm aktiv an deren Ausarbeitung teil. In dieser Tätigkeit kam er fast täglich mit Stalin zusammen. Im Generalstab und HQ, wo alle Informationen zusammengetragen und analysiert wurden, hatten Schtemenko - und Stalin - umfassendere Kenntnisse über die bestehenden Kräfteverhältnisse an den Fronten, als sie Rokossowski als FOB nur einer, der 1. Belorussischen Front haben konnte.

Die strategischen Vorhaben des deutschen Oberkommandos waren damals dem Generalstab „nicht genau bekannt“,  jedoch verfügte er über „einzelne Informationen.“ So hatte das deutsche Oberkommando einen Teil seiner Truppen, vor allem Panzertruppen, aus Rumänien abgezogen und die Heeresgruppe Mitte - Raum um Warschau - verstärkt.

Die Armeen der 1. Belorussischen Front stießen bei ihrem Vormarsch in Richtung Warschau auf frische Truppenteile. Das Kräfteverhältnis war für die sowjetischen Armeen in diesem Raum äußerst ungünstig. Von deutscher Seite war die Front verstärkt worden durch die 19. Panzerdivision, die SS-Panzerdivisionen „Totenkopf“ und „Wiking“, die Division „Hermann Göring“ und mehrere Infanterieverbände der 2. deutschen Armee.48)

„Mehrere Tage tobten verlustreiche und äußerst erbitterte Kämpfe, in deren Verlauf die gegnerische Verteidigung, die sich auf den befestigten Raum Warschau stützte, für eine gewisse Zeit relativ stabil wurde. Ein Durchbruch nach Praga war in dieser Lage unmöglich....

Die Truppen auf dem rechten Flügel der 1. Belorussischen Front, die infolge der langen, ununterbrochenen Offensive durch ganz Belorußland erschöpft waren, konnten jetzt nicht zügig auf Warschau vorstoßen. Außerdem gefährdete die relative Stabilität der faschistischen Truppen auf der Linie Siedlce - Minsk - Mazowiecki die Lage jener Truppen, die südlich von Warschau bereits die Weichsel erreicht hatten.“49)

Schtemenko berief sich auf Rokossowski, nach dessen Auffassung 20 deutsche Divisionen bereitstanden, die auf dem Ostufer der Weichsel einen Stoß von Norden nach Süden gegen die an die Weichsel vorgedrungenen Truppen der 1. Belorussischen Front führen konnten. Den Armeen Rokossowskis drohte ein gefährlicher Flankenangriff.

Marschall Shukow, Rokossowski und der Generalstab hatten Anfang August „energische Versuche“ unternommen, „die Gruppierung des Gegners bei Warschau zu vernichten. Davon zeugen die mehrmaligen Beratungen im Hauptquartier über die weiteren Handlungen der 1. Belorussischen Front sowie die andauernden energischen Kämpfe zur Abwehr der Gegenmaßnahmen des Gegners. Eine Veränderung der Lage vor Warschau zu unseren Gunsten konnte jedoch nicht erreicht werden.“50)

Es folgen Ausführungen über die bereits w.o. dargestellte Politik der polnischen Exilregierung in London und ihrer Delegatur in Polen. Schtemenko nennt noch zwei weitere interessante Daten. Danach hatten die Exilregierung und das Oberkommando der AK bereits am 24. Juli 1944 beschlossen, den Aufstand auszulösen. Am 25. Juli habe General Bor-Komorowski nach London gemeldet: „Sind jeden Augenblick bereit zur Schlacht um Warschau.“51)

Am 27. Juli war Mikolajczyk nach Moskau abgereist! Angeblich habe er von dem Aufstand nichts gewußt! Das mutet wirklich schon an den Song vom Macky-Messer aus der Dreigroschenoper an, der auch von allem „nichts gewußt!“ hat. Schtemenko unterzog auch das militärische Vorgehen der Aufstandsleitung einer vernichtenden Kritik. Der Zeitpunkt des Beginns des Aufstandes war von Bor-Komorowski auf den 2. August oder später vorgesehen, dann plötzlich auf den l. August, 17 Uhr, vorverlegt worden. Für die Sammlung und Bewaffnung der Aufständischen sowie die Organisation der Aktion bestanden keine realen Voraussetzungen. Ursprünglich waren zwölf Stunden für die Vorbereitung des Aufstandes vorgesehen, aber für einige Abteilungen und an einigen Abschnitten standen nur fünf Stunden zur Verfügung. Schon im ersten Stadium des Aufstandes war er bereits desorganisiert und alles zunichte gemacht, was „in vielen Jahren“ (!) vorbereitet war. Die festgelegten Aufgaben, Termine und Objekte des Angriffs erwiesen sich als illusorisch. Zwischen den Aufständischen bestand zu Beginn der Gefechtshandlungen nicht einmal die einfachste Verbindung.

Unter unterschiedlichen Bedingungen und zu verschiedenen Zeiten begann der Aufstand. „Viele Kämpfer suchten ihre Kommandeure, andere wußten nicht genau, wo sich die Waffen- und Ausrüstungslager tatsächlich befanden.“ Das Überraschungsmoment war verschenkt. „Die Gesamtstärke der AK in Warschau belief sich auf 16.000 Mann, von denen nur 3.500 mit Handfeuerwaffen - über andere Waffen verfügte die AK fast gar nicht - ausgerüstet waren.“

Das einzige, was blieb, war die hohe Kampfmoral der Aufständischen, deren Haß auf die faschistischen Okkupanten. Sie vollbrachten wahre Wunder an Heldenmut. Dieser hohen Kampfmoral war es zu danken, daß der Aufstand gewisse Anfangserfolge erzielen konnte. Siegen konnte er nicht.52)

Schtemenko bestätigte noch einmal aus seiner Kenntnis die verbrecherische Haltung von Bor-Komorowski und der Politiker der polnischen Exilregierung in London: „Warschau blutete. Aber weder das Oberkommando der AK noch die polnische Exilregierung wandten sich auch nur einmal an die Sowjetregierung mit der Bitte, den Aufständischen zu helfen. Sie hielten es nicht einmal für nötig, über den Aufstand zu informieren. Erst später wurde deutlich, daß weder eine Information noch ein Hilfegesuch in das politische Konzept der Gruppe um Mikolajczyk und des Oberkommandos der AK gepaßt hätten, weshalb sie sich auch nicht einmal dann zu einem solchen Schritt entschlossen, als die faschistischen Truppen anfingen, den Aufstand in Blut zu ertränken.“53)

Es gab von sowjetischer Seite mehrfach Versuche, nach Warschau durchzubrechen. Auf Befehl Stalins sollten Shukow, Rokossowski und der Generalstab mögliche Maßnahmen zur Befreiung Warschaus vorlegen. Eine letzte Möglichkeit sahen die Genannten im Einsatz der 70. Armee nach einer Vorbereitungszeit von drei Tagen.

Vor dem 10. August war kein Angriff möglich, da vorher nicht die notwendige Menge an Munition herangeschafft werden konnte. Stalin war einverstanden.

Aber auch der Versuch der 70. Armee, den Durchbruch nach Warschau aus der Bewegung heraus zu erzwingen, gelang den erschöpften Truppen nicht. Obwohl das HQ über keine nennenswerten Reserven verfügte, ließ Stalin von Shukow und Rokossowski einen Operationsplan zur Befreiung Warschaus ausarbeiten.  Dieser Operationsplan ist wenigen bekannt. Er widerlegt eindeutig die Standardlüge westlicher Publikationen, daß Stalin nichts unternommen habe, um den Aufständischen in Warschau zu helfen. Darum wird er hier dokumentiert:

„1. Die Front kann die Warschauer Operation beginnen, sobald die Armeen des rechten Flügels zum Narew vorgestoßen sind und auf seinem Westufer im Abschnitt Pultusk-Serock einen Brückenkopf gebildet haben. Die Gefechtsordnungen dieser Armeen sind 120 Kilometer vom Narew entfernt. Zur Überwindung dieser Strecke werden 10 Tage gebraucht.

Die Angriffsoperation der Armeen des rechten Flügels mit ihrem Vorstoß zum Narew ist deshalb unbedingt in der Zeit vom 10. bis zum 20. August durchzuführen.

2. Während dieser Zeit ist am linken Flügel der Front mit den Kräften der 69. Armee, der 8. Gardearmee, des 7. Gardekavalleriekorps und des 11. Panzerkorps unbedingt eine Teiloperation durchzuführen, um den Brückenkopf am Westufer der Weichsel zu erweitern und mit diesen Armeen bis zur Warka-Stromiec-Radom-Wierzbica vorzustoßen.

Für diese Operation hat die 1. Ukrainische Front unbedingt die 1. Panzerarmee Katukows an die 1. Belorussische Front abzugeben. Die 1. Panzerarmee soll aus dem Raum Opatow über Ostrowiec und Sienno angreifen und in nördlicher Richtung bis zur Linie Zwolen-Radom vorstoßen, um so die 69. Armee, die 8. Gardearmee, das 7. Kavalleriekorps und das 11. Panzerkorps bei der Vernichtung des ihnen gegenüberstehenden Gegners zu unterstützen.

Außerdem ist es notwendig, die Trennungslinie zwischen der 1. Belorussischen Front und der 1. Ukrainischen Front nach Norden auf die Linie Krasnystaw-Fluß-Ilzanka-Opoczno-Piotrkow Trybunalski zu verlegen. Das verdichtet die Gefechtsordnung der Armeen auf dem linken Flügel der 1. Belorussischen Front und erhöht die Stoßkraft in Richtung Radom.

3. Nach dieser Operation und mit dem Vorstoß der Armeen des rechten Flügels der Front bis zur Narew-Linie sowie der Armeen des linken Flügels bis zur Linie Warka-Radom-Wierzbica benötigen die Truppen mindestens 5 Tage zur Verlegung der Fliegerkräfte, zum Nachziehen der Artillerie und der Rückwärtigen Dienste sowie zum Munitions-, Treib- und Schmierstoffnachschub.

4. Unter Berücksichtigung der notwendigen Vorbereitungszeit können wir die Warschauer Operation am 25. August 1944 mit allen Kräften der Front mit dem Ziel beginnen, bis zur Linie Ciechanow-Plonsk-Wyszogrod-Sochaczew-Skierniewice-Tomaszow vorzustoßen und Warschau zu nehmen.

Bei dieser Operation sind für den Angriff nördlich der Weichsel drei Armeen, das 1. Panzerkorps und das 1. Kavalleriekorps einzusetzen; den Angriff südlich der Weichsel haben die 69. Armee, die 8. Gardearmee, die 1. und 2. Panzerarmee, zwei Kavalleriekorps, ein Panzerkorps und eine Armee vom rechten Flügel der Front zu führen.

Die 1. Polnische Armee wird bei dieser Operation auf dem Westufer der Weichsel angreifen. Sie hat die Aufgabe, im Zusammenwirken mit dem rechten Flügel und dem Zentrum der Front Warschau zu nehmen.“54)

Schtemenko berichtet darüber, daß die Lage im Raum Warschau im HQ mehrmals besprochen wurde. Er konnte sich zwar nicht mehr an jedes Wort, das Stalin dazu geäußert habe, erinnern, aber er versichert, daß er sich „für den Inhalt der geäußerten Überlegungen verbürgen“ kann.55)

„Stalin stellte abermals fest, daß die polnische Exilregierung in London die Verantwortung für das Warschauer Abenteuer trage, das ohne Wissen der sowjetischen militärischen Führung und im Widerspruch zu deren Plänen unternommen worden war. Er hielt es für wünschenswert, daß eine unvoreingenommene, eigens dazu gebildete Kommission kläre, auf wessen Befehl eigentlich der Aufstand in Warschau begonnen worden sei und wer die Schuld dafür trage, daß das sowjetische Oberkommando nicht vorher davon unterrichtet wurde. Kein einziges Oberkommando, weder das britische noch das amerikanische, würde sich damit abfinden, wenn vor seiner Front ohne sein Wissen und entgegen seinen operativen Plänen jemand einen Aufstand in einer Großstadt organisierte. Es sei begreiflich, daß auch das sowjetische Oberkommando in dieser Hinsicht keine Ausnahme bilde. Wäre es vorher über die Zweckmäßigkeit eines Aufstandes in Warschau Anfang August befragt worden, dann hätte es sich gegen dieses Vorhaben ausgesprochen. Die sowjetischen Truppen wären zu diesem Zeitpunkt nicht so weit gewesen, Warschau aus der Bewegung heraus zu nehmen, zumal der Gegner bereits Panzerreserven in diesen Raum geworfen hatte.

Mit einem forschenden Blick auf alle Anwesenden fuhr Stalin in seinen Überlegungen fort und sagte, niemand werde der Sowjetregierung vorwerfen können, sie leiste dem polnischen Volk und damit auch Warschau zuwenig Hilfe. Die wirksamste Hilfe seien die aktiven Kampfhandlungen gegen die faschistischen Okkupanten in Polen, in deren Ergebnis schon über ein Viertel Polens befreit worden sei. All das sei das Werk der sowjetischen Truppen, einzig und allein der sowjetischen Truppen, deren Blut für die Befreiung Polens floß.

Für die Warschauer gäbe es zur Zeit nur die wenig wirksame Hilfe durch den Abwurf von Waffen, Medikamenten und Verpflegung aus Flugzeugen. Solche Abwürfe seien mehrfach erfolgt, doch sei alles dem Gegner in die Hände gefallen. Da Churchill und Roosevelt sich in ihren Schreiben an Stalin nun gerade für eine Versorgung der Warschauer Aufständischen auf dem Luftweg ausgesprochen hatten, sagte Stalin, die Sowjetregierung könne einer solchen Hilfe zustimmen, wenn der Premierminister und der Präsident so sehr an deren Wirkung glaubten und darauf bestünden. Notwendig sei jedoch, daß diese Hilfe nach einem vorher abgestimmten Plan erfolge.

Zu den Versuchen, die Sowjetregierung für das Schicksal des Aufstandes und für die Opfer der Zivilbevölkerung verantwortlich zu machen, meinte Stalin, man wolle damit offensichtlich die Verantwortung von einem kranken Kopf auf einen gesunden abwälzen. Dasselbe müsse man auch zu der Behauptung sagen, die sowjetische Hilfe für Warschau widerspreche dem Geist der Zusammenarbeit der Verbündeten. Das Geschehen in Warschau hätte zweifellos einen ganz anderen Verlauf genommen, wenn die britische Regierung das sowjetische Oberkommando rechtzeitig auf den vorgesehenen Aufstand in Warschau aufmerksam gemacht haue.

In diesem Sinne äußerte Stalin auch, daß die wahrheitsgetreue Darstellung der Warschauer Ereignisse der Weltöffentlichkeit helfen werde, die verantwortungslosen Urheber dieses Aufstands vorbehaltlos zu verurteilen und die Haltung der Sowjetregierung zu verstehen. Man brauche nur dafür zu sorgen, daß die Öffentlichkeit die volle Wahrheit über die Ereignisse in Warschau erfahre.“56)

Nach erbitterten Kämpfen konnten Verbände der 47. Armee und der 1. Polnischen Armee, letztere geführt von General Zygmunt Berling, am 13. September Praga einnehmen. Praga liegt auf dem Ostufer der Weichsel. Das wäre der richtige Zeitpunkt für die AK gewesen, von Warschau aus nach Osten an die Weichsel vorzustoßen, um die Brücken zu besetzen und vor der Zerstörung zu bewahren. Damit hätte ein Zugang für die Truppen der 1. Belorussischen Front, einschließlich der 1. Polnischen Armee, in das Stadtzentrum geöffnet, Warschau von den Faschisten befreit werden können. Gerade das wollte die Führung der AK nicht. Sie ließ den Faschisten noch Zeit, die Brücken über die Weichsel zu sprengen.

„Wir hatten geglaubt“, schrieb Schtemenko, „nun trenne die aufständischen Warschauer nur noch der Fluß von den sowjetischen und polnischen Truppen. Tatsächlich entwickelte sich alles jedoch bedeutend komplizierter, und schuld daran waren die volksfeindlichen politischen Spekulationen der polnischen Gutsbesitzer und Bourgeois, die glaubten, ihre frühere Macht wiedererlangen zu können.“57)

Nach Meldung von Rokossowski, daß seine Truppen zur Zeit nicht in der Lage seien, Warschau zu befreien, befahl Stalin, die Versorgung der Aufständischen aus der Luft mit Munition und andren Mitteln zu verbessern, „alles Mögliche für sie zu tun.“58)

Noch in der Nacht vom 13. zum 14. September unternommene Versuche, Waffen und Munition über Warschau abzuwerfen, waren erfolgreich, „vom folgenden Tage an wurden die Aufständischen regelmäßig versorgt.“59)

Marschall Shukow, der gerade von der 1. Ukrainischen Front gekommen war, begab sich, auf Befehl Stalins, sofort zur 1. Belorussischen Front. Stalin hatte offensichtlich die Befreiung Warschaus noch nicht aufgegeben. An Shukow gewandt sagte er: „Sie sind dort so gut wie zu Hause. Verschaffen Sie sich an Ort und Stelle Klarheit über Warschau, und ergreifen Sie die Maßnahmen, die erforderlich sind. Vielleicht könnte man dort eine gesonderte Operation zur Forcierung der Weichsel vornehmlich mit Berlings Truppen durchführen... Das wäre sehr wichtig... Stellen Sie  persönlich gemeinsam mit Rokossowski den Polen die Aufgabe und helfen Sie ihnen, die Operation zu organisieren; sie sind noch unerfahren.“60)

Shukow, Rokossowski und Berling arbeiteten gemeinsam einen Operationsplan aus. Danach sollte die Weichsel forciert und der südliche Teil Warschaus eingenommen werden. Von dort aus sollte Kontakt zu den Aufständischen im Nordteil der Stadt aufgenommen und in nördlicher Richtung vorgestoßen werden. Shukow meinte, „daß es für uns sehr gut sein würde, nicht nur Warschau zu nehmen, sondern auch einen Warschauer Brückenkopf zu bilden.“61)

Am 16. September abends um 21.00 Uhr begann das Übersetzen von Truppen der 1. Polnischen Armee. Es gelang, einen Brückenkopf auf dem Westufer der Weichsel zu bilden.

Am 15. September hatte sich das Oberkommando der AK endlich doch entschlossen, Kontakte zur 1. Belorussischen Front aufzunehmen.62)

Um den Brückenkopf auf dem Westufer der Weichsel entbrannten erbitterte und verlustreiche Kämpfe. Shukow, Rokossowski, Antonow (stellv. Chef des Generalstabs) und Stalin standen in ständiger Verbindung miteinander. Noch am 20. September vertraten Shukow und Rokossowski die Meinung, die Kämpfe um die Vernichtung des Gegners in und um Warschau fortzusetzen, als Stalin, der Generalstab und die Politische Hauptverwaltung unglaubliche Nachrichten aus dem auf dem Westufer der Weichsel befindlichen Brückenkopf erhielten: „Das Oberkommando der AK zersetzte skrupellos die Kräfte der Aufständischen von innen her. Am 20. September trafen sieben Offiziere aus dem Stab von General Monter  (A. Chrusciel), der den Warschauer Bezirk der AK befehligte, in Praga ein. Sie hatten Befehl, sich als Verbindungsoffiziere zum Oberkommando der Roten Armee und der Polnischen Armee zu begeben. Einer dieser sieben Offiziere erklärte, Bor-Komorowski habe die geheime Weisung erteilt, alle bewaffneten Abteilungen, die sich auf die Lubliner Regierung orientierten, mit Gewalt zur Unterordnung unter seine Befehlsgewalt zu zwingen und mit jenen, die sich dagegen sträubten, kurzen Prozeß zu machen.“63)

Am 21. September wurde die Lage im Warschauer Brückenkopf kritisch. Die deutschen Truppen führten in diesem Abschnitt mit starker Artillerieunterstützung und Panzertruppen Angriffe gegen die im Brückenkopf kämpfenden Verbände der 1. Polnischen Armee, die von den anderen Stadtteilen Warschaus getrennt waren. Die Lage der polnischen Verbände wurde äußerst bedrohlich. Sie kämpften auf einen sehr schmalen Uferstreifen und waren auch von den Hauptkräften der 1. Polnischen Armee isoliert. Wie schon w.o. erwähnt, gab Rokossowski unter diesen Bedingungen den Befehl zum Abbruch der Kampfhandlungen. Das Scheitern dieser Operation haben Bor-Komorowski und die Exilregierung in London zu verantworten. Bis zum 23. September waren die beteiligten Einheiten der 1. Polnischen Armee auf das Ostufer der Weichsel zurückgenommen worden.

Am 28. September begannen die deutschen Truppen ihren Generalangriff auf Warschau. Bleibt zu bemerken, daß die letzten Verbindungsoffiziere der 1. Polnischen Armee die Stäbe der Aufständischen verlassen mußten, nachdem bekannt wurde, „daß Agenten diese Patrioten ermorden sollten.“64)

Am 2. Oktober kapitulierte die Führung der AK. Seltsam, daß Bor-Komorowski von den deutschen Faschisten am Leben gelassen wurde!? Nur wenigen Aufständischen und Kämpfern der AL gelang das Übersetzen über die Weichsel zur 1. Polnischen Armee bzw. zu Einheiten der 1. Belorussischen Front. Der Aufstand kostete über 200.000 Einwohnern Warschaus das Leben. Über die Anzahl der Verwundeten habe ich keine Zahlen. Hunderttausende Warschauer wurden in Konzentrationslager eingeliefert oder vertrieben. Die Stadt wurde fast vollständig zerstört.

Die Warschauer Tragödie war das Ergebnis der haßerfüllten antisowjetischen Politik der polnischen Exilregierung in London und der Führung der AK, namentlich Bor-Komorowskis. Wenn die britische Regierung auch ihre Hände in Unschuld wusch, sie hat keine ernstlichen Schritte unternommen, um das Verbrechen der polnischen Exilregierung zu verhindern. Im Gegenteil, betrachtete sie diese noch immer als die „legitime“ Regierung Polens.

Trotz der Niederlage des Aufstandes wurden im HQ und im Generalstab unter maßgeblicher Federführung von Shukow und Rokossowski Pläne zur Vernichtung der Warschauer Gruppierung des Gegners ausgearbeitet. Am 5. Oktober sollte die Operation beginnen. Starke Angriffe des Gegners am 4. Oktober konnten zwar zum Stehen gebracht werden, aber es gelang nicht, ihm eine entscheidende Niederlage zuzufügen.

Ende Oktober gab Stalin die Hoffnung auf, Warschau in kurzer Zeit befreien zu können.65) Erst im Verlauf der Winteroffensive 1944/45 konnten ganz Polen und damit auch Warschau befreit werden. 600.000 sowjetische Soldaten gaben ihr Leben für die Befreiung Polens.

Es war eine sehr kluge Politik des sowjetischen Oberkommandos, die Ehre, in die polnische Hauptstadt einzurücken, der 1. Polnischen Armee zuteil werden zu lassen. Die Truppen der 1. Belorussischen Front hatten die deutsche Verteidigung durchbrochen und stießen zügig in den Rücken der Warschauer Gruppierung vor. Die deutschen Truppen mußten fluchtartig Warschau verlassen, um nicht eingekesselt zu werden. Am 17. Januar 1945 konnte die 1. Polnische Armee unter Führung von Generalleutnant Stanislaw Poplawski ihre Hauptstadt wieder in Besitz nehmen.66)

 

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Rumänien

Während die sowjetischen Truppen vor Warschau in schweren Kämpfen mit starken deutschen Panzerverbänden standen, eröffneten die 2. und 3. Ukrainische Front am 20. August ihre Offensive bei Iassi - Kischinjow.

Diese Operation war angesichts der „Balkanvariante“ Churchills von großer politischer Bedeutung. Die Zerschlagung der in Rumänien befindlichen deutschen Armeen würde den Weg in Richtung Bulgarien und Jugoslawien, und  nach Westen, Richtung Ungarn, Österreich und in die Tschechoslowakei öffnen. Auch an diesem ausgedehnten Frontabschnitt kam es darauf an, den angloamerikanischen Streitkräften zuvorzukommen. In der strategischen Zielstellung lag zugleich auch die Schwierigkeit. Die Offensive mußte zeitgleich in südlicher und westlicher Richtung geführt werden. Hinzu kam, daß die 2. und 3. Ukrainische Front bezüglich der materiell-technischen Ausrüstung sowie Bereitstellung von Reserven zugunsten der Fronten in Belorußland, bei Lwow und vor Warschau, in der Hauptstoßrichtung Weichsel - Oder - Berlin geschwächt waren. Die Aufgabe der 2. und 3. Ukrainischen Front bestand darin, in einem einzigen mächtigen Stoß die Hauptkräfte der deutschen und rumänischen Armeen zu zerschlagen. Nicht die Einnahme Bukarests stand im Vordergrund, sondern die Einschließung und Vernichtung des Gegners.67)

Die sowjetischen Truppen hatten an diesem Frontabschnitt keine nennenswerte Überlegenheit gegenüber den deutschen und rumänischen Verbänden. Das traf besonders für die 3. Ukrainische Front, FOB General Tolbuchin, zu.

 

 

Kräfteverhältnis am Abschnitt der 3. Ukrainischen Front

 

                                                   Sowjetische      Deutsche und rumänische

                                                    Streitkräfte      Streitkräfte

Personalstärke                                         1,2 :    1

Artillerie                                                  1,3 :    l

Panzer/SFL                                               1,4 :    1

Maschinengewehre                                  1;0 :    l

Granatwerfer                                            1,9 :    1

Kampfflugzeuge                                      3,0 :    1

68)

 

Die geografischen Gegebenheiten waren für die Verteidigung günstig. Das Gelände war durchzogen von Bergen, Flüssen und zahlreichen Ortschaften, die für die Verteidigung ausgebaut werden konnten.

Der politisch-moralische Faktor war dagegen ein Schwachpunkt der deutschen Verteidigung. Die Siege der Sowjetarmeen hatte Ansehen und Autorität der Kommunistischen Partei Rumäniens (KPR) gestärkt. Im April 1944 bildete die KPR mit der rumänischen Sozialdemokratischen Partei die „Arbeitereinheitsfront“. Am 20. Juni 1944 schlossen sich die beiden Arbeiterparteien mit zwei bürgerlichen Parteien zum „Nationaldemokratischen Block“ zusammen. Seinem Charakter nach war dieser Block ein antifaschistisches Bündnis, das gegen die faschistische Diktatur Antonescus gerichtet war. Selbst der Königshof mußte sich angesichts der Siege der Roten Armee dem Nationaldemokratischen Block anschließen.

Diese Veränderungen im politischen Denken und Handeln der rumänischen Gesellschaft hatte Auswirkungen auf die Armeen, deren Soldaten und Offiziere immer weniger Lust zeigten, sich für die deutschen faschistischen Armeen zu opfern. Volk und Armee waren kriegsmüde und enttäuscht und zeigten nach Tippelskirch keine Bereitschaft mehr, „den Kampf gegen den Bolschewismus fortzusetzen.“69) Die Schlußfolgerungen, die von Soldaten, Offizieren und Generalen der rumänischen Armeen aus dem Wissen der sich abzeichenden Niederlage des faschistischen Deutschlands gezogen wurden, waren klassenbedingt unterschiedlich. Es zeigten sich zum einen defaitistische Haltungen, zum anderen Bemühungen bürgerlich und monarchisch eingestellter Generale, einen Separatfrieden mit den Westmächten abzuschließen.

Die von der KPR geführten revolutionären Aktionen richteten sich nicht nur gegen die deutschen Truppen, sondern zugleich auch gegen die Gutsbesitzer und Großkapitalisten, die zwar Antonescu loswerden, jedoch ihre Macht und ihr Eigentum erhalten, also lediglich einen Kulissenwechsel vornehmen wollten.

Die Klassenspaltung der rumänischen Gesellschaft bestimmte auch die Verhaltensweisen der Soldaten und Offiziere der Streitkräfte. Einige Verbände der rumänischen Armee leisteten noch Widerstand gegen die sowjetischen Truppen, in ihrer Mehrheit wichen sie jedoch zurück, kapitulierten, gaben sich gefangen. Ein Teil der Soldaten und Offiziere ging auf die Seite der Roten Armee über und kämpfte gegen die Truppen des bisherigen Koalitionspartners. Die Motive für diesen Frontwechsel mögen im einzelnen sehr unterschiedlich gewesen sein. Ein solcher Frontwechsel vollzog sich nicht problemlos, ohne innere Widersprüche.

Diese Stimmungen und Haltungen in den rumänischen Streitkräften waren der sowjetischen Führung bekannt. Sie führte ihre Angriffsoperationen bevorzugt an solchen Frontabschnitten, an denen rumänische Truppen standen, wo der Einbruch am schnellsten und mit geringsten Verlusten gelang.

Angesichts der politischen und militärischen Bedeutung der Offensive bei Iassi - Kischinjow beschloß das HQ, in der Hauptstoßrichtung die Kräfte auf Kosten anderer, weniger bedeutenden Frontabschnitte zu konzentrieren. Damit erreichte das HQ eine erhebliche Überlegenheit seiner Truppen gegenüber dem Gegner.

 

 

 

Kräfteverhältnis bei Iassi - Kischinjow

 

                                               Sowjetische        Deutsche und

                                               Streitkräfte         rumänische Streitkräfte

Personalstärke                                         6,0 :    l

Artillerie                                                  5,5 :    l

Panzer                                                       5,4 :    l

Maschinengewehre                                  4,3 :    l

Granatwerfer                                            6,7 :    l

Kampfflugzeuge                                      3,0 :    1

70)

 

Stalin ordnete eine hohe Artilleriedichte im Durchbruchsabschnitt an. Der FOB der 2. Ukrainischen Front, General Malinowski, hatte eine Artilleriedichte von 220 Geschützen auf je einen der 22 Frontkilometer vorgesehen. Das genügte Stalin nicht. Auf seinen Befehl wurde der Durchbruchsabschnitt auf 16 Kilometer verringert, womit eine Dichte von etwas mehr als 240 Geschütze je Frontkilometer erreicht wurde. Stalin war der Meinung, daß mächtige Stöße gegen die rumänische Verteidigung Rumänien veranlassen würden, „das Ausscheiden aus dem Krieg zu beschleunigen.“71)

Die Anfangserfolge gaben Stalin recht. Nach Meinung des Generalstabs hätten die Erfolge des ersten Tages (20. August) jedoch größer sein können. Am Kampfabschnitt des 2. Ukrainischen Front war es nicht gelungen, die Verteidigung des Gegners zu durchbrechen. Ein Gegenangriff starker Verbände konnte zwar abgewehrt werden, doch hinderte er den Durchbruch durch die deutsch-rumänische Verteidigung.

Am 21. August nachmittags diktierte Stalin eine Direktive an die 2. und 3. Ukrainische Front. Nach Nennung der Hauptaufgabe beider Fronten, „...schnellstens den Gegner im Raum Husi einzuschließen, diesen Einschließungsring dann enger zu ziehen, um die Kischinjower Gruppierung des Gegners zu vernichten oder gefangenzunehmen...“ betonte er noch einmal die politische Brisanz dieser Operation, daß die „erfolgreiche Lösung dieser Aufgabe ... uns den Weg“ öffnet „zu den ökonomischen und politischen Zentren Rumäniens.“72)

Stalin betonte in der Direktive noch einmal die bedeutende Überlegenheit der beiden Fronten gegenüber den Kräften des Gegners. Der Gegner habe noch „etwa 44 Divisionen ... von denen 6 Divisionen bereits aufgerieben sind. Sie aber verfügen über 87 Divisionen und sind dem Gegner außerdem an Artillerie, Panzern und Fliegerkräften bedeutend überlegen. Somit haben Sie alle Möglichkeiten, die Aufgabe erfolgreich zu lösen und müssen diese Aufgabe lösen.“73)

Am 24. August waren nach erbitterten Kämpfen die Hauptkräfte der deutschen und rumänischen Truppen im Raum ostwärts von Husi eingeschlossen. Auch danach gab es noch harte Kämpfe gegen einige Gruppierungen, die über den Pruth nach Westen durchbrechen und die sowjetischen Verbände im Rücken angreifen konnten. Bis Ende August war die Operation bei Iassi - Kischinjow beendet, 18 der 25 Divisionen der Heeresgruppe Süd waren vernichtet. Tippelskirch resümiert: „Hinter mehreren deutschen Divisionen schloß sich der russische Ring so eng, daß sie mit der Masse kapitulieren mußten.“74)

Über die politische Bedeutung des Sieges bei  Iassi - Kischinjow schrieb Schtemenko:

„Die Bedeutung des sowjetischen Sieges in der Operation von Iasi-Kischinjow ist kaum zu überschätzen. Die Vernichtung der Hauptkräfte der Heeresgruppe Südukraine wirkte sich militärisch und politisch aus. Die sowjetischen Truppen stießen mit diesem Sieg gewissermaßen das Tor zum Inneren Rumäniens und zu den Grenzen Bulgariens und Jugoslawiens auf. Die Operation schuf auch günstige militärische und politische Voraussetzungen für die Beseitigung der Antonescu-Diktatur, weil sie die militärische Stütze dieses Regimes zerschlug. Unter diesen Bedingungen rief die Kommunistische Partei Rumäniens das Volk zum bewaffneten Aufstand auf, der den Weg für die sozialistische Zukunft des Landes bahnte.“75)

Die Kesselschlachten der Roten Armee waren nicht zuletzt auf Stalins Initiativen zurückzuführen. Ohne Stalin in der Art bürgerlicher Personenkulte als „Superstar“ der Feldherrnkunst glorifizieren zu wollen, er hat im Kollektiv der sowjetischen Heerführer eine hervorragende Rolle gespielt, nicht nur in dem Sinne, daß er als Oberbefehlshaber die letzte Entscheidung zu fällen und zu verantworten hatte, sondern auch als Stratege und Taktiker.

Shukow schildert ein Gespräch mit Stalin im Dezember 1943. Es ging um die Frage, ob die sowjetische Führung „Operationen zur Einschließung größerer gegnerischer Verbände vorbereiten“ könnte. Stalin meinte dazu: „Jetzt sind wir stärker und unsere Truppen erfahrener. Jetzt können wir nicht nur, sondern müssen auch Operationen zur Einschließung der deutschen Gruppen führen.“76)

Diese Überlegung war ein Ergebnis der Erfahrungen von Stalingrad und Kursk. Die  Einschließung von gegnerischen Truppenverbänden gehörte seitdem zum militärstrategischen und -theoretischen Denken der sowjetischen Militärs.

Desgleichen gehörte die Forcierung breiter Flüsse zur Kriegskunst der sowjetischen Generale, die Bildung großer Brückenköpfe auf dem vom Feind besetzten Ufer. Solche Brückenköpfe hatten die Truppen der 3. Ukrainischen Front auch auf dem Ostufer des Dnestr bei Tiraspol und Grigoriopol gebildet, von wo aus sie die Offensive am 20. August eröffneten. Tippelskirch kam nicht umhin, sich anerkennend über diese Strategie der sowjetischen Truppenführung zu äußern: „Seitdem die deutschen Offensiven im Herbst 1942 am Don zum Stehen gebracht waren, hatten die Russen es mit einer wahren Meisterschaft verstanden, solche Brückenköpfe als Sprungbretter für künftige Operationen an allen Strombarrieren zu gewinnen und waren nie davor zurückgeschreckt, sie durch rücksichtslosen Einsatz von Kräften gegen jeden deutschen Gegenangriff unter allen Umständen zu halten.“77)

In Rumänien kam es zu politischen Auseinandersetzungen innerhalb der herrschenden Klasse und ihrer Militärs sowie zu  Erhebungen revolutionär-demokratischer Kräfte unter Führung der KPR. Am 23. August wurden Antonescu, der Kriegs- und der Innenminister sowie der Polizeipräfekt, der Generalinspekteur der Gendarmerie verhaftet. Noch am Abend des gleichen Tages, um 20 Uhr, wurde eine neue Regierung unter dem monarchistischen General Sanatescu gebildet. Am Abend des 23. Augusts rief die KPR zum Aufstand auf. In Bukarest verfügten die Aufständischen über 8.000 bewaffnete Kämpfer, darunter 2.000 Kommunisten. Auf Befehl Hitlers wurde Bukarest bombardiert, wodurch der Wille zum revolutionären Umbruch unter den Volksmassen noch gestärkt wurde. Der rumänische Generalstab versuchte, den Aufstand zu unterdrücken und setzte den Widerstand gegen die sowjetischen Truppen fort. Am 24. August rief die KPR zum bewaffneten Kampf gegen die deutschen Truppen auf.

Die sowjetische Führung betrieb in dieser Bürgerkriegssituation in Rumänien eine sehr geschickte Politik. Bei Fortsetzung der Offensive zur Vernichtung der faschistischen deutschen Truppen verhielten sich die sowjetischen Armeen gegenüber den rumänischen Truppen je nach deren Verhalten. Die rumänischen Truppen sollten nicht entwaffnet werden. Sie sollten gemeinsam mit der Roten Armee den Kampf gegen den deutschen Faschismus, für ihre eigene Unabhängigkeit und gegen die ungarischen Satelliten Hitlers um die Befreiung Transsilvaniens kämpfen, das Hitler den Ungarn zugesprochen hatte. Am 25. August wiederholte die Sowjetregierung eine Erklärung Molotows vom 2. April, in der versichert wurde, daß die Sowjetregierung außer der Wiedereingliederung Bessarabiens keine territoriale Forderungen an Rumänien habe und nicht beabsichtige, die Gesellschaftsordnung in Rumänien zu ändern. Die Souveränität Rumäniens werde respektiert.

Dieser Aufruf, nicht zuletzt Transsilvanien wiederzubekommen, hatte eine mobilisierende Wirkung auf die Volksmassen.

Der Regierung Sanatescus blieb nichts anderes übrig, als einen Waffenstillstand mit der Roten Armee abzuschließen. Der ehemalige deutsche Verbündete wurde nunmehr zum Okkupanten, gegen den Sanatescu Krieg führen mußte.

Am 26. August kapitulierten fünf rumänische Divisionen vor der 2. Ukrainischen Front. Am 29. August nahmen Truppen der 2. Ukrainischen Front mit Unterstützung bewaffneter rumänischer Arbeiter und Einheiten der rumänischen Armee das Erdölgebiet um Ploiesti ein.

Die hinterhältige Politik der restaurativen Kräfte um General Sanatescus hatte keinen Erfolg. Sanatescus Ersuchen an die sowjetischen Befehlshaber, die Offensive auf der Linie Ostkarpaten - Donau einzustellen, konnte nur Verwunderung auslösen. Offenbar sollte dadurch den deutschen Truppen der Rückzug in die Berge ermöglicht werden, wo sie eine neue Widerstandslinie errichten konnten, um den Zugang der sowjetischen Truppen in das Innere Rumäniens zu blockieren. Sanatescu wandte sich gleichzeitig an das angloamerikanische Oberkommando, Bukarest durch Luftlandetruppen zu besetzen. Die Westmächte waren auf Grund des Kräfteverhältnisses auf dem Balkan gezwungen, Sanatescu eine abschlägige Antwort zu erteilen.

Der Übergang rumänischer Armee-Einheiten auf die Seite der Roten Armee verlief nicht konfliktlos. Es gab eine Freiwilligendivision „Tudor Vladimirescu“, die bereits am 4. Oktober 1943 aus Soldaten und Offizieren aufgestellt worden war, die in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten waren. Diese Division hatte schon an der Operation bei Iassi - Kischinjow teilgenommen.78)

Andere rumänische Armee-Einheiten standen zum Teil noch unter Führung profaschistischer Generale und Offiziere. Unter den Soldaten gab es Antifaschisten, die an der Seite der Roten Armee kämpften. Es gab aber auch unter den Soldaten Erscheinungen des Defaitismus. Man muß berücksichtigen, daß den Volksmassen in Rumänien einiges zugemutet wurde. Gestern war die Sowjetunion noch die Inkarnation des Bösen, nunmehr war sie der Bündnispartner. Eine historisch bedingte „Königstreue“ spielte im Bewußtsein weiter Teile des Volkes eine Rolle. Diese illusionären monarchistisch geprägten Denkschablonen im Volke konnten von den  restaurativen Kräften ausgenutzt werden. Stalin berücksichtigte diesen Sachverhalt in  seiner Politik. Wie Schtemenko berichtet, mußte das HQ Ende August/Anfang September das Verhalten der sowjetischen militärischen Organe gegenüber dem rumänischen König Michael festlegen. Der stellvertretende Generalstabschef Antonow und er, Schtemenko, wiesen in ihren Berichten mehrmals darauf hin, „daß der Königshof unvermeidlich zum Zentrum der antisowjetischen Elemente in Rumänien werden würde, und schlugen vor, ihm energisch entgegenzutreten. Stalin hörte uns wie gewöhnlich aufmerksam zu ... und äußerte sich etwa folgendermaßen: ‘Ein fremder König geht uns nichts an. Duldsamkeit  ihm gegenüber wird  sich  auch auf unsere Beziehungen zu den Verbündeten vorteilhaft auswirken. Das rumänische Volk, das dem Konigshof vorläufig vertraut, weil es in ihm die Opposition gegen die faschistische Diktatur sieht, wird eines Tages selbst das wahre Wesen der Monarchie erkennen. Sicherlich werden auch die rumänischen Kommunisten nicht untätig abwarten, sondern ihrem Volk helfen, die Lage zu verstehen.’“79)

Der rumänische König verhielt sich friedlich. Da er Sportflieger war, ließ das HQ ihm im Namen Stalins ein Flugzeug vom Typ Po-2 in Sonderausführung überreichen. Die gesellschaftliche Entwicklung machte auch um Rumänien keinen Bogen; Ende 1947 verließ der König das Land.80)

Für die Befreiung Rumäniens fielen 69.000 sowjetische Soldaten und Offiziere. 286.000 Soldaten und Offiziere der Roten Armee wurden verwundet.81)

 

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Bulgarien

Die Kampfbedingungen, Klassenkräfteverhältnisse waren in den einzelnen Ländern Südosteuropas sehr unterschiedlich. Griechenland, Polen und die Tschechoslowakei waren von den Faschisten besetzte Länder, Rumänien und Ungarn waren Satelliten Deutschlands. Bulgarien nahm eine Zwitterstellung ein.

Die monarchofaschistische Regierung hatte auf deutschen Druck am 13. Dezember 1941 den USA und Großbritannien den Krieg erklärt, aber nicht der Sowjetunion. Ihre „Neutralität“ gegenüber der UdSSR war jedoch eine mehr als zweifelhafte. Die Regierung ermöglichte den deutschen Faschisten, Bulgarien als Aufmarschgebiet für deutsche Truppen gegen Griechenland und Jugoslawien, die Häfen an der Schwarzmeerküste als Flottenstützpunkte für Einheiten der deutschen Kriegsmarine zu nutzen. Bulgarische Truppen nahmen an der Seite des faschistischen Deutschlands am Krieg gegen Griechenland und gegen die jugoslawischen Partisanen teil.

Im Innern des Landes gab es eine starke revolutionär-demokratische Bewegung, die von der Bulgarischen Arbeiterpartei (BAP) geführt wurde. Die BAP war eine marxistisch-leninistische Partei. Sie hatte große Kampferfahrungen. Die bulgarischen Kommunisten waren die dominierende Kraft in der Organisation und Durchführung des antifaschistischen Septemberaufstands von 1923 unter der Führung bewährter und bekannter Kommunisten wie Georgi Dimitroff und Wassil Kolarow. Dimitroff war Generalsekretär der III. Internationale vom August 1935 bis zu ihrer Auflösung am 10. Juni 1943, vom 22. November 1946 bis zu seinem Tode am 2. Juli 1949 Ministerpräsident der Volksrepublik Bulgarien.

In Bulgarien hatte sich seit Februar 1943 unter dem Einfluß der BAP eine antifaschistische Widerstandsbewegung entwickelt. Eine starke, straff organisierte Partisanenbewegung hatte den Kampf gegen das monarcho-faschistische Regime aufgenommen. Im Sommer 1944 hatte die aus Partisanenabteilungen hervorgegangene Volksbefreiungsarmee bereits ein Stärke von mehr als 18.000 Mann erreicht. Im August 1944 zählte sie bereits 28.000 Kämpfer.82)

Im bulgarischen Volk war das monarchofaschistische Regime verhaßt. Mitte 1942 hatte Dimitroff die Initiative ergriffen, eine breite antifaschistische Front, die „Vaterländische Front“ zur nationalen und sozialen Befreiung Bulgariens zu bilden. Der Vaterländischen Front gehörten Patrioten aus allen Schichten der bulgarischen Gesellschaft an. Ihr Programm war vom Auslandsbüro des Zentralkomitees der BAP ausgearbeitet worden. Die Programmpunkte unterschieden sich in nationale und innenpolitische. Zu den nationalen Zielen gehörten der Austritt Bulgariens aus der faschistischen Koalition, die Befreiung von den deutschen Faschisten, der Abzug bulgarischer Besatzungstruppen aus Jugoslawien und Griechenland.

Innenpolitisch forderte das Programm die Freilassung der wegen ihres antifaschistischen Kampfes verhafteten Personen, Wiederherstellung der politischen Freiheiten, Auflösung der faschistischen Organisationen, Sturz der profaschistischen Machthaber sowie Bildung einer Regierung, die sich auf das Vertrauen des Volkes stützte, Freundschaft zur und Zusammenarbeit mit der Sowjetunion durchführte.

Das waren keine sozialistischen Forderungen. Sie gingen nicht über eine bürgerlich-demokratische politische Organisation des Volkes hinaus, waren daher für die Masse des Volkes annehmbar. Schtemenko schrieb: „Die breiten Massen unterstützten die Vaterländische Front und ihr Programm mit großem Elan. Unter der Führung der BAP schlossen sich Mitglieder des Bauernbundes, Sozialdemokraten, patriotisch eingestellte Militärs, Arbeiter, Bauern, Handwerker, kleine Beamte, fortschrittliche Intellektuelle sowie die revolutionäre Jugend zum Kampf gegen den Faschismus zusammen.“83)

Sehr günstig  für die Rote Armee war die traditionelle Freundschaft des bulgarischen Volkes mit dem russischen Volk seit den Befreiungskriegen der Bulgaren gegen die türkische Fremdherrschaft. Die nationalen Erhebungen des bulgarischen Volkes vom September 1875 und April 1876 konnten die türkischen Paschas noch niederschlagen. Im Russisch-Türkischen Krieg 1877/78 brachten russische Truppen dem bulgarischen Volk die Befreiung von der 500jährigen türkischen Fremdherrschaft. Die Schlachten um Pleven und am Schipkapaß, in denen die Russen unter hohen Verlusten die türkische Armee entscheidend schlugen, sind im Gedächtnis des bulgarischen Volkes tief verankert. Die sowjetischen Truppen konnten darauf rechnen, daß sie in Bulgarien als Freunde und Verbündtete vom Volk begrüßt werden würden.

Die Siege der Roten Armee bei Iassi - Kischinjow, die Befreiung Rumäniens bewirkten einen starken Aufschwung der volksrevolutionären Bewegung in Bulgarien. Am 26. August 1944 traf die BAP die letzten Vorbereitungen zum bewaffneten Aufstand. Das Zentralkomitee der BAP gab ein Rundschreiben heraus, das die Kommunisten zum Kampf zur Vertreibung der faschistischen deutschen Truppen, zum Sturz der faschistischen Minister, zur Bildung einer Regierung der Vaterländischen Front und zur Errichtung der volksdemokratischen Macht mobilisierte.

Zwischen Stalin und Dimitroff fanden in diesen Tagen mehrmals Beratungen statt. In bulgarischen Angelegenheiten war Dimitroff ein sachkundiger Ratgeber, der die Verhältnisse in seiner Heimat am besten kannte.

Nach einer Besprechung mit Stalin gab er am 27. August eine Direktive an den zentralen Stab der Volksbefreiungsarmee heraus, die für das Zentralkomitee der BAP bestimmt war. Danach waren alle Kräfte des Volkes um das Nationalkomitee der Vaterländischen Front zusammenzuschließen, die faschistischen deutschen Gruppen sowie die Gestapo zu entwaffnen, jeder Widerstand gegen die Vaterländische Front und die Rote Armee zu brechen und eine Regierung der Vaterländischen Front zu schaffen. In der Direktive hieß es: „Das bulgarische Volk und seine bewaffneten Kräfte müssen entschlossen auf die Seite der Roten Armee, der Befreierin Bulgariens vom deutsch-faschistischen Joch, übergehen und zusammen mit ihr die bulgarische Erde von den deutsch-faschistischen Räubern und ihren niederträchtigen Helfershelfern säubern.“84)

Wie auch in den anderen Ländern Südosteuropas dachten die restaurativen Kräfte nicht daran, auf ihre Macht zu verzichten. Auch in Bulgarien versuchten sie, durch geheime Beziehungen zu den Angloamerikanern einer Volksrevolution und einem Einmarsch sowjetischer Truppen zuvorzukommen. So unterhielt auch die Regierung Bagrjanows solche Beziehungen zu den westlichen Alliierten. Da Bulgarien sich offiziell nicht im Kriegszustand mit der UdSSR befand, hoffte Bagrjanow, einem Einmarsch der Roten Armee zuvorzukommen.

Auf die Forderung der Sowjetregierung vom 30. August an die bulgarische Regierung, den Durchmarsch deutscher Truppen nach Rumänien sofort einstellen zu lassen, trat Bagrjanow zurück. Erst am 2. September bildete K. Murawijew eine neue Regierung, die  sich gegenüber der Sowjetregierung verpflichtete, die Neutralität in allen Punkten zu wahren, in Wirklichkeit das Gegenteil davon tat. Sie ließ die in Rumänien geschlagene Heeresgruppe Südukraine sich auf bulgarisches Territorium zurückziehen. In den bulgarischen Häfen Varna und Burgas hatten Dutzende Einheiten der deutschen Kriegsmarine Zuflucht gefunden. Im Raum Sofia wurden deutsche Truppen konzentriert.

Am 5. September überreichte die Sowjetregierung dem bulgarischen Botschafter in Moskau eine Note, in der es hieß, daß die Sowjetregierung „diese Politik Bulgariens nur als faktische Kriegführung im Lager Deutschlands gegen die Sowjetunion“ bewerten kann. Bulgarien habe auf Grund der militärischen Lage Deutschlands die „uneingeschränkte Möglichkeit“ besessen, „ohne Furcht vor Vergeltung mit Deutschland zu brechen und das Land dadurch vor dem Untergang zu bewahren.“85)

Das Zentralkomitee der BAK hatte gemeinsam mit dem Stab der Volksbefreiungsarmee beschlossen, den Aufstand in der Nacht zum 9. September in Sofia zu beginnen. Der Aufstand sollte durch Streiks und Demonstrationen der Werktätigen vorbereitet werden. Am 6. September begannen die Streiks.

Die Regierung Murawijew ließ über den sowjetischen Geschäftsträger in Sofia in der Nacht zum 6. September die Sowjetregierung in Kenntnis setzen, „daß Bulgarien seine Beziehungen zu Deutschland abgebrochen habe und um einen Waffenstillstand bitte.“86)

Nach Beratung mit Dimitroff gab Stalin an Shukow den Befehl, bis zur Klärung des Sachverhalts die 3. Ukrainische Front nur bis zur Linie Giurgiu - Rasgrad - Schumen (Kolarowgrad) - Dalgopol - Nordufer des Flusses Kamtschi ja vorgehen zu lassen.87) Die Ausführung des Befehls wurde dem FOB der 3. Ukrainischen Front, General Tolbuchin, übergeben.

Am 8. September um 11.00 Uhr begann die 3. Ukrainische Front die bulgarische Grenze zu überschreiten.

Von keiner Seite fiel ein Schuß. Bulgarische Soldaten bekundeten häufig den sowjetischen Truppen ihre Sympathie, die Zivilbevölkerung empfing sie freundlich. Das bulgarische Oberkommando hatte befohlen, nicht gegen die Rote Armee zu kämpfen.88)

Die Besonderheit in Bulgarien bestand im Unterschied zu Polen darin, daß die bulgarische Volksbefreiungsarmee von Anfang an mit den sowjetischen Truppen zusammengearbeitet hat. Sowjetregierung und HQ waren über alle revolutionären Aktionen der BAP und der Vaterländischen Front informiert. So konnten sich die sowjetischen Armeekommandeure mit den bulgarischen Revolutionären verständigen, gemeinsam gegen die innere Reaktion kämpfen. So wurde ein Blutbad unter der bulgarischen Bevölkerung von Seiten der bulgarischen Reaktion und deutscher Truppen unmöglich gemacht. „Die Verbindung des Volksaufstandes vom 9. September mit dem siegreichen Vormarsch der Sowjetarmee auf dem Balkan sicherte nicht nur den Sieg des Aufstandes, sondern verlieh ihm große Kraft und Schwung.“89)

Die bulgarische Gesellschaft war ein Klassengesellschaft. Die restaurativen Kräfte teilten ganz und gar nicht die Sympathien der Volksmassen für die Sowjetarmee. Diese Differenzierung zeigte sich auch in der bulgarischen Armee. Die Soldaten und Unteroffiziere waren in ihrer Mehrheit sowjetfreundlich. Unter den Offizieren und Generalen gab es jedoch nicht wenige profaschistische Kräfte, die einen Übergang der regulären Armee auf die Seite der Roten Armee mit allen Mitteln wenn schon nicht zu verhindern, so wenigstens zu behindern versuchten. Desgleichen war der Staatsapparat noch mit profaschistischen Kräften durchsetzt.

Der sowjetische Generalstab gab Weisung, nach dem deutschen Botschafterpersonal in Sofia zu suchen, das auf geheimnisvollem Wege verschwunden war. Von der deutschen Botschaft, die über ein ausgedehntes Agentennetz verfügte, gingen Weisungen und Informationen an die restaurativen Kräfte in Bulgarien aus.

Erst nach langen Nachforschungen stellte sich heraus, daß die faschistischen Diplomaten und die Militärmission mit Wissen und direkter Mithilfe einiger Regierungsbeamten sich in einem Sonderzug nach Süden an die türkische Grenze abgesetzt hatten. Die Türkei hatte zu dieser Zeit die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland bereits abgebrochen und zeigte keine Eile, dem deutschen Botschafterpersonal das Visa zur Einreise zu erteilen. Die deutschen Diplomaten versuchten nun ihr Glück an der griechischen Grenze. Dort gelang es sowjetischen Einheiten, das gesamte Botschaftspersonal, 32 Personen, noch rechtzeitig abzufangen.90)

Es gab in Bulgarien auch Anschläge von sowjetfeindlichen Elementen auf Soldaten der Roten Armee und der bulgarischen Volksbefreiungsarmee.

Das sowjetische Oberkommando ließ die Feinde des bulgarischen Volkes und der Roten Armee festsetzen, respektierte aber die Unantastbarkeit der diplomatischen Vertretungen und die Gesetzlichkeit gegenüber allen Bürgern, einschließlich den Ausländern. Offenbar kam es jedoch zu Übergriffen von sowjetischen Armeestellen. Die Situation war auch nicht gerade einfach. Am 26. September sandte das HQ an den Stab der 3. Ukrainischen Front einen Funkspruch: „Das Hauptquartier des Oberkommandos untersagt, in Bulgarien und in Rumänien Verhaftungen vorzunehmen. Ab sofort ist ohne Genehmigung des Hauptquartiers niemand zu verhaften. Im Auftrag des Hauptquartiers des Oberkommandos - Antonow, Schtemenko.“91)

Bei einer nach Millionen zählenden Armee, deren Angehörige Zeugen und Betroffene der faschistischen Barbarei waren, konnten Übergriffe kaum vermieden werden. Daher dieser von Stalin veranlaßte strenge Befehl des HQ, um übereifrige Offiziere von ungerechtfertigten Handlungen abzuhalten, die nur geeignet waren, freundschaftliche Beziehungen zwischen dem Volk und der Roten Armee zu stören. Solche Vorkommnisse werden bis heute noch von Antikommunisten und sowjetfeindlichen Publizisten aufgebauscht, verallgemeinert und Stalin als dem „bösartigen Diktator“ unterstellt. Es wird dabei verschwiegen, daß sich gerade Stalin mehrfach gegen subjetiv bedingte Verletzungen der Gesetzlichkeit durch subalterne Offiziere oder Funktionäre gewandt hat, Verstöße gegen diesbezügliche Weisungen und Befehle streng bestraft wurden.

Von seiten der angloamerikanischen Verbündeten fehlte es nicht an Versuchen, die „Balkanvariante“ Churchills in Bulgarien vielleicht doch noch zu realisieren. Zumindest haben sie es versucht, mit Unterstützung reaktionärer Kreise im bulgarischen Staatsapparat und in der regulären Armee.

Beim Oberbefehlshaber der bulgarischen Armee, Generalmajor I. Marinow, erschienen am 17. September ohne vorherige Anmeldung eine Gruppe britischer und amerikanischer Offiziere, die die Verfügungsgewalt über einen Flugplatz sowie die Übergabe der Karten über die Lage der Minenfelder eines Hafens im Süden Bulgariens verlangten, weil demnächst in einem dortigen Hafen britische Schiffe zu erwarten seien. Die Briten hatten bereits einen Offizier und einen Ingenieur in diesen Hafen entsandt, um die Ankunft der Schiffe vorzubereiten. Weder das bulgarische noch das sowjetische Oberkommando hatten einem solchen Schritt zugestimmt. Außerdem boten die Offiziere „militärische Hilfe“ auf dem Balkan an, um die sie nicht gebeten wurden.

Es war klar, daß dies keine eigenmächtige Initiative einiger Offiziere war, sondern daß andere Kräfte dahinter standen. General Marinow setzte sich sofort mit dem Vertreter des sowjetischen Oberkommandos in Bulgarien, General Birjusow, in Verbindung. Beim zweiten Besuch der britischen und amerikanischen Offiziere erklärten die sowjetischen Vertreter kurz und knapp, „daß wir die Hilfe der Westmächte nicht brauchten.“92)

Der Sache nach hatten die sowjetischen Offiziere militärisch richtig entschieden, aber sie handelten sich doch einen Rüffel von Molotow ein. Es sei ungehörig gewesen, zu sagen, die Verbündeten würden „nicht gebraucht.“ Sie hätten die britischen und amerikanischen Offiziere höflich darauf hinweisen sollen, diese Fragen in Moskau zu besprechen.93)

Dieser Vorfall verdeutlichte ein neues Problem. Armeeoffiziere standen plötzlich vor diplomatischen Fragen, von denen sie nichts verstanden. Solange sie auf eigenem Territorium kämpften, spielte das keine Rolle, aber nach Überschreiten der Staatsgrenzen und bei unvermeidlichen Kontakten mit Truppen der westlichen Verbündeten mußten sie sich entsprechende Kenntnisse aneignen, vor allem die Generale. So gab es noch eine Aussprache bei Stalin, der dieses Problem als ernsthaft erkannt hatte.

Ein General müsse nicht nur ein guter Militär sein. Das genüge nicht mehr. „Der Generalstab sollte die Grundlagen des Völkerrechts und die Verhaltensregeln bei Kontakten mit Vertretern anderer Staaten kennen.“ Antonow meinte, daß wir „natürlich besser über das Kriegsrecht als über das Völkerrecht Bescheid“ wissen, eine Antwort, die Stalin mißfiel. Er erklärte: „Ich habe gewußt, daß Sie nichts davon verstehen, ...“ Es ginge nicht um die Verwaltung, sondern um die „Verantwortlichen des Generalstabs ...  und nicht nur des Generalstabs“. „Es geht um die Militärs, die Verhandlungen mit Ausländern führen oder an Verhandlungen teilnehmen, wichtige Dokumente ausarbeiten. Sie müssen wissen, wie das zu geschehen hat, um unser Land würdig zu vertreten. Haben Sie jetzt begriffen, worauf ich hinaus will? Nicht auf Empfänge und Bankette. Dabei fallen Sie nicht auf die Nase... Aber was das Kriegsrecht betrifft, das hier erwähnt wurde, davon haben wir schon des öfteren gehört. Viele Militärs glauben,  sie trügen das Recht nur auf den Bajonetten.“94)

Die Verbindung zwischen Generalstab und dem Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten bestand während des ganzen Krieges, gegen Kriegsende und in den ersten Nachkriegsjahren wurde sie jedoch enger.

Von seiten der Westmächte gab es noch mehrfach Versuche, dem Koalitionspartner, der Roten Armee, auf dem Balkan „zu helfen“, die, nun jedoch in mehr diplomatischen Formen höflich von sowjetischer Seite abgelehnt wurden.

Bei einigen Beamten des bulgarischen Staatsapparates fanden solche Angebote offene Ohren, unter anderen auch beim bulgarischen Kriegsminister Weltschew. Auf seine Veranlassung verbreitete der bulgarische Rundfunk offen Meldungen über die Dislozierung der sowjetischen Truppen.95)

Aufbau und Ausrüstung der bulgarischen Streitkräfte war noch eine schwierige Aufgabe, die von sowjetischen Beratern gemeinsam mit bulgarischen Kommunisten zu bewältigen war. Der Einsatz bulgarischer Truppen in Jugoslawien gegen die deutschen Truppen, gemeinsam mit den jugoslawischen Armeen Titos, erwies sich als ein kompliziertes ideologisches Problem, auch für die jugoslawischen Kommunisten.

Bulgarische Truppen waren an Strafaktionen der deutschen Faschisten gegen jugoslawische Partisanen und die Zivilbevölkerung beteiligt gewesen. Jetzt sollten die jugoslawischen Armeen mit Einheiten der bulgarischen Armee zusammenkämpfen!? Solche Probleme ließen sich nicht in kurzer Zeit beseitigen. Wichtig ist, daß solche Ressentiments von den Kommunisten Jugoslawiens, Bulgariens und der Roten Armee schrittweise überwunden werden konnten.

Die sowjetischen Armeen hatten das von Stalin gesteckte Ziel erreicht, vor den westlichen Koalitionspartnern auf der Balkanhalbinsel zu erscheinen und damit Churchills „Balkanvariante“ gegenstandslos zu machen.  Militärisch war der Weg für die Befreiung Jugoslawiens, Ungarns und der Tschechoslowakei durch die Rote Armee geöffnet.

 

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Jugoslawien

Die Befreiung Jugoslawiens vom deutschen und italienischen Faschismus erwies sich als eine sehr komplizierte militärische und politische Operation. Durch die Befreiung Rumäniens und Bulgariens waren die Truppen der 2. und 3. Ukrainischen Front an die Grenzen Jugoslawiens vorgerückt. Die faschistischen deutschen Truppen waren gezwungen, Griechenland und Mazedonien zu räumen, da sonst ihr Rückzug nach Norden abgeschnitten werden konnte.

Die jugoslawischen Parisanenverbände hatten nach ihrer Reorganisation 1942 eine reguläre Armee, die Volksbefreiungsarmee Jugoslawiens, gebildet, die 1944 aus 50 Divisionen mit einer Stärke von 400.000 Soldaten und Offizieren bestand. Problematisch war die Bewaffnung der Volksbefreiungsarmee. Es fehlte ihr an Artillerie und Granatwerfern. Sie verfügte über einige Panzer, hatte aber keine Flugzeuge. Ihre Handfeuerwaffen, Gewehre, Maschinenpistolen, Maschinengewehre stellten ein Gemisch verschiedenster Fabrikate dar, waren zum großen Teil Beutewaffen deutscher oder italienischer Fabrikation. Von den britischen Streitkräften hatten sie viele Waffen erhalten, die von Flugzeugen der britischen Luftwaffe abgeworfen oder nach ihrer Landung in von Partisanen befreiten Gebieten ausgeladen worden waren. Sowjetische Waffen waren nur wenige vorhanden. Wie aus einem Telegramm Dimitroffs an „Walter“ (Deckname für Tito) vom 1. Juni 1942 hervorgeht, hatte die Sowjetregierung ernste Schwierigkeiten, Waffen an die Voksbefreiungsarmee zu liefern. „Wie wir bereits mitteilten, können Sie leider in der nächsten Zeit aus den Ihnen bekannten Gründen nicht damit rechnen, von hier Munition und Maschinenpistolen zu erhalten. Der Hauptgrund ist, daß ein Transport nicht möglich ist. Daher ist es notwendig, daß Sie die vorhandenen Möglichkeiten (auch die geringsten und schwierigsten) zur Selbstversorgung vor Ort maximal und so rational wie nur möglich nutzen. Setzen Sie auf diese Weise den Befreiungskrieg trotz der furchtbaren Schwierigkeiten fort und entfalten Sie ihn weiter, halten Sie Ihre Stellungen und wehren Sie die Schläge des Gegners ab, solange, bis auch eine Hilfe von außen möglich sein wird.“96) In einem anderen Telegramm, acht Monate später vom 10. Februar 1943, erklärt Dimitroff wiederholt die Stellung der Sowjetregierung zum Befreiungskrieg der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee:

„Sie dürfen nicht eine Minute daran zweifeln, daß wir Ihren wunderbaren, heldenhaften Kampf schon längst materiell unterstützt hätten, wenn auch nur die geringste Möglichkeit dazu bestanden hätte. Das sowjetische Volk und seine Führer stehen voll und ganz auf Ihrer Seite, es ist erfüllt von Begeisterung und tiefen brüderlichen Sympathien für die jugoslawische Volksbefreiungsarmee. Oft haben wir gemeinsam mit Josif Wissarionowitsch (Stalin) höchstpersönlich erörtert, wie und auf welche Weise Ihnen geholfen werden kann. Leider ist es uns bisher aufgrund von unüberwindlichen technischen und Transportproblemen nicht gelungen, diese Aufgabe positiv zu lösen. Wir haben auch jetzt nicht aufgegeben, nach realen Möglichkeiten für Hilfssendungen zu suchen. Sobald sich solche Möglichkeiten ergeben, werden wir alles Erforderliche tun. Wie können Sie daran zweifeln? Ich bitte darum, die gegebene Situation richtig zu verstehen und sie den Genossen und Kämpfern zu erläutern. Verzweifeln Sie nicht, sondern spannen Sie alle Kräfte an, um auch die gegenwärtige außerordentlich schwere Prüfung zu überstehen. Sie tun ein großes Werk, das unser Sowjetland und die freiheitsliebenden Völker nie vergessen werden. Ihnen und allen Genossen brüderliche Grüße und  die  besten Wünsche  für  Ihren heldenhaften Kampf gegen den verfluchten Feind.“97)

Die Sowjetregierung konnte  der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee zu dieser Zeit wirklich keine materielle Hilfe geben. Es war der Zeitraum während der Stalingrader Schlacht, in der es um die Existenz der Sowjetunion ging, deutsche Truppen noch im Kaukasus standen, Leningrad noch eingeschlossen war, die deutsche Wehrmacht noch immer vom Asowschen Meer bis an die Küsten der Barentsee stand, ein wohl geschlagener, aber noch kein vernichteter Gegner war.

Erst nachdem Truppen der 3. und 2. Ukrainischen Front die Ostgrenzen Jugoslawiens erreicht hatten, konnten umfangreiche Waffenlieferungen an die Volksbefreiungsarmee erfolgen.

Ende September 1944 flog Marschall Tito nach Moskau, um mit Stalin über militärischen Beistand sowjetischer Truppen für die Befreiung Jugoslawiens zu verhandeln. Tito war vom Nationalkomitee der Befreiung Jugoslawiens (AVNOJ) bevollmächtigt, die Regierung der UdSSR um den Einmarsch sowjetischer Truppen nach Ostjugoslawien zu ersuchen. Das Nationalkomitee übte die Funktionen einer provisorischen Regierung aus. Auf der Konferenz in Teheran (28. November - 1. Dezember 1943) war die Volksbefreiungsarmee von Stalin, Churchill und Roosevelt als Verbündeter anerkannt worden.

Es ist wichtig, hervorzuheben, daß die Rote Armee auf Ersuchen des jugoslawischen Nationalkomitees jugoslawisches Territorium betrat.

Beim jugoslawischen Obersten Stab der Volksbefreiungsarmee war neben der sowjetischen auch eine angloamerikanische Militärmission tätig. Demzufolge mußten militärische Operationen auf  jugoslawischem Boden auch mit den Militärmissionen der westlichen Alliierten abgesprochen werden. Neben den sowjetischen Armee-Einheiten griffen auch britische und amerikanische Kampfflugzeuge in den Krieg gegen die faschistischen Okkupanten ein.

Problematisch erwies sich der Einsatz bulgarischer Armeen auf jugoslawischem Boden. In Moskau hatten sich Tito und Dimitroff darüber verständigt. Dimitroff hatte Tito ausführlich über Ziele, Aufgaben und Zusammensetzung der Vaterländischen Front Bulgariens informiert und erhielt von ihm die Zustimmung zum Einsatz bulgarischer Einheiten gegen die deutschen Okkupanten. Wie bereits w.o. erwähnt, war aus Belastungen der Vergangenheit ein Eingreifen bulgarischer Armeen auf jugoslawischem Territorium nicht ganz frei von ideologischen und nationalistischen Vorbehalten. Dennoch, wie Schtemenko resümierte: „Gemeinsam mit den sowjetischen Truppen schlugen sich die jugoslawischen und bulgarischen Soldaten hervorragend.“ Es wurde vereinbart, daß nach der Befreiung Belgrads die bulgarischen Truppen das jugoslawische Territorium passieren und weiter nach Ungarn vorgehen sollten.98)

Es gab noch weitere Besonderheiten in Jugoslawien. Außer den 270.000 Soldaten und Offizieren der deutschen Armeen standen noch 5 ungarische Divisionen mit 30.000 Mann, Truppen jugoslawischer Kollaborateure, vorwiegend Cetniks und Ustaschas, in Stärke von 270.000 Mann im Krieg gegen die Volksbefreiungsarmee.

Der Krieg in Jugoslawien trug den Charakter eines nationalen, antifaschistischen Befreiungskrieges, zugleich auch den Charakter eines Bürgerkrieges. Ähnlich wie in Polen führte die jugoslawische Exilregierung in London zwei Kriege, einen gegen die deutschen und  italienischen Faschisten, einen anderen gegen die Partisanen, ab 1942 gegen die Volksbefreiungsarmee. Die von London aus vom Kriegsminister der jugoslawischen Exilregierung, General Dragoljub Mihailovic, organisierten und geleiteten Cetniks kämpften vorwiegend gegen die Partisanen/Volksbefreiungsarmee in den befreiten Gebieten, nachweislich zusammen mit den deutschen und italienischen Truppen, wie aus einer Eintragung Dimitroffs vom 2. Februar 1943 hervorgeht. Danach habe Dimitroff mit Genossen der jugoslawischen Rundfunkredaktion „Fragen diskutiert, die mit dem Generalangriff der Deutschen, der Italiener, der Ustascha (kroatische Faschisten, UH) ... und der Cetniks von Mihailovic auf die Volksbefreiungsarmee und das befreite Gebiet zusammenhängen.“99)

Stalin als Oberbefehlshaber und Vorsitzender des Rats der Volkskommissare befand sich in einer politisch heiklen Situation. Unter militärischem Erfordernis mußte er die Cetniks und Ustascha, die gemeinsame Sache mit den deutschen Faschisten machten, zerschlagen, unter politischem Aspekt mußte er zugleich den Bündnisvertrag mit dem jugoslawischen König und der Exilregierung in London einhalten, Rücksichten auf die westlichen Koalitionspartner nehmen. Eine Situation, ähnlich wie gegenüber den griechischen Partisanen. Vertragsbeziehungen mit antikommunistischen Regierungen, in diesem Fall sogar mit einem monarcho-faschistischen, offen antisowjetischen Regime, sind politisch sehr kompliziert und nicht ungefährlich.

Die von Stalin verfolgte Politik gegenüber der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee verdeutlicht eine chiffrierte Meldung Dimitroffs an Tito vom 19. November 1942, die mit Stalin abgesprochen war.

„Die Schaffung des ‘Jugoslawischen Volksbefreiungskomitees’ ist notwendig und außerordentlich wichtig. Geben Sie diesem Komitee sowohl seiner personellen Zusammensetzung als auch seinem Aktionsprogramm nach unbedingt einen gesamtjugoslawischen und einen überparteilichen antifaschistischen Charakter. Betrachten Sie das Komitee nicht als eine Art Regierung, sondern als politisches Organ des Volksbefreiungskampfes. Stellen Sie es nicht der jugoslawischen Regierung in London entgegen. Werfen Sie in der gegenwärtigen Etappe nicht die Frage nach der Abschaffung der Monarchie auf. Erwähnen Sie die Losung für die Republik mit keinem Wort. Die Frage nach dem Regime in Jugoslawien wird sich, wie Sie sicher verstehen, nach der Zerschlagung des italienisch-deutschen Bündnisses und nach der Befreiung des Landes von den Okkupanten entscheiden. Die Hauptsache, die wichtigste aller Aufgaben ist jetzt die Zerschlagung der faschistischen Banditen und die Befreiung von den Okkupanten. Berücksichtigen Sie, daß die Sowjetunion mit dem jugoslawischen König und der jugoslawischen (Exil)regierung einen Vertrag eingegangen ist und ein offenes Auftreten gegen letztere zusätzliche Schwierigkeiten im Hinblick auf gemeinsame militärische Anstrengungen und in den Wechselbeziehungen zwischen der Sowjetunion einerseits und England und Amerika andererseits schafft. Betrachten Sie die Fragen Ihres Kampfes nicht nur von Ihrem eigenen nationalen Standpunkt aus, sondern auch vom internationalen, vom Standpunkt der anglo-sowjetisch-amerikanischen Koalition. Legen Sie bei der Festigung Ihrer Positionen im nationalen Befreiungskampf gleichzeitig größere politische Flexibilität und Manövrierfähigkeit an den Tag.

Wir alle sind von Ihrem heldenhaften Kampf begeistert und freuen uns von ganzem Herzen über Ihre Erfolge. Ihren Kampf popularisieren wir in allen Ländern auf jede erdenkliche Weise. Er ruft zu Recht Hochstimmung unter den gegen den Faschismus kämpfenden Völkern, Gruppen und Persönlichkeiten hervor und dient als herrliches Beispiel, das Völker anderer okkupierter Staaten nachahmen können. Wir wünschen Ihnen, daß Sie die bevorstehenden Schwierigkeiten standhaft meistern und in Zukunft weitere Erfolge erringen werden.

Mit festem Händedruck“100)

Das faschistische deutsche Oberkommando hatte mehrfach versucht, die Führung der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee zu liquidieren. Ende Mai 1944 unternahm sie mit starken Kräften einen Angriff auf das jugoslawische Hauptquartier in Dvar, einer kleinen Ortschaft in gebirgigem, schwer zugänglichen Gelände. Der Anschlag schlug fehl. Vom sowjetischen Fliegerstützpunkt in Bari, an der Adriaküste in Italien gelegen, startete eine sowjetische Maschine, die Marschall Tito, den Stab der Volksbefreiungsarmee sowie die Mitglieder der angloamerikanischen Militärmission beim Stab rechtzeitig auszufliegen. Auf der Insel Vis errichtete der Stab der Volksbefreiungsarmee nunmehr sein Hauptquartier.

Von der Insel Vis aus war die Führung des Krieges in den ausgedehnten Gebieten Jugoslawiens schwierig. Das Hauptquartier mußte näher an den Kampffronten eingerichtet werden. Wie der Überfall auf Dvar gezeigt hatte, war der Oberste Stab auch in den Bergregionen Jugoslawiens nirgends sicher. So sollte er von der Insel Vis in die rumänische Stadt Craiova, in unmittelbarer Nähe zur Grenze nach Jugoslawien gelegen, verlegt werden.

Diese Verlegung mußte unter strengster Geheimhaltung erfolgen. An einem Septembermorgen um 03.00 Uhr erfolgte der Start der sowjetischen Maschinen nach Craiova, über verschiedene Kurswechsel, um die deutsche Luftraumüberwachung zu täuschen.

Die Mitglieder der angloamerikanischen Militärmission waren über die Verlegung nicht informiert worden und auf der Insel Vis zurückgeblieben. Tito war für sie aus unerklärlichen Gründen verschwunden. General Maclean von der britischen Militärmission erkundigte sich beim britischen Luftmarschall Elliot nach dem Verbleib von Tito, der aber auch nicht informiert war. So bat Marschall Elliot den sowjetischen General Sokolow, Chef der sowjetischen Fliegerstaffel in Bari, zu einem Gespräch. Schtemenko skizzierte das Gespräch:

„Wohin haben Sie Tito gebracht?“

Das kann ich nicht wissen, Herr Marschall“, lautete die Antwort.

Der Chef des sowjetischen Stützpunktes in Bari war ein Meister in Gesprächen dieser Art. Er konnte bis zum äußersten trocken, höflich und soldatisch lakonisch sein.

„Sie nutzen unser gutes Verhältnis zu Ihnen als unserem Bundesgenossen aus“, fuhr Elliot fort.

„Wir sind unserem Bundesgenossen dafür dankbar und erwidern mit gleicher Freundlichkeit“, antwortete Sokolow.

„Aber die Flugzeuge sind von der Insel Vis abgeflogen?“

„Ich habe leider keine Ahnung, Herr Marschall, Sie sehen, ich befinde mich hier an Ihrer Seite.“

Damit endete das Gespräch.

Weitere Anfragen der Verbündeten erfolgten nicht, denn Stalin teilte Churchill mit, „Marschall Tito halte sich gegenwärtig zur Koordinierung des Zusammenwirkens bei bevorstehenden Operationen in Moskau auf. Er war bald nach seiner Ankunft in Craiova nach Moskau geflogen.“101)

Nicht  immer blieb es nur bei diplomatischen Verstimmungen zwischen den sowjetischen und angloamerikanischen Koalitionspartnern.

Im November 1944 kam es zu einem tragischen Zwischenfall. Nach einer Übereinkunft des sowjetischen Generalstabs mit dem angloame-rikanischen Oberkommando in Italien griffen auch in Italien stationierte britische und amerikanische Kampfflugzeuge in die Kampfhandlungen ein. Ihre Kampfaufträge erteilte nach einer entsprechenden Vereinbarung das sowjetische Oberkommando der 3. Ukrainischen Front. Schtemenko berichtete über den Vorfall:

„Es war allerdings nicht ein und dasselbe, ob man sich in höchsten Stäben über den Einsatz von Fliegerkräften einigte oder ob man diesen Einsatz an Ort und Stelle exakt organisieren sollte. Das bekamen wir im November 1944 zu spüren, als 27 amerikanische Flugzeuge eine Kolonne des 6. Gardeschützenkorps anflogen, die sich auf dem Marsch durch Jugoslawien befand. Die sowjetischen Soldaten erkannten die Flugzeuge und winkten den Bundesgenossen zu. Plötzlich änderten die Flugzeuge ihren Kurs und griffen die Kolonne mit Bomben an. Leider traf dieser Schlag genau ins Ziel. Der Korpskommandeur, Generalleutnant Kotow, und 31 Offiziere und Soldaten fielen, 37 wurden verwundet. Da die Flugmanöver der USA-Maschinen die Absicht erkennen ließen, noch einmal anzugreifen, erhielten neun sowjetische Jagdflieger Startbefehl. Es entbrannte ein Luftgefecht. Im Endergebnis war außer den Gefallenen noch der Verlust von drei amerikanischen und drei sowjetischen Flugzeugen zu beklagen.“102)

Solche bedauerlichen Vorfälle können im Krieg vorkommen. Ob Absicht dahinter steckte oder es wirklich ein Versehen war, läßt sich heute nicht mehr feststellen.

Ein amerikanischer General begab sich nach Sofia (Sitz des Stabes der 3. Ukrainischen Front, UH) um dem sowjetischen Oberkommando sein Bedauern auszusprechen, was von sowjetischer Seite „entsprechend zur Kenntnis genommen wurde.“103)

Schtemenko ließ die Frage offen.

Im Oktober begann der Sturm von Einheiten der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee und Armeen der 2. und 3. Ukrainischen Front auf Belgrad, das am 20. Oktober von den faschistischen Okkupanten befreit wurde.

Stalin und Tito hatten vereinbart, daß die jugoslawischen und sowjetischen Truppen gemeinsam in Belgrad einmarschieren sollten. Im sowjetischen Generalstab hatte man jedoch nicht berücksichtigt, daß die Volksbefreiungsarmee in dieser Zeit weder über Panzer noch LKW verfügte. Die Folge war,  daß sie nicht so schnell vorrücken konnte wie die motorisierten Einheiten der 3. und 2. Ukrainischen Front. Auf die rasche Einnahme Belgrads konnte aus militärischen Gründen nicht verzichtet werden, auf den gemeinsamen Einmarsch der sowjetischen mit den jugoslawischen Verbänden aus politischen Gründen nicht. General Tolbuchin (FOB der 3. Ukrainischen Front) wandte sich direkt an Tito und fand mit ihm eine gemeinsame Lösung: Jugoslawische Infanterie sollte auf sowjetischen Panzern und LKW aufsitzen, so konnten die Waffenbrüder gemeinsam in Belgrad einrücken.

Ende Oktober hatten die sowjetischen Truppen ihre Bündnisverpflichtungen in Jugoslawien erfüllt und konnten sich neuen Aufgaben zuwenden - der Befreiung Ungarns.

Das deutsche Oberkommando hatte eine neue, stark befestigte Verteidigungslinie Triest - Maribor - Bratislava errichtet, die zu durchbrechen war, um den Weg nach Budapest, Wien und in die Tschechoslowakei zu öffnen.

Gemäß militärischen und internationalistischen Traditionen und Verpflichtungen verblieben sowjetische Fliegerverbände für weitere Kampf-einsätze an der Seite der Volksbefreiungsarmee noch bis zur endgültigen Befreiung Jugoslawiens am 15. Mai 1945 im Lande. Desgleichen blieben noch technische Einheiten der Roten Armee in Jugoslawien, die nach einem Vertrag zwischen der sowjetischen und jugoslawischen Seite an die Volksbefreiungsarmee überstellt wurden.

 

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Ungarn

Ungarn nahm in der militärpolitischen Strategie sowohl Stalins als auch Churchills eine Schlüsselstellung ein. Ungarn bildet den Zugang nach Österreich und Süddeutschland. Ungarn war zugleich von strategischer Bedeutung für die Gestaltung der Nachkriegszeit.

Mitte Oktober 1944 trafen Churchill und Eden mit einigen militärischen und politischen Beratern in Moskau zu Gesprächen mit Stalin über das weitere Vorgehen der Verbündeten zur Beendigung des Krieges ein.

An einigen dieser Gespräche nahm Schtemenko teil, über die er berichtete. Der Chef des sowjetischen Generalstabs, Armeegeneral Antonow, sollte den Lagebericht geben, den er zuvor Stalin vorlegte. Stalin habe wortlos einige Korrekturen vorgenommen und sich dann zu einer Zeile des Lageberichts geäußert: „An dieser Stelle, Genosse Schtemenko, ... wollen wir uns deutlicher über unsere Pläne äußern. Wir werden sagen, daß wir, um möglichst schnell bis zur deutschen Grenze zu kommen, vorher Ungarn zerschlagen müssen. Hier wird unser Hauptinteresse liegen. Das sollte Ihnen als Chef der Operativen Verwaltung bekannt sein.“104) (Offensichtlich hat Schtemenko den Lagebericht ausgearbeitet, den Antonow geben sollte. UH)

Ungarn lag nicht nur im „Hauptinteresse“ Stalins, sondern auch Churchills, wie aus seinen Erinnerungen hervorgeht: „Es lag mir viel daran, den Russen in gewissen Gegenden Zentraleuropas zuvorzukommen. So hatten beispielsweise die Ungarn wissen lassen, daß sie sich zwar einem russischen Vormarsch widersetzten, aber vor einer britischen Streitmacht, sofern sie rechtzeitig einträfe, kapitulieren würden.“105)

 

Während der Moskauer Gespräche fragte Churchill Stalin unumwunden, was er dazu sagen würde, wenn die Sowjetunion in Rumänien zu 90 Prozent das Übergewicht hätten und die Briten zu 90 Prozent in Griechenland.

 

Während seine Frage übersetzt wurde, schrieb er auf „ein halbes Blatt Papier“:

 

 

 

Rumänien:

Rußland.....................       90%

Die anderen...............      10%

Bulgarien:

Rußland.....................       75%

Die anderen................     25%

Griechenland:

Großbritannien..........     .90%       (im Einvernehmen mit den USA)

Rußland.....................       10%

Jugoslawien...............     50-50%

Ungarn......................       50-50%                                                                                                          

106)

Churchill schob diesen Zettel Stalin zu, der mit einem Blaustift einen großen Haken machte und ihn wieder an ihn zurückgab. Danach sei ein „langes Schweigen“ eingetreten.

Churchill hatte wohl gemerkt, daß derartige Teilungspläne, wie sie unter Imperialisten üblich sind, mit Stalin nicht zu machen waren. Er schlug dann vor, den Zettel zu verbrennen, aber Stalin habe gemeint: „Nein, behalten Sie ihn.“

Churchill schrieb noch einen Brief und ein Memorandum zu seinem peinlichen Zettel an Stalin, die er aber nicht mehr absandte, da er es für klüger hielt, nicht mehr daran zu erinnern. In seinen Memoiren druckte er den Brief ab, um eine „authentische Darstellung“ seiner Gedankengänge darzulegen und zu legitimieren. In seiner Begründung bediente er sich jedoch eine den Sachverhalt verfälschenden Formulierung, indem er von der „Interpretation der von uns über den Tisch hinweg angenommenen Prozentformel“ schreibt.“107) „...von uns...?“ Es ist nirgends belegt, daß Stalin diese „Prozentformel“ angenommen hat!

In einem Telegramm vom 12. Oktober an seine Kollegen in London meinte er, daß es die Sowjetarmeen seien, „die in Ungarn das Wort führen werden ..., daß sie auch den größeren Einfluß ausüben, wenn auch natürlich im Einvernehmen mit Großbritannien und vermutlich den Vereinigten Staaten, die, wenn sie auch nicht selber in Ungarn operieren, dieses doch als ein mitteleuropäisches Land und nicht als einen Balkanstaat betrachten müssen.“108)

Über die Stellung der USA gegenüber Ungarn war sich Churchill also nicht sicher. Insgesamt geht aus den Memoiren Churchills hervor, daß er zu diesem Zeitpunkt keineswegs daran interessiert war, diesen ihn kompromittierenden „Zettel“ in die Öffentlichkeit gelangen zu lassen.

Inwieweit dieser „Zettel“ und die Unterstellung, daß er sich mit Stalin über die „Prozente“ verständigt habe, für die später von bürgerlichen und revisionistischen Publizisten in Umlauf gebrachte Historie, daß Stalin und Roosevelt die Welt in Einflußsphären aufgeteilt hätten, als „Beweismaterial“ diente, muß ich offen lassen. Roosevelt hatte jedenfalls mit dem „Zettel“ Churchills und seinen „Prozenten“ genausowenig zu tun wie Stalin. Es ist bemerkenswert, daß Schtemenko diesen „Zettel“ nicht einmal erwähnt hat. Er war allerdings auch nicht bei allen Besprechungen anwesend.

Dafür notierte Schtemenko jedoch eine andere Bemerkung Churchills, die dieser bei seiner Abreise gemacht hatte. „Er sprach die Hoffnung aus, daß es den anglo-amerikanischen Truppen gelingen werde, bald zum Ljubljana-Paß in Jugoslawien vorzudringen.“109)

Es bestand kein Zweifel, meinte Schtemenko, daß die angloame-rikanischen Truppen über Ljubljana nach Mitteleuropa vorstoßen wollten, um vor den sowjetischen Truppen Ungarn und Österreich zu erreichen. „Das war die bekannte ‘Balkanvariante’ Churchills, nur mit einer anderen Soße serviert. Natürlich durchschaute Stalin diese Absicht sofort.“110)

Ende Oktober erschien ein Vertreter des Oberkommandos der alliierten Truppen im Mittelmeer beim stellvertretende Generalstabschef Antonow, um Auskünfte über „weitere Pläne auf dem Balkan“ sowie über „Absichten und Kräfte der Volksbefreiungsarmee Jugoslawiens westlich von Belgrad“ zu erhalten. Antonow lehnte ab, die gewünschten Auskünfte zu erteilen und empfahl, bezüglich der jugoslawischen Volksarmee sich an Marschall Tito zu wenden.111)

Die „Zettel“-Affäre, die Bemerkung Churchills nach Abschluß der Moskauer Gespräche sowie der Besuch des Vertreters des Oberkommandos der westlichen Alliierten sind wichtig für das Verständnis der militärischen Entscheidungen Stalins, seinem Drängen auf ein schnelles Vordringen der sowjetischen Armeen in Ungarn.

Die Spekulationen Churchills stützten sich auf Bemühungen der faschistischen ungarischen Regierung unter Admiral Horthy, aus dem Krieg auszuscheiden, nachdem klar war, daß die Niederlage der deutschen Faschisten nicht mehr aufzuhalten war. Im September hatte Horthy dem angloamerikanischen Oberkommando einen Separatfrieden vorgeschlagen. Da sich bereits sowjetische Truppen in Ungarn befanden, lehnte das Oberkommando ab und empfahl, sich an die Sowjetregierung zu wenden. So sah sich Horthy Ende September gezwungen, eine Delegation nach Moskau zu entsenden. In den Verhandlungen mit der Sowjetregierung bestand die ungarische Delegation auf freiem Abzug der deutschen Truppen aus Ungarn und dem Einmarsch britischer und amerikanischer Truppen. Am 11. Oktober - zeitgleich mit Churchills Besuch in Moskau - kam es zu einem vorläufigen Abkommen über ein Ausscheiden Ungarns aus dem Krieg. Es sah vor, daß Ungarn Deutschland den Krieg erklärt. Horthy stimmte nicht zu.

Das deutsche Oberkommando durchschaute die Bemühungen Horthys um einen Waffenstillstand und ergriff Gegenmaßnahmen. Am 12. Oktober mußte Horthy auf Befehl Hitlers zurücktreten und die Regierung an den Pfeilkreuzler Szálasi übergeben, einen Erzfaschisten, der den Krieg gegen die Sowjetunion fortsetzte.112)

Über die ungarische Verhandlungsdelegation, die Ende September in Moskau erschien, berichtet Schtemenko eine Begebenheit mit dem ungarischen Verhandlungsführer, Feldmarschalleutnant Gabor Faragó, die für die Denkungsart der ungarischen Generalität aufschlußreich ist und die ich dem Leser nicht vorenthalten möchte.

Für die Betreuung der ungarischen Delegation war Generaloberst Kusnezow verantwortlich. „Er berichtete einige Tage nach ihrem Eintreffen, Feldmarschallleutnant Faragó, sei sehr besorgt um seine Schweinezucht auf seinem Gut im Raum Debrecen und habe ersucht, im Fall der Besetzung durch unsere Truppen den Viehbestand zu schonen. Auf unsere Versicherung, daß das erfolgen werde, habe sich der Gutsherr beruhigt. Später kamen unsere im Raum Debrecen kämpfenden Truppen nicht dazu, Faragós Schweine zu schützen, denn sie waren vom Gegner Stück für Stück geschlachtet worden.“113)

Ein weiterer halbherziger Versuch ungarischer Generale und Offiziere vom 18. Oktober mit dem sowjetischen Oberkommando eine „Verständigung“ zu erreichen, war ebenfalls gescheitert. Der Oberbefehlshaber der 1. Ungarischen Armee, Generaloberst Miklos, hatte sich mit einer Reihe Offiziere gefangen gegeben. 6.000 ungarische Soldaten und Offiziere gingen auf die Seite der Roten Armee über. Aber Miklos setzte seine Armee nicht gegen die Faschisten ein. Im Gegenteil, sie wurde von Szálasi ergebenen Offizieren den Faschisten in die Hände gespielt. „Statt abzunehmen, verstärkte sich der Widerstand in Ungarn.“114)

Ende Oktober war klar, daß es keinen Waffenstillstand mit den ungarischen Armeen geben werde. Nach einer Meldung von Marschall Malinowski, FOB der 2. Ukrainischen Front, vom 20. Oktober an den Generalstab, daß die „Front vor hartnäckigen Gefechten“ stehe, der Gegner „acht Panzerdivisionen ... in den Kampf geworfen“ habe, der Gegner „Ungarn nicht leichten Kampfes aufgeben werde“ und die „ungarischen Truppen“ sich „nach wie vor“ unter „Szálasis Führung“ hartnäckig schlagen, erließ das HQ an die 2. und 3. Ukrainische Front folgende Direktive: „Da die ungarischen Truppen die Kampfhandlungen nicht einstellen und nach wie vor eine einheitliche Front mit den Deutschen halten, befiehlt das Hauptquartier des Oberkommandos, gegen ungarische Truppen auf dem Gefechtsfeld genauso zu handeln wie gegen deutsche.“115)

Das sowjetische Oberkommando hatte alles versucht, um ein Ausscheiden Ungarns aus dem Krieg unter annehmbaren Bedingungen auf friedlichem Wege zu ermöglichen. In einem Aufruf an die ungarische Bevölkerung wurde ausdrücklich vermerkt, daß die Rote Armee nicht beabsichtige, ungarisches Territorium zu annektieren oder die bestehende Gesellschaftsordnung zu ändern. Das persönliche Eigentum der Bürger werde nicht angetastet, die Unverletzlichkeit des Eigentums von den sowjetischen Militärbehörden garantiert.116) Wie in allen Staaten, deren Territorium die Rote Armee im Kriege betreten mußte, erfolgten auch in Ungarn keine Eingriffe in die Gesellschaftsordnung. Die innere Verfassung der Länder war Angelegenheit des betreffenden Volkes und fiel nicht unter die Kommandogewalt der Roten Armee.

Das politische Erfordernis, den Gegner in Ungarn rasch zu zerschlagen um den Weg nach Österreich vor Erscheinen angloamerikanischer Truppen zu öffnen, führte zu taktischen Fehlern in den militärischen Entscheidungen Stalins.

In den ungarischen Streitkräften zeigten sich Zersetzungserscheinungen und breitete sich Defaitismus unter den Soldaten aus. Von Generaloberst Mechlis, Mitglied des Kriegsrates der  4. Ukrainischen Front, erhielt Stalin „übertrieben optimistische“ Meldungen über den Zersetzungsprozeß der ungarischen Armeen. Schtemenko zitiert ein von Mechlis an Stalin persönlich gerichtetes Fernschreiben vom 28. Oktober, in dem es hieß: „Die unserer Front gegenüberstehenden Verbände der 1. Ungarischen Armee befinden sich in Zersetzung und Demoralisierung. Unsere Truppen machen täglich 1.000, 1.500, 2.000 und mehr Gefangene. Am 25. Oktober 1944 machte die 18. Armee 2.500 Gefangene, wobei sich ganze Einheiten gefangengaben... Die Umgehungsmanöver der Front hatten zur Folge, daß viele ungarische Truppenteile sich zerstreut haben und in einzelnen Gruppen, teils bewaffnet, teils ohne Waffen, durch die Wälder streifen; einige Soldaten haben sich Zivilkleider beschafft...“117)

Stalin beriet sich mit dem Generalstab, wie Budapest in kürzester Frist zu nehmen sei und befahl Marschall Malinowski, mit den Truppen der 2. Ukrainischen Front Budapest „unverzüglich zu nehmen.“118)

Antonow gelang es nicht, Stalin zu überzeugen, daß die Meldungen von Mechlis „nicht in allem den Tatsachen entsprachen, vor allem nicht in bezug auf Budapest.“119)

Am 29. Oktober begann auf Befehl Stalins den Vormarsch auf Budapest, der nach 10 bis 15 km zum Stehen kam.

Den Befehl des Oberbefehlshaber wagte niemand aufzuheben oder zu ändern. Das mag man kritisieren, aber in welcher Armee kann der Befehl eines Oberbefehlshabers von untergeordneten Generalen eigenmächtig aufgehoben oder geändert werden? In diesem Zusammenhang sei an Kleists „Prinz von Homburg“ erinnert, der im Krieg gegen die Schweden entgegen dem Befehl des Kurfürsten, dem Oberbefehlshaber, eigenmächtig die Schweden angriff. Dies führte sogar zum Sieg über die Schweden bei Fehrbellin 1675. Der Kurfürst ließ Homburg zum Tode verurteilen! Erst nachdem Homburg seinen Fehler erkannt hatte, dem Befehl des Oberbefehlshabers mißachtet zu haben, hat ihn der Kurfürst begnadigt. Soweit Kleist.

Aber hier in Ungarn ging es um mehr als in dem Gefecht bei Fehrbellin und die Fronten des zweiten Weltkrieges waren keine Theaterbühne.

Antonow fand die salomonische Lösung, die Front wesentlich zu erweitern und die Aktivität der Truppen Manilowski zu erhöhen. Auf Befehl Stalins hatte die 46. Armee der 2. Ukrainischen Front den linken Flügel der Front anzugreifen. Gleichzeitig ließ der Generalstab nun auch die Truppen im Zentrum der Front zum Durchbruch der gegnerischen Verteidigung angreifen - was dem Befehl Stalins nicht widersprach - wodurch dem Gegner eine stabile Verteidigung wesentlich erschwert wurde. Am 4. November trug der Generalstab Stalin seine Entscheidung vor. Stalin war einverstanden und befahl, die Maßnahmen zur Einschließung Budapests zu beschleunigen.120)

Aus heutiger Sicht, mit heutigem Wissen, ist eine kritische Einschätzung der Entscheidung Stalins sehr einfach. Aber was wußte das HQ, was Stalin, im Oktober Genaues über den Zustand der ungarischen Armee und über die Kräftekonzentration der deutschen Truppen im Raum von Budapest? Generaloberst Mechlis muß nicht einmal übertrieben haben, wie Antonow meinte. Am Abschnitt der 4. Ukrainischen Front mag es so gewesen sein, wie er gemeldet hat, während an den Abschnitten der 2. und 3. Ukrainischen Front die ungarischen Truppen unter dem Druck strenger Kriegsgesetze fanatischer Offiziere des Faschisten Szálasis noch erbitterten Widerstand leisteten. Beide Informationsquellen, Mechlis und Antonow, waren seriös; welche war richtig? Heute wissen wir, daß Antonows Einschätzung die richtige war.

Das Bestreben, Budapest rasch zu nehmen, war aus politischen Erwägungen richtig, die militärische Entscheidung, Budapest „unverzüglich zu nehmen“ erwies sich als falsch, unabhängig davon, wie sie zustande gekommen war. Sie entsprach nicht dem vorhandenen Kräfteverhältnis im Raum Budapest. Dort standen noch 13 deutsche Panzer- sowie 2 motorisierte Divisionen und eine motorisierte Brigade mit insgesamt 110.000 Mann.

Es gab an den Fronten auch noch andere Erscheinungen, die zu Mißerfolgen der Roten Armee führten. Schtemenko nennt einige Befehlshaber operativer Verbände, die von den Erfolgen in Rumänien, in Bulgarien und in Transsilvanien „von Schwindel“ befallen waren.121)

Die Bedingungen in Rumänien, vor allem in Bulgarien, waren gänzlich andere als in Ungarn. Namentlich die Verhältnisse in Bulgarien,  wo die sowjetischen Truppen auf keinen nennenswerten Widerstand gestoßen waren, die monarchofaschistische Regierung durch Volksaufstand gestürzt und die Rote Armee von der Bevölkerung überwiegend freundlich empfangen wurde, unterschieden sich wesentlich von denen in Ungarn. Die Erfahrungen in Rumänien und Bulgarien mögen einige Kommandeure veranlaßt haben, den Widerstand der ungarischen Armeen zu unterschätzen.

Der Krieg war noch nicht aus! Das sollte sich im Kampf um Budapest und in der Schlacht am Balaton noch in aller Härte zeigen.

Stalin hatte verstanden, daß Budapest nicht im Handstreich zu nehmen war. Er befahl, im Raum Budapest die „größtmögliche Artilleriedichte“ zu schaffen. In der Hauptrichtung im Durchbruchsabschnitt der 2. Ukrainischen Front waren 224 Geschütze je Frontkilometer, an der der 3. Ukrainischen Front 170 Geschützen je Frontkilometer einzusetzen.122)

Am 20. Dezember begann der Kampf um Budapest, der erst nach acht Wochen(!), am 13. Februar 1945 mit der Befreiung Budapests endete.

Mit Rücksicht auf die Bevölkerung sowie die bedeutenden historischen Kulturdenkmale Budapests stellten die Oberkommandos der 2. und 3. Ukrainischen Front am 29. Dezember dem eingeschlossenen Gegner ein Ultimatum mit humanen Kapitulationsbedingungen. Die sowjetischen Parlamentäre, der 2. Ukrainischen Front, Hauptmann Miklos Steinmetz, der 3. Ukrainischen Front, Hauptmann Ostapenko, wurden von den Faschisten ermordet.123)

Hitler und das OKW hatten aus ihrer Sicht die strategische Bedeutung Ungarns ebenfalls verstanden und waren entschlossen, Ungarn unbedingt zu halten und den Vormarsch der Roten Armee zum Stehen zu bringen. Dahinter steckte nach wie vor die illusionäre Erwartung auf einen Bruch der Antihitlerkoalition, einen Frontwechsel der USA und Großbritanniens gegen die Sowjetunion.

Östlich des Balatons eröffnete das faschistische Oberkommando am 6. März 1945 mit starken Kräften eine Offensive mit dem Ziel, die sowjetischen Truppen über die Donau zurückzuwerfen. Welchen Stellenwert die Faschisten auf diese Offensive legten, zeigt die Verlegung der 6. SS-Panzerarmee unter SS-General Dietrich von der Westfront an die Front am Balaton am 14. Januar 1945, also noch während der Ardennenoffensive.124)  (Darauf  wird w.u. eingegangen.)

Das Kräfteverhältnis am Balaton war für die sowjetische Seite ungünstig. Die Deutschen verfügten über 31 Divisionen, darunter 11 Panzerdivisionen, über 900 Panzer und SFL, 5.600 Geschütze und Granatwerfer, 850 Flugzeuge, insgesamt über 430.000 Mann. Die 3. Ukrainische Front verfügte am Balaton über 400.000 Mann, 400 Panzer und SFL, fast 7.000 Geschütze und Granatwerfer und 700 Flugzeuge. Der Gegner war den sowjetischen Einheiten an Panzern und Flugzeugen überlegen, verfügte aber über weniger Artillerie. Die Personalstärke war etwa gleich.125)

Die deutschen Truppen drangen langsam nach Osten vor, Marschall Tolbuchin mußte Székesfehérvar, nordöstlich vom Balaton, räumen und zog seine Armeen an die Donau zurück, wo er eine Verteidigungslinie errichten konnte. Am 9. März wandte sich Tolbuchin fernmündlich an Stalin mit der Überlegung, ob es nicht geraten sei, die Truppen und im äußersten Fall auch den Stab auf das linke Donauufer zurückzunehmen. Schtemenko und Antonow befanden sich im Arbeitszimmer Stalins und wurden Zeugen des Gesprächs. Stalin habe nach kurzer Pause ganz ruhig geantwortet: „Wenn Sie, Genosse Tolbuchin, das Kriegsende noch fünf bis sechs Monate hinauszögern wollen, dann führen Sie Ihre Truppen hinter die Donau zurück, wo es zweifellos ruhiger sein wird. Da ich aber nicht annehme, daß das Ihr Wunsch ist, muß man sich am rechten Ufer verteidigen, in Ihrer Anwesenheit und Ihres Stabes. Ich bin sicher, daß die Truppen ihre schwierigen Aufgaben ehrenvoll erfüllen werden, vorausgesetzt, daß man sie richtig führt.“

Man müsse, so Stalin weiter, die faschistischen Panzer schon im Verlauf der Verteidigungsschlacht zurückschlagen, dem Gegner keine Zeit lassen, sich an den erreichten Abschnitten festzusetzen und eine Verteidigung aufzubauen. „’Folglich ... muß man, sobald der Gegner zum Stehen kommt, zum Angriff übergehen und ihn völlig zerschlagen. Die hierfür benötigten bedeutenden frischen Kräfte stehen uns in der Armee Glagolews zur Verfügung, außerdem ist die 6. Gardepanzerarmee General Krawtschenkos in der Nähe, die zwar vorläufig noch Malinowski (2. Ukrainische Front, UH) untersteht, notfalls aber Ihrer Front (3. Ukrainische Front, UH) übergeben werden kann. Ziehen Sie die nötigen Schlußfolgerungen daraus. Der Generalstab ist einer Meinung mit mir’, setzte er mit einem Blick auf Antonow hinzu.“126)

Ob sich Antonow zu den Überlegungen Stalins überhaupt geäußert hat, geht aus den Ausführungen Schtemenkos nicht hervor. Jedenfalls erwies sich die Einschätzung und die in ihr enthaltene Weisung als richtig. Es war die gleiche Taktik wie bei Kursk: Den Gegner in einer starken, tief gestaffelten Verteidigung zu zermürben, ihn auszubluten, und dann im Gegenangriff zu zerschlagen. Diese Taktik in der Schlacht, in der sich ähnlich wie bei Kursk, immerhin 1.500 Panzer gegenüberstanden, hatte auch zwischen Balaton und Donau Erfolg.

Die Verteidigungsschlacht dauerte bis zum 15. März. Anschließend gingen die Truppen der 3. Ukrainischen Front in Richtung Pápa - Sopron zügig vor, die Armeen der 2. Ukrainischen Front nördlich der Donau Richtung Györ. Die Wiener Angriffsoperation hatte begonnen.

Am 4. April war Ungarn vollständig von deutschen Truppen befreit. 140.000 Sowjetsoldaten gaben dafür ihr Leben.

Im Unterschied zu Bulgarien und Rumänien gab es in Ungarn trotz tapferen und opferreichen Kampfes der KP Ungarns im Untergrund keine vergleichbare, erfolgreiche Widerstandsbewegung. Von den Gründern der „Ungarischen Front“ im Mai 1944, einem antifaschistischen Bündnis, leisteten nur die Kommunisten bewaffneten Widerstand gegen die deutschen und ungarischen Faschisten. „Die Führer der bürgerlichen Oppositionsparteien und der Sozialdemokratie schreckten noch immer vor  einem bewaffneten  Kampf zurück.“127)

Doch im Oktober 1944 setzten sich alle Parteien der „Ungarischen Front“ unter Vorsitz von Endre Bajcsy-Zsilinszky für den bewaffneten Widerstand ein. Bevor es jedoch zu einer Aktion kam, wurden die Führer des bewaffneten Aufstandes Bajcsy-Zsilinszky, Janos Kiss, Jenö Nagy, Vilmos Tartsay von den ungarischen Faschisten ermordet.128)

Erst nach der Befreiung von Debrecen im Dezember 1944 konnten patriotische Kräfte eine provisorische Nationalversammlung einberufen. Am 21. Dezember kam es zur Bildung einer Provisorischen Regierung unter General Bela Miklos. An der Regierung beteiligten sich die KP Ungarns, die Sozialdemokratische Partei, die Partei der kleinen Landwirte sowie Vertreter des gestürzten Horthy-Regimes, die Marschalleutnante Faragó (der um seine Schweine so besorgte Gutsbesitzer) und Teleki, Generaloberst Vörös. Von dieser Regierung konnte auch nichts erwartet werden.129)

Es kam auch nicht zur Bildung von Einheiten einer ungarischen Volksarmee wie in Bulgarien, Rumänien und Jugoslawien, die an der Seite der Roten Armee kämpften. Einige Freiwillige, zumeist Kommunisten, kämpften in den Reihen der Roten Armee. Sie bildeten das Regiment von Buda, fünf Bataillone, insgesamt 2.534 Mann.130)

Inwieweit die nach 1945 gebildete ungarische Armee noch von bürgerlichen und/oder sogar von profaschistischen Offizieren durchsetzt war, die in der Konterrevolution 1956 glaubten, daß ihre Stunde gekommen sei, muß ich hier offen lassen.

 

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Der Slowakische Nationalaufstand

Der Slowakische Nationalaufstand vom 29. August 1944, etwa zeitgleich mit dem Warschauer Aufstand und dem Volksaufstand in Bulgarien, konnte das HQ nicht überraschen. Allerdings veranlaßte er das HQ, seinen ursprünglichen Operationsplan zu ändern. Angesichts der Erfolge der Roten Armee in Rumänien sollten die Karpaten umgangen und von Süden aus in die Slowakei vorgestoßen werden. Dadurch wäre das deutsche Oberkommando gezwungen gewesen, seine Truppen aus den Karpaten abzuziehen, die sonst abgeschnitten und vernichtet werden konnten.

„Damals plante das sowjetische Oberkommando nicht, die Karpaten in frontalem Stoß zu forcieren. Um hohe Verluste zu vermeiden, wollten wir das Gebirge umgehen“, schrieb Armeegeneral Schtemenko. Die Erfolge bei Iassi und Kischinjow „ließen darauf hoffen“, die Verteidigung des Gegners „in den Karpaten über rumänisches Gebiet umgehen, seinen rückwärtigen Raum bedrohen und seine Truppen entweder vernichten oder zum Rückzug zwingen zu können“.131)

Marschall Konew, FOB der 1. Ukrainischen Front, erinnert sich:

„Das Hauptquartier plante den abschließenden Feldzug des Krieges. Die Berliner und die Wiener Richtung wurden zu den Hauptrichtungen erklärt. Die Karpaten sollten von Süden umgangen und die gegnerischen Truppen in den Bergen eingeschlossen und vernichtet werden. Es war nicht zweckmäßig, bedeutende Kräfte in den Karpaten in langwierige Kämpfe zu verwickeln. Der Gegner befand sich in den Bergen in einer günstigeren Lage als wir. Für mich stand fest, daß wir nur dann dort kämpfen würden, wenn es für uns wirklich keinen Umgehungsweg gab oder Umgehungsmanöver unmöglich waren. Die Pläne unserer Front hatten also Kampfhandlungen in den Karpaten nicht vorgesehen. Doch es kam anders. Die 1. Ukrainische Front mußte den Nationalaufstand des slowakischen Volkes, der am 29. August 1944 begann, unterstützen.“132)

Von Anfang an zeigten sich in den Befreiungskämpfen in der Slowakei zwei Klassenlinien, eine bürgerlich-restaurative, die die alten Macht- und Eigentumsverhältnisse nach der Vertreibung der deutschen Faschisten wiederherstellen wollten und eine revolutionär-demokratische, die den nationalen, antifaschistischen Befreiungskrieg mit dem Kampf um die Beseitigung der Macht der Großgrundbesitzer und Großbourgeoisie verbanden. Die politischen Repräsentanten der beiden Klassengruppierungen waren für die bürgerlich-restaurative die Benesch-Regierung im Londoner Exil, für die revolutionär-demokratische der Slowakische Nationalrat, an dessen Spitze ein paritätisch zusammengesetztes Präsidium stand, dem vier Mitglieder der Kommunistischen Partei der Slowakei (KPS)132a) und vier Mitglieder anderer Parteien angehörten.133)

Aus der Zusammensetzung des Präsidiums geht schon hervor, daß auch der Nationalrat politisch nicht homogen war. Auch im Nationalrat wurden von dessen Mitgliedern neben dem gemeinsamen Ziel, das Land von den deutschen Faschisten zu befreien, unterschiedliche bis gegensätzliche soziale Interessen vertreten. Das einigende Band war der Antifaschismus.

Die KPS und der Slowakische Nationalrat wollten von Anfang an, schon in der Phase der Vorbereitung des bewaffneten Aufstandes, die Handlungen der slowakischen Patrioten mit denen der Roten Armee koordinieren. Desgleichen wollte auch der Ukrainische Stab der Partisanenbewegung und die in Moskau befindliche Führung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPC) die Partisanenbewegung „breit fassen“, Werktätige und Soldaten der slowakischen Armee in die Partisanenabteilungen einbeziehen.134)

Wie aus dem „Wiener Schutzvertrag“ vom 18. März 1939 ersichtlich, war die slowakische Armee abhängig von den deutschen Faschisten. Die von Hitler verordnete slowakische Republik mit ihrer klerikal-faschistischen Tiso-Regierung war ein Satellitenstaat des deutschen Faschismus, wie der Wortlaut des Wiener Schutzvertrages eindeutig ausweist:

Die deutsche Regierung und die slowakische Regierung

sind, nachdem sich der slowakische Staat unter den Schutz des Deutschen Reiches gestellt hat, übereingekommen, die sich hieraus ergebenden Folgen durch einen Vertrag zu regeln. Zu diesem Zweck haben die unterzeichneten Bevollmächtigten der beiden Regierungen folgende Bestimmungen vereinbart:

Artikel 1

Das Deutsche Reich übernimmt den Schutz der politischen Unabhängigkeit des slowakischen Staates und der Integrität seines Gebietes.

Artikel 2

Zur Durchführung des vom Deutschen Reich übernommenen Schutzes hat die deutsche Wehrmacht jederzeit das Recht, in einer Zone, die im Westen von der Grenze des slowakischen Staates und im Osten von der allgemeinen Linie Ostrand der Kleinen Karpaten, Ostrand der Weißen Karpaten und Ostrand des Javornik-Gebirges begrenzt wird, militärische Anlagen zu errichten und in der von ihr für notwendig gehaltenen Stärke besetzt zu halten. Die slowakische Regierung wird veranlassen, daß der für diese Anlagen erforderliche Grund und Boden der deutschen Wehrmacht zur Verfügung gestellt wird. Ferner wird die slowakische Regierung einer Regelung zustimmen, die zur zollfreien Versorgung der deutschen Truppen und zur zollfreien Belieferung der militärischen Anlagen aus dem Reiche erforderlich ist.

In der im Absatz 1 beschriebenen Zone werden die militärischen Hoheitsrechte von der deutschen Wehrmacht ausgeübt.

Personen deutscher Staatsangehörigkeit, die auf Grund eines privaten Vertragsverhältnisses mit der Errichtung militärischer Anlagen in der bezeichneten Zone befaßt sind, unterstehen insoweit der deutschen Gerichtsbarkeit.

Artikel 3

Die slowakische Regierung wird ihre eigenen militärischen Kräfte im engen Einvernehmen mit der deutschen Wehrmacht organisieren.

Artikel 4

Entsprechend dem vereinbarten Schutzverhältnis wird die slowakische Regierung ihre Außenpolitik stets im engen Einvernehmen mit der deutschen Regierung führen.

Artikel 5

Dieser Vertrag tritt sofort mit der Unterzeichnung in Kraft und gilt für die Zeit von 25 Jahren. Die beiden Regierungen werden sich vor Ablauf dieser Frist rechtzeitig über eine Verlängerung des Vertrages verständigen.

Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten diesen Vertrag in doppelter Ausfertigung unterzeichnet.

Berlin, den 23. März 1939.                                               Für die deutsche Regierung:

Wien, den 18. März 1939.[1]                                                gez. von Ribbentrop.

                                                                                               Für die slowakische Regierung;

                                                                                               gez. Dr. Tiso, gez. Dr. Tuka,

                                                                                               gez. Dr. Durcansky.  134a)

Das Offizierskorps der slowakischen Armee war nicht einheitlich. Während einige Generale und Offiziere der klerikalfaschistischen Diktatur Tisos nahestanden, waren nicht wenige Gegner der deutschen und einheimischen Faschisten. Es gab unter ihnen, mehr noch unter den Soldaten, Anhänger der Sowjetunion und Sympathisanten der KPS.

Am 24. Juni 1941 hatte Tiso in einem Telegramm an Hitler erklärt, „daß sich sein Land im Kriegszustand mit der UdSSR befinde“.134b) Aber der Einsatz der slowakischen Armee gegen die Sowjetunion erwies sich als ein großer Fehler. Offiziere und Soldaten desertierten, schlossen sich den Partisanen an oder verschwanden mit den Waffen in den Wäldern. In einem Fernschreiben des „Führers der Deutschen Volksgruppe“ in der Slowakei, Franz Karmasin, an „Reichsführer SS“ Himmler vom 19. August 1944 hieß es, daß

„die slowakische Armee in jeder Hinsicht zersetzt ist. Von Gehorsamverweigerung, bei Überschreiten der Grenze ins G. G., oder beim Partisaneneinsatz (Bericht des Herrn Innenministers Mach) über das Singen bolschewistischer Lieder, das Hissen von roten Fahnen, Anbringung von Aufschriften, wie ‘Wir gehen zu Stalin’ bei abgehenden Transporten, das Anbringen roter Nelken auf Uniformen und Mütze, bis zum Überlaufen zu Partisanengruppen.“134b*)

Tiso sah sich veranlaßt, sich an Hitler mit der Bitte zu wenden, slowakische Truppen von der sowjetischen an die Westfront zu verlegen, um sie vor dem „gefährlichen Einfluß des russischen Milieus“ zu bewahren.134c)

Seit Frühjahr 1944 hatte die Partisanenbewegung in der Slowakei an Stärke und Einfluß gewonnen. Im September konnte nach Beginn des Aufstandes in den von den Partisanen befreiten Gebieten eine Armee der Aufständischen formiert werden. Diese Aufstandsarmee wurde von einem Militärischen Zentrum geführt. Im September verfügte sie über 6 Infanteriegruppen. Jede dieser Gruppen bestand aus zwei Abteilungen, ein bis zwei Regimentern, mit 1.500 bis 2.500 Mann. Mitte September zählte die Armee etwa 60.000 Mann. Ihre Schwäche bestand in den ungenügenden Kenntnissen der Kommandeure sowie in der mangelnden Bewaffnung und Ausrüstung. Anhänger bürgerlicher Parteien innerhalb der Aufstandsarmee waren häufig unentschlossen und schwankten. Als stärkste Kraft des Aufstandes erwiesen sich die Partisanenverbände, etwa 16.000 Mann. Sie hatten enge Verbindungen zum Stab der Ukrainischen Partisanen. In den Partisanenabteilungen kämpften auch im Partisanenkrieg erfahrene Offiziere der Roten Armee. Den Partisanenverbänden gehörten auch Kriegsgefangene und Antifaschisten aus den von den Deutschen besetzten Ländern an, die aus den faschistischen Lagern fliehen konnten. Die Partisanenverbände wurden von der Roten Armee auf dem Luftwege mit Waffen, Ausrüstungen, Proviant und Medikamenten versorgt.134d) Nach Schtemenko lieferte die Sowjetregierung insgesamt im Jahre 1944 über 10.000 Gewehre, Maschinenpistolen, Karabiner und Pistolen, rund 1.000 Maschinengewehre, Hunderte von Panzerbüchsen und mehrere Millionen Patronen an die Aufständischen. Auf dem Luftwege verlegte das HQ die in der UdSSR aufgestellte 2. Selbständige tschechoslowakische Luftbrigade, das 1. Tschechoslowakische Jagdfliegergeschwader sowie eine große Zahl von Instrukteuren und Partisanenkommandeuren in die Slowakei.134e)

Von der Benesch-Regierung in London war die starke Partisanenbewegung auch nicht unbemerkt geblieben. Das Ende der deutschen Faschisten war absehbar. Die Benesch-Regierung erwartete, daß die US-Truppen den Westen der Tschechoslowakei, einschließlich Prags, von den faschistischen Truppen befreien, den „Russen zuvorkommen“ würden. In der Slowakei wollte die Benesch-Regierung einem Volksaufstand zuvorkommen. Benesch setzte auf die unter Führung von zwar antifaschistischen, aber ideologisch dem Bürgertum verhafteten Generale und Offiziere der slowakischen Armee, die einen Aufstand unternehmen sollten, ohne Einbeziehung der Volksmassen, um einem Volksaufstand zuvorzukommen. Schon Carl von Clausewitz wußte, daß Volkskriege, Volksaufstände, zwei Seiten haben, eine politische und eine militärische. So habe der Volkskrieg „seine Anhänger und seine Widersacher, die letzteren entweder aus politischen Gründen, weil sie ihn für ein revolutionäres Mittel, einen für gesetzlich erklärten Zustand der Anarchie halten, der der gesellschaftlichen Ordnung nach innen ebenso gefährlich sei wie dem Feinde nach außen, oder aus militärischen Gründen, weil sie glauben, der Erfolg entspräche nicht der aufgewendeten Kraft.“135)

Wenn Clausewitz auf die „politischen Gründe“ vorsichtshalber nicht einging und sich nur zu den militärischen äußerte, so interessieren hier gerade die politischen, die Clausewitz schon in seiner Zeit der Volkskriege in Spanien, in Rußland sowie in den Volksbewegungen in Preußen gegen Napoleon recht gut erkannt hatte. Dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. waren die Militärreformer, zu denen Clausewitz ja selbst gehörte, und die Freikorps um Schill und Lützow höchst suspekt.

Volkskriege, Volkserhebungen haben dann den größten Erfolg, wenn sie mit dem Einsatz regulärer Truppen, seien es eigene oder alliierte Truppen, verbunden werden. Das war auch Benesch klar. Der Aufstand der slowakischen Armee, also „regulärer“ Truppen, sollte von der Roten Armee unterstützt werden. Die Benesch-Regierung informierte die Sowjetregierung über „einen möglichen bewaffneten Aufstand gegen die Okkupanten in der Slowakei“ und ersuchte die Sowjetregierung um Hilfe.136) Benesch war klüger als die polnische Exilregierung in London mit ihrer Delegatur in Polen, die jedes Zusammengehen mit der Roten Armee aus einem bornierten Antisowjetismus ablehnte und den Aufstand in die Niederlage führte. Benesch gehörte dem linken Flügel der tschechischen Bourgeoisie an und hatte wohl auch nicht die Unterstützung der Sowjetregierung für die Tschechoslowakei in der kritischen Zeit von 1938 vergessen, als die britische und französische Regierung sie Hitler auslieferte.

Die tschechoslowakische Exilregierung in London war mit der Sowjetunion verbündet. Am 12. Dezember 1943 hatten die Regierung der UdSSR und die Regierung der Tschechoslowakischen Republik in London einen Vertrag über Freundschaft, gegenseitige Hilfe und Zusammenarbeit nach dem Krieg abgeschlossen. Präsident Benesch befand sich zu dieser Zeit in Moskau zur Unterzeichnung des Vertrages.

Es kam zwischen Benesch und einer Delegation des Auslandsbüros der KPC unter Leitung von Klement Gottwald ebenfalls zu Verhandlungen. Neben Meinungsverschiedenheiten, vor allem über Nachkriegsfragen, wurde jedoch in wichtigen Fragen des Befreiungskampfes Übereinstimmung erzielt, wodurch die antifaschistische Befreiungsbewegung in der Tschechoslowakei an Breite und Einfluß noch gewann.136a)

Als Angehöriger der Antihitlerkoalition unterhielt die Benesch-Regierung neben ihrer diplomatischen Vertretung eine Militärmission in Moskau unter Leitung von General Pika.

Stalin gab den Befehl, der tschechoslowakischen Exilregierung in London die Unterstützung des Aufstandes zuzusagen.137)

Da Stalin Zusagen einzuhalten pflegte, beauftragte er den Generalstab mit der Ausarbeitung des Planes für die sowjetische Hilfeleistung.

Im Generalstab suchte man den Wünschen der Benesch-Generale nachzukommen, aber, so Schtemenko, sie entsprachen nicht der Realität.138)

Die slowakischen Generale hatten ausschließlich die slowakische Armee für den bewaffneten Aufstand vorgesehen. Die Volksmassen sollten nicht zum Kampf gegen die Faschisten aufgerufen werden, im Gegenteil, der Aufstand der Armee sollte ja gerade einer Volkserhebung zuvorkommen. In dem Plan der Benesch-Generale fanden auch die in der Sowjetunion aufgestellten tschechoslowakischen Truppen keine Erwähnung, obwohl sie gegen die deutschen Armeen gemeinsam mit der Roten Armee gekämpft hatten und über Kampferfahrungen verfügten. Mit Zustimmung der Benesch-Regierung war bereits am 10. April 1944 mit der Aufstellung des 1. Tschechoslowakischen Armeekorps begonnen worden. Eine Brigade des Korps kommandierte Oberst Ludvik Svoboda, später Armeegeneral, Verteidigungsminister und von 1968 bis 1975 Staatspräsident der CSSR. Die Benesch-Generale vermochten nicht, über ihre bürgerlichen Klassenschranken hinauszugelangen.

Der Plan der slowakischen Generale sah eine Verteidigung gegen die deutschen Truppen an den Gebirgspässe im Norden entlang der Staatsgrenze zu Polen in der Tatra vor, im westlichen Teil wollte man sich auf die Höhenzüge an den Flüssen Vah und Hron stützen. Das nach Süden offene Gelände an der ungarischen Grenze sollte mit Unterstützung von Bombenangriffen der US- und britischen Luftwaffe aus großer Höhe verteidigt werden. Nach dem sowjetischen Generalstab war dieser Plan angesichts der Kräfteverhältnisse völlig irreal. Selbst ein Einsatz sowjetischer Schützendivisionen hätten nach Schtemenko und Armeegeneral Antonow (stellvertretender Chef des Generalstabs) daran nichts geändert.

Eine Verlegung von nur zwei sowjetischen Divisionen - selbst ohne Artillerie und Rückwärtige Dienste - auf dem Luftwege in die Slowakei wäre sehr schwierig gewesen, da der Generalstab nur 170 Transportflugzeuge für je 20 Mann mit Ausrüstung bereitstellen konnte. Desgleichen stand die erforderliche Menge an Treibstoff nicht zur Verfügung.

Die slowakischen Generale konnten - wohl nicht zuletzt aus mangelnder Kampferfahrung - nicht begreifen, daß die sowjetischen Truppen zu dieser Zeit nicht in die Karpaten eindringen konnten. Eine starke deutsche Verteidigung an den ostwärtigen Zugängen und Pässen versperrte den Weg. Die deutschen Truppen standen in diesem Raum den sowjetischen weder an Zahl noch Ausrüstung nach. Schtemenko und General Gryslow, die mit der Ausarbeitung des Planes zur Unterstützung des von den slowakischen Generalen vorgesehenen Aufstandes beauftragt worden waren, schlugen vor, „die Lage in der Slowakei nur als Ausgangspunkt, als großen Brückenkopf für einen aktiven Partisanenkampf auf slowakischem Gebiet zu betrachten.“ Für den Fall, daß das HQ den „Vorschlag Beneschs aus politischen Gründen akzeptieren“ und einen Angriff über die Karpaten befehlen werde; bevor der Vorstoß über die Karpaten vorbereitet sei, empfahl Antonow, eine tschechoslowakische und eine sowjetische Fallschirmjägerbrigade in der Slowakei abzusetzen und die für den Kampf erforderlichen Waffen und Ausrüstungen dahinzuschaffen. Schtemenko und Antonow wiesen zugleich darauf hin, „daß mit hohen Verlusten zu rechnen sei.“139)

Im August 1944 verstärkte sich der Widerstandskampf gegen den Faschismus unter Führung des Nationalrates. Der Partisanenkrieg steigerte sich allmählich zum Volksaufstand.

Der Chef der tschechoslowakischen Militärmission in Moskau, General Pika, betonte mehrfach, daß die Handlungen der slowakischen Truppen nur „unter exil-tschechoslowakischem Kommando“ gedacht seien. Nach Benesch sei die Befreiung der Slowakei „alleinige Aufgabe der Armee“.140) Der Roten Armee war wohl dabei die Rolle eines Hilfskorps für die slowakische Armee zugedacht. Im Namen des tschechoslowakischen Verteidigungsministerium in London ersuchte General Pika um die „mutmaßlichen Termine“ für gemeinsame Handlungen der Roten Armee mit slowakischen Divisionen. Schtemenko vermutete wohl nicht ganz unbegründet, daß „die Londoner Regierung die Vorhaben des sowjetischen Oberkommandos ermitteln“ wollte.141)

Ende des Sommers trat der Verteidigungsminister der Tiso-Regierung, General Catlos, in Erscheinung. Catlos wollte wohl angesichts des absehbaren Zusammenbruch des faschistischen Deutschlands sein eigenes Süppchen kochen. Er plante, eine Militärdiktatur in der Slowakei unter seiner Führung zu errichten.

Zu diesem Zweck wollte er separate Beziehungen zur Sowjetunion her-stellen und mit der Sowjetregierung ein „gemeinsames Vorgehen“ vereinbaren. Als slowakischer Separatist verweigerte er eine Anerkennung der Benesch-Regierung in London. In einem Schriftstück begründete er seine Pläne, das als „Catlos-Memorandum“ in die Geschichte der Tschechoslowakei eingegangen ist und damals allerhand Staub aufgewirbelt hat.141a)

Diese bemerkenswerte „Initiative“ Catlos’ stieß bei der Benesch-Regierung nicht auf Gegenliebe. General Pika informierte den sowjetischen Generalstab über die Absicht Catlos, mit einem Flugzeug in die Sowjetunion zu kommen. Pika meinte, die sowjetische Seite sollte Catlos Autorität für den Aufstand der slowakischen Armee ausnutzen, sich aber dann von ihm trennen.

Das ZK der KPS und der Slowakische Nationalrat konnten durchsetzen, daß im gleichen Flugzeug von Catlos eine eigene Delegation von ihnen in die Sowjetunion mitflog.

Stalin befahl, die Maschine passieren zu lassen, die am 4. August startete und im Raum Lwow landete. Von den Genossen der KPS und Vertretern des Slowakischen Nationalrats erhielt das HQ umfassende Informationen über das Heranreifen des Volksaufstandes in der Slowakei, wodurch die Bestrebungen der Benesch-Regierung in London klarer wurden, warum sie einseitig auf die slowakische Armee setzte.142)

In  diesem  spannungsgeladenen August erschien ein weiterer slowakischer Offizier auf der Bildfläche, Oberstleutnant Jan Golian, Chef des Stabes der slowakischen Landstreitkräfte.

Golian arbeitete mit dem Nationalrat zusammen, war zugleich aber auch in die Pläne von Catlos eingeweiht. Nach Golian sei die „überwiegende Mehrzahl“ der slowakischen Offiziere antideutsch und prosowjetisch eingestellt. Golian werde „den Befehlen der Führung des Aufstandes Folge“ leisten. Er rechnete mit der Unterstützung Catlos bei der Ausschaltung der faschistischen Elemente, so daß sich der Aufstand und der Einmarsch sowjetischer Truppen reibungslos, ohne Widerstand und Aufenthalt vollziehen werde. Es könnten „überraschend und ungehindert so viel Truppen der Roten Armee in die Ostslowakei einmarschieren, wie das innerhalb einer Nacht möglich“ sei, „ehe das deutsche und ungarische Oberkommando davon erfahre“.143)

Wie Schtemenko bemerkte, waren die Vorstellungen Golians sehr naiv. Auch von Golian sei kein Wort über die Einbeziehung des Volkes in den Aufstand gegeben. Golian, der am 29. Juni die Führung des Militärischen Zentrums beim Slowakischen Nationalrat übernommen hatte, meldete bereits am 15. Juni an die Benesch-Regierung in London: „Zu den Russen wollen wir nicht übergehen. Wenn wir mit ihnen zusammenarbeiten, wollen wir vor allem die Slowakei befreien...“144)

Die sowjetischen Truppen standen noch 50 bis 60 km vor den Karpatenpässen. Die Pässe waren das Problem! Es gab keine anderen Möglichkeiten, den Widerstand der deutschen Truppen zu brechen, als über die Pässe anzugreifen. Das deutsche Oberkommando hatte an der sogenannten Arpadlinie, der Wasserscheide auf dem Karpatenrücken, eine starke Verteidigungslinie unter Ausnutzung der natürlichen Gegebenheiten, Bergkuppeln, Schluchten, Flüsse, bezogen und ausgebaut.

Die Vorstellung, die slowakischen Truppen greifen die Pässe von Westen an, die sowjetischen von Osten, die in einer Nacht - während die deutschen Truppen schliefen!? - die Pässe überwinden, zeugt von mangelnder Sachkenntnis der konkreten militärischen Lage und Kräfteverhältnisse an den Karpaten und fehlender Kampferfahrung. Oder steckten politische Spekulationen dahinter?

Das faschistische Oberkommando hatte den heranreifenden Aufstand in der Slowakei natürlich auch erkannt und war darauf militärisch vorbereitet. Ende August besetzten deutsche Divisionen die Slowakei. Von General Pika erhielt der sowjetische Generalstab die Information, daß die Benesch-Regierung „Bevölkerung und Truppen in der Slowakei zum bewaffneten Aufstand aufgerufen“ habe.145) Nachdem die Benesch-Regierung den Volksaufstand nicht verhindern konnte, wollte sie sich jetzt an die Spitze des Aufstandes stellen, um ihn in eine für die kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnisse ungefährliche Richtung zu lenken.

Am 31. August informierte die tschechoslowakische Militärmission das sowjetische Oberkommando darüber, „daß die slowakischen Divisionen die Pässe über den Hauptgebirgsrücken der Karpaten hielten und sich auf Begegnungen mit der Roten Armee vorbereiteten. Ihr überraschender Stoß gegen den rückwärtigen Raum der gegnerischen Verteidigung vor den Truppen Konews (FOB der 1. Ukrainischen Front, U.H.) und Petrows (FOB der 4. Ukrainischen Front,  U.H.) könnte für den Gesamterfolg entscheidend sein“.146)

Auf Grund dieser Meldung befahl Stalin dem Generalstab, den Aufständischen zu helfen. Es waren Angriffsoperationen der sowjetischen Truppen vorgesehen. Stalin forderte von Marschall Konew telefonisch, „ihm so schnell wie möglich seine Meinung über die Unterstützung des slowakischen Aufstands mit den Kräften der 1. Ukrainischen Front mitzuteilen.“147)

Einen Tag später, am 1. September, erhielt das HQ andere Nachrichten. Die Aufständischen seien in „schwere Gefechte“ mit angreifenden deutschen Truppen verwickelt. Die Karpatenpässe waren für die sowjetischen Truppen „wahrscheinlich unpassierbar“.

Es mußte mit „erbitterten Kämpfen um jeden Fußbreit Boden über den Gebirgskamm“, ...„besonders an den Pässen“, gerechnet werden. Um sich mit den Aufständischen zu vereinigen, lag ein „beschwerlicher Weg“ vor den sowjetischen Truppen.148) Über die erbitterten und verlustreichen Kämpfe der 38. Armee, AOB Generaloberst Moskalenko, der 1. Ukrainischen Front und der 1. Gardearmee, AOB Generaloberst Gretschko, der 4. Ukrainischen Front sowie noch anderer Armeen und Verbände in den Karpaten existiert eine umfang- und faktenreiche Literatur.149)

Die Hilfe für die Aufständischen hätte schneller erfolgen können, wenn nicht die sowjetischen Truppen, die Aufstandsarmee sowie die Partisanenarmee wiederholt durch Verrat von Seiten bürgerlicher und profaschistischer slowakischer Offiziere in prekäre Lagen versetzt worden wären. Die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung (die von den sowjetischen Truppen nicht angetastet sondern als innere Frage der Tschechen und Slowaken respektiert wurde!) hatten bei ihnen Priorität gegenüber der Befreiung des Landes von den faschistischen Besatzern und deren Marionetten der Tiso-Diktatur.

Wie Marschall Konew berichtet, erhielt er erst am 31. August von der Partisanenabteilung von A.A. Martynow und von Offizieren der slowakischen Armee die Nachricht, „daß Gruppen von Aufständischen und Partisanenabteilungen in der Slowakei zu bewaffneten Aktionen übergegangen waren“.150)

Am 1. September empfing Konew den per Flugzeug angekommenen Oberst V. Talsky, stellvertretender Oberbefehlshaber der Armeegruppe der slowakischen Armee, der sich „als Vertreter des Ostslowakischen Korps der Aufständischenarmee“ vorstellte.151)

Konew informierte sofort Stalin und schlug ihm vor, eine Hilfsoperation für die Aufständischen vorzubereiten. Stalin war einverstanden, Konew sollte nur einen Plan vorlegen. Am 2. September übersandte Konew dem HQ folgenden schriftlichen Bericht:

„Heute, den 1.9.1944, suchte mich Oberst Viliam Talsky vom Generalstab der slowakischen Armee auf. Er erläuterte mir die Lage in der Slowakei, wie sie sich nach dem Eindringen deutscher Truppen herausgebildet hatte, und wollte von mir Instruktionen für das weitere Vorgehen der slowakischen Truppen haben. In dem Gespräch erklärte Oberst Talsky, daß im Falle einer Offensive unserer Truppen nach Westen die 1. und die 2. slowakische Division in Richtung Krosno angreifen könnten, um sich mit der Roten Armee zu vereinigen. Oberst Talsky meint, daß die 1. Division unter Oberst Markus seinen Befehl ausführen werde. Auf die 2. Division und ihren Kommandeur rechne er nicht besonders.

Oberst Talsky meinte weiter, wenn unsere Truppen aus irgendeinem Grunde nicht zum Angriff übergehen könnten, hielte er es für zweckmäßig, die 1. und die 2. Division in die Partisanenaktionen einzubeziehen.

Mit Talsky landete am 30. 8.1944 eine von dem Kommandeur Major Trnka geführte Gruppe von 27 Flugzeugen auf unserem Territorium. Darunter befinden sich 7 Flugzeuge vom Typ Focke-Wulf FW 189 und Me 109 B, die übrigen sind Transportmaschinen.

Im Raum Krosno ist unsere Front 30 bis 40 Kilometer von der slowakischen Grenze entfernt.

Um sich mit den slowakischen Truppenteilen und der Partisanenbewegung der Slowakei zu vereinigen, müßten der linke Flügel der 1. Ukrainischen Front und der rechte Flügel der 4. Ukrainischen Front eine Operation durchführen und das slowakische Territorium im Raum Stropkov-Medzilaborce erreichen.

Die 1. Ukrainische Front kann für diese Operation 4 Schützendivisionen der 38. Armee und das 1. Gardekavalleriekorps einsetzen. Stoßrichtung: Krosno-Dukla-Tylawa. Es wäre erforderlich, an diesem Abschnitt das 1. Tschechoslowakische Korps einzusetzen. Die Operation kann in sieben Tagen beginnen. Ich bitte um Ihre Weisungen.

Erlauben Sie, Oberst Viliam Talsky von der slowakischen Armee nach Moskau zu schicken. Ich habe Oberst Talsky keine Anweisungen erteilt.

Konew, Krainjukow, Sokolowski.“152)

 

Zwischen dem 2. und 3. September wurden der Angriffsplan für die 38. Armee (Moskalenko) und der 1. Gardearmee (Gretschko) von HQ und Konew ausgearbeitet. Der Angriffstermin wurde auf den 8. September festgelegt.153)

Über die Karpatenoperation und den Termin gab es Unstimmigkeiten zwischen Stalin und Konew. Auf Befehl Stalins sollten die Truppen der 1. Ukrainischen Front einen „Stoß aus dem Raum Krosno - Sanok in allgemeine Richtung Presov“ führen, „die slowakische Grenze erreichen und sich mit den slowakischen Truppen“ vereinigen.154)

Schtemenko bemerkte dazu rückblickend, daß die 1. Ukrainische Front durch die auf Stalins Befehl erfolgte Direktive in eine schwierige Lage geraten konnte, denn mit ihrem weiteren Vorrücken entblößte sie ihre Südflanke. Das konnte vom Gegner zu einem gefährlichen Flankenstoß ausgenutzt werden. Diese auf Befehl Stalins an Konew gegebene Direktive „war ein eindeutiger Verstoß gegen einen festen Grundsatz unserer Armee, in jede Operation die Trennungslinien und Flanken zu sichern.“ Konew rief auch gleich nach Erhalt der Direktive Antonow an und kritisierte den „Mangel an Überlegung“. Nachdem Konew von Antonow erfahren hatte, daß die Direktive auf Befehl Stalins erfolgt sei, „ergänzte“ Konew diplomatisch diese Direktive, indem er es „für erforderlich hielt“, den „rechten Flügel der 4. Ukrainischen Front mit wenigstens vier Divisionen aus dem Raum Sanok heranziehen oder“ ihm „von der 4. Ukrainischen Front vier Schützendivisionen zu übergeben“. Stalin war damit einverstanden.

Stalin drängte insgesamt zur Eile. Mit den von Konew genannten Terminen war er unzufrieden, wie Moskalenko, AOB der 38. Armee, bemerkte, der Zeuge eines Telefongesprächs zwischen Konew und Stalin war.155) Letztendlich setzte sich Konew jedoch durch.

Solche Unstimmigkeiten resultierten aus den unterschiedlichen Verantwortungsbereichen des Oberbefehlshabers und eines FOB. Konew war für die Truppen seiner Front, - einer Front! -, verantwortlich, für Erfolge, für Niederlagen, für Verluste. Für Konew hatte der militärische Faktor Priorität gegenüber dem politischen. Stalin trug die Verantwortung für die Gesamtheit der Fronten, für Sieg oder Niederlage der Sowjetunion im Krieg, d.h. für das Schicksal der Sowjetunion. Stalin war in erster Linie Staatsoberhaupt, hatte internationale Verpflichtungen gegenüber den Partnern der Antihitlerkoalition und - gerade in der Endphase des Krieges - mußte er sowjetische Sicherheitsinteressen in der Gestaltung der Nachkriegszeit berücksichtigen, denn die klassenbedingte Strategie der westlichen Verbündeten wurde zunehmend bestimmt durch die Devise: „Die Russen draußen lassen - nicht nach Europa hereinlassen - den Russen ‘zuvorkommen’!“.

Es waren vor allem politische Motive, die Stalin zur Eile drängten, was in Einzelfällen zu militärischen Entscheidungen führte, die der Situation nicht entsprachen. Die Front- und Armeeoberbefehlshaber, die Generale im Generalstab erkannten als Kommunisten sehr wohl die politische Notwendigkeit, den Aufständischen in der Slowakei so schnell wie möglich zu helfen, auch Marschall Konew, desgleichen, daß die Sowjetregierung Verpflichtungen gegenüber den westlichen Verbündeten hatte. Sie durchschauten genauso wie Stalin deren Ränkespiel, deren Auswirkungen sie an der Front in den Jahren des Krieges zu spüren bekommen hatten, aber, um es zu wiederholen, sie waren als Befehlshaber für die militärischen Operationen an ihren Fronten verantwortlich.

Alle im Generalstab, die FOB und AOB der 1. und  4. Ukrainischen Fronten waren sich bewußt, daß der Frontalangriff über die Karpaten eine äußerst schwierige und verlustreiche Operation war. Das Kräfteverhältnis zwischen den deutschen und sowjetischen Truppen war an diesem Abschnitt etwa gleich; teilweise waren die deutschen Verbände den sowjetischen sogar überlegen. Dennoch gab es keinen anderen Weg, den Aufständischen in der Slowakei zu helfen als den Durchbruch, die Eroberung der Pässe. Am 8. September begann der Angriff der 38. Armee unter Moskalenko, am 9. September der Angriff der 1. Gardearmee unter Gretschko.

Stalin, Konew, der Generalstab, die AOB Moskalenko und Gretschko wußten zu dieser Stunde noch nicht, daß die beiden slowakischen Divisionen, die von Westen die Stellungen der Deutschen an den Pässen in den Karpaten angreifen sollten, durch Verrat bereits entwaffnet worden waren. Der Kommandeur des slowakischen Korps, General Malar, hatte offenen Verrat begangen. Er hatte das faschistische Kommando über die Pläne zur Besetzung der Karpatenpässe informiert und war dann zu ihnen übergelaufen. Malar gehörte zu den Vertrauten von Catlos.

Die Soldaten, bis auf einige Ausnahmen, die zum Partisanenkampf übergegangen waren, hatten keinen wesentlichen Widerstand geleistet, die Waffen niedergelegt und sich den deutschen Truppen ergeben.

Das deutsche Oberkommando konnte nunmehr starke Kräfte „in alle wichtigen Richtungen vorrücken lassen, sich die Pässe und volle Bewegungsfreiheit aus der Tiefe sichern“.156) Die sowjetischen Soldaten und slowakischen Patrioten mußten mit ihrem Blut für diesen niederträchtigen Verrat bezahlen.

Allerdings waren die Hoffnungen der Benesch-Regierung, die sie auf die slowakische Armee gesetzt hatte, damit auch in Nichts zerronnen. Aber was war das gegenüber den Opfern, die von Sowjetsoldaten und slowakischen Aufständischen erbracht werden mußten.

Die Verrätergruppe um Malar hatte zweierlei erreicht, 1. hatten sie den Slowakischen Nationalaufstand isoliert und die Aufständischen den SS-Divisionen ausgeliefert, 2. hatten sie den sowjetischen Truppen beim Frontalangriff über die Karpaten zusätzlich hohe Verluste zugefügt, ihren Vormarsch zwar nicht verhindert, aber verzögert und den faschistischen Truppen die Möglichkeit gegeben, in der Slowakei ihre Verteidigungslinien auszubauen. Aber nicht nur in der Slowakei gab es von Seiten reaktionärer Generale Verrat. Eine merkwürdige Rolle spielte der Kommandeur des in der Sowjetunion aufgestellten 1. Tschechoslowakischen Armeekorps, General Kratochvil, der auf Drängen Benesch’s diese Kommandostelle erhalten hatte. Das 1. Tschechoslowakische Armeekorps nahm am Angriff der 38. Armee am 8. September teil. Aber Kratochvil hatte die Führung des Korps  nicht organisiert. Er hielt sich während des Angriffs 25 Kilometer hinter dem Gefechtsfeld auf, veranstaltete zu diesem Zeitpunkt in seinem Stab Pressekonferenzen mit ausländischen Journalisten und „sprach übermäßig dem aus England mitgebrachten Whisky zu“, wie sich Schtemenko diplomatisch ausdrückte.

Der energische Konew setzte Kratochvil als Kommandeur ab, ernannte Brigadegeneral Ludvik Svoboda zum Kommandeur und benachrichtigte Stalin darüber. Stalin war einverstanden, forderte jedoch, die Absetzung Kratochvils und die Ernennung Svobodas in juristische Form zu bringen, da es sich „um den Truppenkommandeur eines mit der UdSSR verbündeten Landes handle“.157)

Nach harten Kämpfen nahmen am 6. Oktober die Truppen General Svobodas mit dem 67. Schützenkorps der Roten Armee den Dukla-Paß im Sturm. Der tschechoslowakische Soldat betrat den Boden seiner Heimat.158)

Stalin maß dem Tschechoslowakischen Korps „größte politische Bedeutung“ zu. Mehrfach wiederholte er in Beratungen im HQ, es „nicht gegen erfahrene, gut bewaffnete gegnerische Truppen einzusetzen, um ihm hohe Verluste zu ersparen“.

Die „große politische Bedeutung“ des Korps hatte Benesch in London offenbar auch erkannt. Statt Anerkennung für Ludvik Svoboda für die Einnahme des Dukla-Passes, erhob er ungerechtfertigte Vorwürfe gegen ihn wegen der hohen Verluste. Benesch mußte auf Grund seiner Stellung als Präsident über die sehr schwierigen Angriffsbedingungen in den Karpaten informiert gewesen sein. Schließlich hatte er eine Militärmission in Moskau. Der Kriegsminister in der Benesch-Regierung, S. Ingr, sowie einige zivile Persönlichkeiten in militärischen Funktionen, einschließlich des abgesetzten Generals Kratochvil, schalteten sich in die Kampagne gegen Svoboda ein.

General Pika erhielt aus London die Anweisung, das Tschechoslowakische Korps wegen angeblich „fehlender Auffüllung“ aufzulösen. General Svoboda erhielt ein dementsprechendes Telegramm.

Das Korps sollte in einige selbständige Einheiten zerlegt, faktisch zerschlagen werden. Vor allem das Artillerieregiment und die Panzerbrigade des Korps sollten vollständig aufgelöst werden.

Die Absichten der Benesch-Regierung fanden weder im HQ noch im Tschechoslowakischen Korps Unterstützung. Nach der Befreiung der Karpatoukraine, in der es viele Einwohner slowakischer Nationalität gab, konnte das Korps durch Freiwillige aufgefüllt werden.

Das HQ stimmte dem Kriegsrat der 1. Ukrainischen Front zu, das Korps zu erhalten und ergänzte dessen Bestand an Waffen und Technik aus sowjetischen Beständen.159) Damit waren die von der Benesch-Regierung angeführten „Gründe“ für die Auflösung des Korps hinfällig geworden.

Die Forderung der Benesch-Regierung nach Auflösung des Korps war ausschließlich politisch motiviert. Sie erkannte aus ihrem bürgerlichen Klassenverständnis, daß dieses Korps zum Kern einer zukünftigen tschechoslowakischen Volksarmee werden konnte, die für ihre bürgerlichen Klasseninteressen als wichtigstes Repressionsorgan gegen das Volk nicht eingesetzt werden konnte.

Während des ganzen Oktobers 1944 fanden die erbitterten Kämpfe in den Karpaten ihre Fortsetzung. Die Kämpfer des Volksaufstandes konnten sich bis in den späten Herbst gegen die Übermacht der faschistischen deutschen Truppen halten. Wenn der Aufstand auch auf Grund des verantwortungslosen Handelns slowakischer Verräter nicht siegen konnte, die Kämpfe der Partisanen wurden auch nach der Niederschlagung des Aufstandes fortgesetzt.

In Würdigung des Slowakischen Nationalaufstandes, der tapferen Partisanen und Soldaten des 1. Tschechoslowakischen Armeekorps sowie der Sowjetsoldaten der 1. und 4. Ukrainischen Front schrieb Schtemenko:

„Der Aufstand des slowakischen Volkes dauerte bis in den späten Herbst 1944. Es war das bedeutungsvollste politische und militärische Ereignis des tschechoslowakischen nationalen Befreiungskampfes. Ihm gebürt ein Ehrenplatz in der Geschichte der europäischen Widerstandsbewegung. In schwerster Stunde schauten die Aufständischen, vor allem die Kommunisten, unerschrocken dem Tod ins Gesicht und kämpften trotz aller Schwierigkeiten weiter. Im Bewußtsein, daß die Rote Armee ihnen zu Hilfe eilte, hielten sie sich bis zuletzt. Doch die Tage des Aufstands waren gezählt. Durch die Zerschlagung der slowakischen Armee war kostbare Zeit unwiederbringlich verlorengegangen. Wieder einmal hatten die heldenmütigen Aufständischen die Unfähigkeit der Regierung Benesch mit ihrem Blut bezahlen müssen. SS-Divisionen nahmen sie in eine eiserne Zange. Tausende sowjetischer Soldaten, die der Slowakei zu Hilfe geeilt waren und die Karpaten im Frontalangriff gestürmt hatten, fanden in den erbitterten Gefechten den Tod. Erst ein halbes Jahr später, nach siegreich beendetem Befreiungskampf, hielten sowjetische Soldaten mit ihren Waffenbrüdern vom tschechoslowakischen Korps, von der Bevölkerung begeistert begrüßt, ihren Einzug in Prag.“160)

Slovenska Narodna Rada: Die Deklaration zum Aufstandsbeginn*[2]

Sämtliche demokratischen und fortschrittlichen Kräfte des slowakischen Volkes, die den unermüdlichen Kampf gegen das bisherige faschistische Regime in der Slowakei und gegen seine nazistischen deutschen Verbündeten führten, schufen am heutigen Tage den Slowakischen Nationalrat als oberstes Organ des einheimischen slowikischen Widerstandes.

Daher ist der Slowakische Nationalrat allein berechtigt, im Namen des slowakischen Volkes zu sprechen. Er übernimmt mit dem heutigen Tage in der gesamten Slowakei die gesetzgebende und exekutive Gewalt wie auch die Verteidigung der Slowakei. Diese Macht wird bis zu dem Zeitpunkt ausgeübt werden, an dem das slowakische Volk auf demokratische Weise einen legitimen Nachfolger bestimmt.

Der einheimische Widerstand, der bis heute in voller Übereinstimmung mit dem tschechoslowakischen ausländischen Widerstand erfolgte, wird auch weiterhin unseren Kampf in Einheit und Gemeinsamkeit zum Siege führen.

Wir sind für das brüderliche Zusammenleben mit dem tschechischen Volk in einer neuen Tschechoslowakischen Republik. Die verfassungsrechtlichen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Fragen der Republik sollen durch gegenseitiges Übereinkommen der aus dem slowakischen und tschechischen Volk erwählten Vertreter im Geiste der demokratischen Prinzipien, des Fortschritts und der sozialen Gerechtigkeit definitiv geregelt werden.

Neben der politischen Befreiung ist es unser Ziel, den sozial schwächeren Schichten des Volkes, besonders den slowakischen Arbeitern und Bauern, ein schöneres und glückliches Leben zu sichern. Im Interesse der Erhöhung des Lebensstandards des Volkes sind wir für eine gerechtere Aufteilung des Volkseinkommens sowie für eine Neuregelung des Eigentums und des Besitzes an Grund und Boden zugunsten der kleinen Bauern. Der Arbeiter soll entsprechend dem höheren Lebensstandard und gemäß den Ergebnissen seiner Arbeit entlohnt werden.

Entschieden lehnen wir ab und verurteilen wir die antidemokratischen, terroristischen Umtriebe und Tendenzen des gegenwärtigen Volkspartei-Regimes. Das slowakische Volk hatte nichts gemein mit dem Bündnis, das es mit Hitlerdeutschland schmiedete. Im Gegenteil, mit seinem Denken und Fühlen war es seit eh und je auf der Seite der Alliierten, was bei jeder passenden Gelegenheit in der Heimat oder an der Front durch Taten bewiesen wurde. Das slowakische Volk lehnte in Übereinstimmung mit unseren nationalen Traditionen den Verrat der Tiso und Tuka am Slowakentum entrüstet ab, mit dem das Volkspartei-Regime die slowakische Nation in den Kampf gegen das brüderliche russische Volk und die anderen slawischen Völker trieb.

Mit dem heutigen Tage schließt sich die slowakische Nation vor aller Welt den verbündeten Völkern an, die mit ihrem Einsatz und ihren gewaltigen Opfern ein freies, demokratisches Leben allen Völkern dieser Erde und auch unserem kleinen Volk erkämpfen. Mit allen Mitteln wollen wir zur schnellen Beendigung dieses Freiheitskampfes beitragen.

In diesem historischen Augenblick verpflichten wir uns, unserer kämpfenden slowakischen Armee und den Partisanen jede moralische und materielle Hilfe zu gewährleisten. Wir rufen das ganze Volk zu den Waffen und zum Kampf gegen unsere Erbfeinde und ihre hiesigen Helfershelfer, damit sich alle Slowaken in einer freien Tschechoslowakischen Republik ein Leben nach ihrem Willen einrichten können.

Es lebe unsere gerechte Sache!

Ruhm der Tschechoslowakischen Republik!

 

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Befreiung Wiens

Wien und Berlin, das waren die Hauptrichtungen der sowjetischen Streitkräfte in der Endphase des Krieges. Die Bestimmung dieser Hauptrichtungen erfolgte in erster Linie aus politischen Gründen. Die politische Bedeutung der Einnahme der beiden Hauptstädte durch die eigenen Gruppen war nicht nur Stalin, sondern auch Churchill und, wenn auch in  geringerem Maße, Roosevelt klar. Für Roosevelt betraf dies vor allem Wien, was dem amerikanischen Präsidenten zum Ärger Churchills nicht so bedeutsam erschien. Diese Frage war ihm „so bedeutungsvoll“, daß er sich persönlich an Roosevelt wandte:

„Es ist ganz offenbar, daß die alliierten Armeen im Norden und im Zentrum jetzt rücksichtslos und ohne sich irgendwie ablenken zu lassen mit der allergrößten Schnelligkeit zur Elbe marschieren müssen. Bisher zielte unser Vormarsch auf Berlin. Jetzt will General Eisenhower auf Grund seiner Einschätzung des feindlichen Widerstandes, deren großes Gewicht ich durchaus anerkenne, die Vormarschrichtung weiter nach Süden verlagern, um auf Leipzig und vielleicht noch südlicher nach Dresden zu zielen. Ich sage ganz offen, daß Berlin immer noch große strategische Bedeutung zukommt. Nichts wird in den noch widerstehenden deutschen Kräften solche Verzweiflung hervorrufen wie der Fall Berlins. In ihm sähe das deutsche Volk das Fanal seiner Niederlage. Andererseits wird es den Widerstand aller waffentragenden Deutschen anfeuern, solange das deutsche Banner über Berlin weht und sich die Ruinenstadt gegen eine russische Belagerung behauptet.

Es gibt noch einen weiteren Gesichtspunkt, den Sie und ich im Auge behalten müssen. Zweifellos werden die russischen Armeen in Wien einmarschieren und ganz Österreich überrennen. Wenn sie auch noch Berlin nehmen, müssen dann die Russen nicht den Eindruck gewinnen, zu unserem gemeinsamen Sieg in überwältigender Weise beigetragen zu haben, und wird sich dieser Eindruck nicht so ungebührlich in ihrem Denken festsetzen, daß sie dadurch in eine Stimmung geraten, die für die Zukunft die größten und ernstesten Schwierigkeiten erwarten läßt? Es ist daher meine Meinung, daß wir vom politischen Standpunkt aus so weit wie nur möglich nach dem Osten Deutschlands vormarschieren und Berlin unbedingt nehmen müssen, sollte es in unserem Zugriff liegen. Aber auch vom militärischen Standpunkt aus erscheint mir das vernünftig und richtig.“161)

Churchill gab zu verstehen, daß nach den Kungeleien von SS-Oberstgruppenführer Kurt Wolff, Befehlshaber der SS-Truppen in Italien, mit dem Chef des US-Geheimdienstes, Allen Dulles, am 8. März 1945 in Zürich eine „Teilkapitulation“ der deutschen Truppen in Italien durchaus wünschenswert gewesen wäre, doch „die Verhältnisse, die sind nicht so!“ (Brecht) Ihm wäre „sofort klar“ gewesen, „daß eine Teilkapitulation im Süden das Mißtrauen der russischen Regierung hervorrufen könnte, versetzte sie doch unsere Armeen in die Lage, gegen bedeutend geringeren Widerstand bis Wien und darüber hinaus, ja sogar bis zur Elbe oder Berlin vorzustoßen.“162)

Schließlich klagte er noch im Nachhinein über die Mißachtung Roosevelts seiner „Balkanvariante“, durch eine Offensive in Oberitalien über die Leibacher Senke „vor den Russen“ in Wien zu sein, indem er räsonierte: „Unsere Chance, den Russen hier zuvorzukommen, hatten wir vor acht Monaten preisgegeben, als wir die Streitkräfte Alexanders (Kommandierender General der alliierten Streitkräfte in Italien, UH) zugunsten der Landung in Südfrankreich beschnitten hatten. Die Russen setzten sich nach einem Zangenangriff von Osten und Süden am 13. April in den Besitz der Stadt.“163)

Churchill hatte in seinem Lamento allerdings wieder die Reaktionsfähigkeit des sowjetischen Oberkommandos auf Veränderungen an den Fronten außer acht gelassen. Die Initiative im Krieg gegen das faschistische Deutschland hatte das sowjetische Oberkommando; die Hauptfront, an der die Entscheidungen fielen, war die deutsch-sowjetische Front, nicht die Front in Oberitalien. Wien hatte jedoch nicht nur enorme politische Bedeutung, sondern auch militärstrategische. Hitler plante, Süddeutschland, die westlichen Teile der CSR sowie Österreich zur „Alpenfestung“ auszubauen um dort - ja, auf was? - auf das „Mirakel des Hauses Brandenburg“? -, auf ein Auseinanderfallen der Antihitlerkoalition zu warten. Nicht zuletzt aus dieser politisch wie militärisch unsinnigen Idee erklärt sich der starke Widerstand der deutschen Truppen gegenüber den sowjetischen Armeen in Ungarn, Österreich und in der CSR.

Der Besitz von Wien nahm dabei eine Schlüsselstellung ein.

1945 befanden sich in Österreich 600 Rüstungsbetriebe. Die Jahresproduktion betrug 9.000 Flugzeuge, 17.000 Motore, etwa 850 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, über 1.000 Geschütze sowie eine ansehnliche Menge an anderem Kriegsmaterial und Munition.

1.500.000 Österreicher waren in die deutsche Wehrmacht eingezogen, bzw. „integriert“ worden. Österreich stellte 35 Divisionen, die bis zu 80 Prozent aus Österreicher bestanden. 17 Divisionen waren an der deutsch-sowjetischen Front eingesetzt.164)

Große Teile des österreichischen Volkes standen unter dem Einfluß der faschistischen Propaganda. Die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) hat vom ersten Tag der Annexion an einen opferreichen Widerstand gegen die deutschen und österreichischen Faschisten geleistet. Die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) schloß sich dem Widerstand gegen die Faschisten nicht an. Die antifaschistischen Kräfte im Lande waren insgesamt zu schwach, um einen im Vergleich zu anderen besetzten Ländern nennenswerten Widerstand zu leisten.

Schtemenko berichtet über einen geplanten Aufstand von zwei Reserveinfanterieregimentern und einer Batterie, dem sich etwa 1.200 Angehörige anderer Truppenteile und etwa 20.000 Einwohner Wiens anschließen wollten. Leiter des Aufstandes war Major Sokoll. Er hatte Kontakte zum Stab des Oberkommandos der 3. Ukrainischen Front hergestellt. Der Beginn des Aufstandes war auf den 6. April, 12.30 Uhr, festgelegt, zeitgleich mit dem Beginn des Sturmes der sowjetischen Armeen auf Wien. Doch es kam nicht dazu. Durch Verrat hatten die Faschisten die Widerstandsgruppe um Major Sokoll entdeckt, deren Führer noch am Morgen des 6. April verhaftet und hingerichtet. So kam der geplante Aufstand nicht zustande.165)

Für Stalin war Österreich ein von den deutschen Faschisten völkerrechtswidrig annektierter Staat. Er betrachtete Österreich nicht als Feindstaat, obwohl ihm bekannt war, daß die österreichischischen Faschisten mit den deutschen gemeinsame Sache gemacht hatten.

Im Unterschied zu den Regierungen Frankreichs und Großbritanniens, die die Annexion Österreichs am 12. März 1938 gebilligt und damit den deutschen Faschisten eine strategisch vorteilhafte Ausgangsbasis für eine Aggression gegen die Sowjetunion, die Balkanstaaten und die CSR eingeräumt hatten, hatte die Regierung der UdSSR die Annexion verurteilt. Am 17. März schlug sie allen Großmächten vor, eine internationale Konferenz einzuberufen um die entstandene Lage zu erörtern. In einer offiziellen Erklärung an die Westmächte wies sie auf deren Verantwortung für die Erhaltung des Friedens in der Welt hin: „Morgen kann es schon zu spät sein, heute aber ist dazu noch Zeit, wenn alle Staaten, vor allem die Großmächte, eine feste und unzweideutige Position in bezug auf das Problem der kollektiven Rettung der Welt beziehen.“166)

Allerdings hatte die britische Regierung unter Premierminister Chamberlain eine „unzweideutige Position“ bezogen, nämlich Hitler zur Aggression zu ermuntern. Ob die Sowjetregierung den Inhalt eines Gesprächs zwischen Hitler und dem britischen Außenminister Halifax vom 19. November 1937 kannte, muß ich offen lassen. Die Niederschrift dieses Gesprächs wurde 1948 vom Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten veröffentlicht. Daraus geht klar hervor, „daß Halifax im Auftrage der britischen Regierung Hitler eine Art Allianz auf der Grundlage eines ‘Viererpakts’ anbot und ihm ‘freie Hand’ in Mittel- und Osteuropa zusicherte. Unter anderem erklärte Halifax, daß in Europa keine Änderungsmöglichkeit des bestehenden Zustandes ausgeschlossen sein sollte, und präzisierte, ‘zu diesen Fragen gehöre Danzig, Österreich und die Tschechoslowakei.’“166a)

Selbst nach Beginn des zweiten Weltkrieges änderte sich die Haltung gegenüber Österreich nicht. In einer Erklärung vom 9. November 1940 ließ Churchill, seit Mai 1940 Premierminister der Kriegskoalitionsregierung, die Frage nach dem Schicksal Österreichs offen.

Churchills Bestrebungen liefen 1943 auf die Wiederherstellung einer Donaumonarchie hinaus. Auf der Moskauer Außenministerkonferenz der USA, Großbritanniens und der UdSSR (19. - 30. Oktober 1943) wies Molotow die Pläne Churchills zur Schaffung von diversen „Föderationen“ oder „Konföderationen“ entschieden zurück. Bezüglich Österreichs konnte die sowjetische Delegation die Annahme der „Deklaration über Österreich“ nach harten Auseinandersetzungen durchsetzen, worin die Befreiung Österreichs von der deutschen Herrschaft festgeschrieben wurde. Darin hieß es, daß die drei Mächte „ein freies und unabhängiges Österreich wiederhergestellt zu sehen wünschen.“167)

Die Sowjetregierung hielt sich an diese Deklaration, während Churchill immer wieder versuchte, seine „Föderationspläne“ durchzusetzen, wobei er sich auf konservative Kreise der österreichischen Bourgeoisie stützte.

Die Frage nach der Zukunft Österreichs war Gegenstand einer harten Klassenauseinandersetzung innerhalb und außerhalb der Antihitlerkoalition.

In seiner Rede zum 26. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution am 6. November 1943 hatte Stalin unmißverständlich erklärt, die Völker Europas von den faschistischen Okkupanten zu  befreien, ihnen zu helfen, ihre nationalen Staaten wiederherzustellen. Die Völker Frankreichs, Belgiens, Jugoslawiens, der Tschechoslowakei, Polens, Griechenlands und der anderen Staaten müssen „wieder frei und selbständig werden.“ Den befreiten Völkern ist „das volle Recht und die Freiheit einzuräumen, selbst die Frage ihrer staatlichen Ordnung zu entscheiden.“168)

In angespannten Kämpfen gingen die Truppen der 2. und 3. Ukrainischen Front aus dem Raum nördlich des Balaton in Westungarn Richtung Wien vor: Die 3. Ukrainische Front über Pápa - Sopron - Wiener Neustadt - Wien, die 2. Ukrainische Front südlich und nördlich der Donau Richtung Györ. Am 4. April befreiten Truppen der 2. Ukrainischen Front Bratislava.

Bis zum 5. April hatten die Armeen der 2. und 3. Ukrainischen Front Wien eingeschlossen. Am 6. April begann der Sturm, bis zum 13. April war Wien von den deutschen Okkupanten befreit.

Während der Planung der Wiener Operation im HQ fragte Stalin: „Wo befindet sich eigentlich jetzt dieser Sozialdemokrat Renner, einer der Schüler Kautskys? Er gehörte jahrelang zur Führung der österreichischen Sozialdemokratie und war, soviel ich weiß, Präsident des letzten österreichischen Parlaments... Einflußreiche Kräfte, die gegen den Faschismus Stellung bezogen haben, darf man nicht übergehen, ...Hitlers Diktatur wird auch die Sozialdemokraten einiges gelehrt haben.“169)

Renner war für Stalin nämlich kein Unbekannter. Als sich Stalin 1912/13 in Wien aufhielt, hatte er seinen Artikel „Marxismus und Nationale Frage“ geschrieben, veröffentlicht in der Zeitschrift „Prostweschtschenije“ (Die Aufklärung) unter dem Titel „Nationale Frage und Sozialdemokratie.“ In dieser Arbeit setzte sich Stalin mit den führenden Austromarxisten Otto Bauer und Karl Renner auseinander, darunter mit Renners Schrift „Das nationale Problem“ von 1909, in der Renner die Nation als „Kulturgemeinschaft“ definierte und für diese eine Autonomie forderte. Renner publizierte diese Schrift unter dem Pseudonym Rudolf Springer. In seinem Artikel nennt Stalin denn auch nur das Pseusonym R. Springer.169a)

Stalin erteilte dem Kriegsrat der 3. Ukrainischen Front den Befehl, Recherchen nach dem Verbleib von Renner einzuleiten.

Im Juni 1944 hatten leitende Funktionäre der KPÖ das Volk zum Kampf gegen den Faschismus aufgerufen. Im Oktober 1944 erhielt das HQ Angaben über örtliche, doch „ernste Gefechte“ österreichischer Partisanen gegen deutsche Truppen. In Jugoslawien habe sich das 1. Freiheitsbataillon aus österreichischen Partisanen und ehemaligen Gefangenen gebildet, das sich an den Kämpfen gegen die Faschisten beteiligt hatte. Zu Beginn des Jahres 1945 habe es weitere Gefechte österreichischer Partisanen gegeben, seien noch zwei weitere Freiheitsbataillone gebildet worden. Es lagen im HQ jedoch keine Nachrichten über einen antifaschistischen Kampf österreichischer bürgerlicher Politiker vor.170)

Renner hatte sich im Stab der 103. Gardeschützendivision der 3. Ukrainischen Front gemeldet und seine Mitwirkung bei der Bildung einer provisorischen österreichischen Regierung für die Dauer des Krieges angeboten und versichert, daß keine Nazis in das Abgeordnetenhaus kämen. Renner meinte, daß die Wiener Bevölkerung zu neun Zehntel gegen die Faschisten, doch durch Repressalien und die anglo-amerikanischen Bombenangriffe „verschreckt und zu aktivem Handeln unfähig“ seien. Die Sozialdemokratie habe keine Maßnahmen ergriffen, um den Kampf der Bevölkerung gegen die Faschisten zu organisieren.171)

Nach Eingang der Meldung dieses Vorgangs im HQ diktierte Stalin ein Fernschreiben an den Kriegsrat der 3. Ukrainischen Front: „1. Karl Renner das Vertrauen auszusprechen; 2. ihm mitzuteilen, daß das Oberkommando der sowjetischen Truppen ihn bei der Wiederherstellung eines demokratischen Regimes in Österreich unterstützen werde; 3. Renner zu erklären, daß die sowjetischen Truppen nicht in Österreich einmarschiert seien, um dessen Territorium an sich zu reißen, sondern um die Faschisten zu vertreiben.“172)

Das HQ faßte den Beschluß, im Namen der 3. Ukrainischen Front die Wiener Bevölkerung zum Widerstand gegen die Faschisten aufzurufen, vor allem die Faschisten an der Zerstörung der Stadt zu hindern. Die Sowjetregierung veröffentlichte eine Erklärung an die Bürger Wiens. Darin hieß es:

„Die Sowjetregierung verfolgt nicht das Ziel, irgendeinen Teil des österreichischen Territoriums an sich zu reißen oder die soziale Ordnung Österreichs zu ändern. Die Sowjetregierung steht auf dem Standpunkt der Moskauer Deklaration der Verbündeten über die Unabhängigkeit Österreichs. Sie wird diese Deklaration verwirklichen und zur Beseitigung des faschistischen Besatzungsregimes sowie zur Wiederherstellung der demokratischen Ordnung und der demokratischen Institutionen in Österreich beitragen. Das Oberkommando der Roten Armee hat den sowjetischen Truppen befohlen, die österreichische Bevölkerung in dieser Angelegenheit zu unterstützen.“173)

Der FOB der 3. Ukrainischen Front, Marschall Tolbuchin, veröffentlichte am 6. April einen Aufruf an die Einwohner Wiens:

„Die Rote Armee ist nicht in Österreich einmarschiert, um sich österreichisches Territorium anzueignen, sondern ausschließlich mit dem Ziel, die gegnerischen faschistischen Truppen zu zerschlagen und Österreich von deutscher Abhängigkeit zu befreien... Die Rote Armee kämpft gegen die deutschen Okkupanten, nicht aber gegen die Bevölkerung Österreichs, die unbesorgt ihrer friedlichen Arbeit nachgehen kann.“

Für Wien sei die Stunde der Befreiung gekommen. Wien drohe vom zurückweichenden Gegner „gewaltige Zerstörungen und Kriegsschrecken“. Die Wiener sollen ihre Stadt nicht verlassen, ihre historischen Bauwerke und Kulturdenkmäler schützen, den Gegner an der Zerstörung der Stadt hindern.

„Bürger Wiens! Helft der Roten Armee bei der Befreiung der Hauptstadt Österreichs, tragt Euren Teil zur Befreiung Österreichs vom faschistischen Joch bei.“174)

Karl Renner begann mit Maßnahmen zur Bildung einer provisorischen Regierung. In einem Brief an Stalin vom 15. April, mit der Anrede „Genosse“ schrieb er, daß es ihm bisher nicht gelungen sei, ihn, den „werten Genossen“, „persönlich kennenzulernen...“

„Die Rote Armee fand mich und meine Familie während ihres Angriffs in meinem Wohnort Gloggnitz bei Wiener Neustadt, wo ich mit Parteigenossen vertrauensvoll ihr Kommen erwartete. Das örtliche Kommando behandelte mich mit großem Respekt, stellte mich sofort unter seinen Schutz und gab mir die volle Bewegungsfreiheit wieder, auf die ich in der Zeit des Faschismus eines Dollfuß und Hitler schweren Herzens verzichten mußte. Dafür in meinem, wie im Namen der Arbeiterklasse, meinen aufrichtigen untertänigen Dank an die Rote Armee und Sie, ihren ruhmreichen Obersten Befehlshaber...

Das Schicksal hat es gewollt, daß ich der erste unter den im Lande gebliebenen Mitgliedern des Parteivorstands der Sozialdemokratischen Partei bin, dem die Handlungsfreiheit zurückgegeben wurde. Dazu kommt der glückliche Umstand, daß ich als letzter Präsident der ehemaligen freien Volksregierung mich für berechtigt halten darf, im Namen des österreichischen Volkes aufzutreten. Weiter spricht für mich, daß man mich als ersten Kanzler der Republik Österreich mit der Umbildung der staatlichen Grundlagen und Organisierung der öffentlichen Verwaltung betraute und man mir deshalb die Aufgabe der Wiedererweckung Österreichs anvertrauen kann...

Ohne die Hilfe der Roten Armee hätte ich keinen Schritt tun können. Deshalb werden nicht nur ich selbst, sondern die ganze künftige ‘Zweite Republik Österreich’ und ihre Arbeiterklasse Ihnen, Herr Marschall, und Ihrer siegreichen Armee ewig dankbar sein...

Da Hitlers Regime uns zu völliger Hilflosigkeit verurteilt hat, werden wir bei der Umgestaltung Europas als Bittende vor den Toren der Großmächte stehen. Ich ersuche Sie schon heute um Ihr Wohlwollen Österreich gegenüber im Rat der Großen und, soweit die tragischen Umstände es zulassen, um Ihren mächtigen Schutz. Hunger und Seuchen sowie Gebietsverluste bei Verhandlungen mit den Nachbarn drohen uns. In unseren steinigen Alpen gibt es wenig urbaren Boden, der uns nur spärliche tägliche Nahrung gibt. Wenn wir jetzt noch einen Teil unseres Gebiets verlieren, sind wir nicht mehr lebensfähig. Die Sieger werden uns nicht zu einem Bettlerdasein verurteilen wollen. Im Jahre 1919 versäumte der Westen aus mangelndem Interesse, uns die Voraussetzungen für eine selbständige Existenz zu sichern...

Die großartige Machtentfaltung Rußlands hat unserem Volk die Augen über die zwanzigjährigen Lügen der nationalsozialistischen Propaganda geöffnet und es mit Bewunderung für die großartigen Erfolge der Sowjetunion erfüllt. Grenzenlos ist vor allem das Vertrauen der österreichischen Arbeiterklasse zu den Sowjetrepubliken. Die österreichischen Sozialdemokraten werden sich brüderlich mit der Kommunistischen Partei einigen und gleichberechtigt bei der Wiederherstellung der Republik zusammenarbeiten.“

In Stalins Antwortbrief hieß es:

„Ich danke Ihnen, sehr verehrter Genosse, für Ihre Botschaft vom 15. April. Seien Sie versichert, daß Ihre Sorgen um die Unabhängigkeit, Integrität und das Wohlergehen Österreichs auch die meinen sind.“ Stalin versprach, Österreich „nach Kräften zu unterstützen.“175) 

Bleibt zu bemerken, daß Stalin Wort hielt und Österreich materiell und politisch unterstützte. So förderten die sowjetischen Militärbehörden auf Befehl Stalins den Aufbau einer zivilen Stadtverwaltung in Wien. Das HQ wies Marschall Tolbuchin an, dafür zu sorgen, daß sich „angesehene österreichische Persönlichkeiten über die Wahl eines Bürgermeisters einigen und geben Sie Ihre Zustimmung.“ In General Körner, ebenfalls Sozialdemokrat und Antifaschist, der von den sowjetischen Truppen aus faschistischer Gefangenschaft befreit worden war, hatten die Persönlichkeiten Wiens eine geeignete Persönlichkeit gefunden. Unter Mitwirkung österreichischer Behörden wurde Körner zum Bürgermeister von Wien gewählt, mit dem der sowjetische Militärkommandant von Wien, General Blagodatow, eng und vertrauensvoll zusammenarbeitete.176)

Die sowjetische Militärkommandantur hat der österreichischen Verwaltung vielfältige Unterstützung gegeben, das zivile Leben wiederherzustellen.

Sowjetische Pioniere bauten die für den Verkehr sehr wichtige Nordwest- und Südbrücke über die Donau in der Nähe von Wien wieder auf. Die sowjetische Donauflottille räumte das Fahrwasser des österreichischen Teils der Donau von Minen, hob 128 gesunkene Schiffe und reparierten 30 Prozent der Hafenkräne und andere Anlagen an der Donau.

Sowjetische Pioniere stellten 1719 Kilometer zerstörter Eisenbahngleise, 45 Eisenbahnbrücken und 27 Depots wieder her. Sie halfen österreichischen Eisenbahnern bei der Reparatur von 300 Personen- und  rund  10.000 Güterwagen. Sie reparierten Wasserleitungen und Werksausrüstungen, brachten in Wien den Straßenbahnverkehr wieder in Gang, bauten Krankenhäuser und Schulen wieder auf.

Obwohl die Bevölkerung der Sowjetunion durch die Kriegszerstörungen selbst Mangel an Lebensmitteln hatte und zum Teil von Hungerrationen leben mußten, lieferte die 3. Ukrainische Front auf Weisung der Sowjetregierung aus eigenen Beständen der Wiener Bevölkerung nach dem Ende der Kampfhandlungen bis zum l. Mai 7.000 Tonnen Getreide, 500 Tonnen Mais, 1.000 Tonnen Bohnen, 1.000 Tonnen Erbsen, 200 Tonnen Pflanzenfett, 300 Tonnen Butter, 200 Tonnen Zucker, 200 Tonnen Salz, 100 Tonnen Ölfrüchte und andre Produkte.

Am 23. Mai beschloß das Staatliche Verteidigungskomitee weitere Lebensmittellieferungen für die Wiener Bevölkerung. Jeder Einwohner erhielt als Tagesration 300 Gramm Brot, 50 Gramm Graupen, 30 Gramm Fleisch, 10 Gramm Fett, 20 Gramm Zucker, pro Monat 50 Gramm Kaffee, 400 Gramm Salz.

In den ersten fünf Monaten nach der Befreiung Österreichs wurde die Bevölkerung Wiens ausschließlich mit Lebensmitteln aus Beständen der Roten Armee versorgt. Im ersten Nachkriegsjahr lieferte die UdSSR nach Österreich: 67.585 Tonnen Mehl, 16.375 Tonnen Graupen, 5.436 Tonnen Zucker, 33.162 Tonnen Kartoffeln, 7.683 Tonnen Fleisch, 1.937 Tonnen Fette und 434 Tonnen Kaffee. Die Lebensmittelhilfe umfaßte insgesamt 132.612 Tonnen.177)

Diese Lieferungen mögen aus heutiger Sicht, unter heutigen Lebensbedingungen in den technisch hochentwickelten kapitalistischen Staaten gering erscheinen, 1945, in der Endphase des Krieges und unmittelbar nach Abschluß der Kampfhandlungen waren diese Lieferungen nach der von den Faschisten auf ihrem Rückzug betriebenen Politik der „verbrannten Erde“ der Westgebiete der UdSSR bis an den Kaukasus, an die Wolga und Karelien, nach hohen Menschenverlusten eine gewaltige, uneigennützige Leistung der Völker der Sowjetunion, die lange Zeit noch nach dem Kriege auf für sie lebenswichtige Güter verzichten mußten. Die Hilfe der Sowjetunion entsprach den Prinzipien des proletarischen Internationalismus. Karl Renner hatte damals anerkannt, „daß ohne die ununterbrochene Hilfe, die vom Oberkommando der Roten Armee gewährt wurde, es nicht möglich gewesen wäre, die Schwierigkeiten zu überwinden.“178)

Mochte Renner als alter sozialdemokratischer Theoretiker und Politiker in manchen Grundfragen andere Positionen vertreten als die Sowjetregierung und Stalin, an der Aufrichtigkeit dieser Worte ist nicht zu zweifeln. Renner gehörte nicht zu den eingefleischten Antikommunisten, und er mochte, wie Stalin meinte, „nach Hitler einiges gelernt haben“.

Aber es gab auch anderes. Die österreichische Gesellschaft war eine Klassengesellschaft, und in bürgerlichen Kreisen hätte man es lieber gesehen, von den Amerikanern und Briten befreit zu werden, um die alten Macht- und Eigentumsverhältnisse zu sichern.

In der von Renner gebildeten provisorischen Regierung waren auch Kommunisten, was den konservativen Politikern in der Regierung nicht gefiel. Zu diesen konservativen Politikern gehörte offenbar der österreichische Außenminister Huber, der sich bei der sowjetischen Militärverwaltung beschwerte, daß sie in den Betrieben der Donau-Schiffahrtsgesellschaft die Gehälter des Personals um 10 bis 15 Prozent erhöht, zusätzliche Lebensmittelpakete an das Personal verkauft und auf der Schiffswerft in Klosterburg wieder Arbeiter eingestellt habe, für die „sehr hohe Löhne festgelegt“ worden waren.

Der politische Vertreter der UdSSR in Österreich, E. Kisseljow, antwortete höflich, aber auch sehr bestimmt: „Bezugnehmend auf Ihre Eingabe, daß die sowjetischen Militärbehörden höhere Lebensmittelnormen festgelegt und die Löhne eines Teiles der Arbeiter und Angestellten erhöht haben, teile ich mit, das sowjetische Oberkommando konnte im Interesse des schnellsten Wiederaufbaus dieser Betriebe und deren normaler Wiederinbetriebnahme nicht die von den deutschen Faschisten festgelegten Hungerrationen und die äußerst niedrigen Löhne beibehalten.“179)

Es ging hierbei nicht um die ökonomische Frage, ob die genannten höheren Löhne und Gehälter vertretbar waren, auch nicht um die Frage der Kompetenzen, der Selbstverwaltung der österreichischen Regierung und die Beschränkung des sowjetischen Oberkommandos auf die rein militärischen Belange des Krieges im Frontbereich. Letzteres war ein Grundprinzip der sowjetischen Politik in den von sowjetischen Truppen befreiten Ländern.

In dieser Auseinandersetzung wurden die beiden Klassenlinien sichtbar, die revolutionär-demokratische (noch gar nicht sozialistische!) und die restaurativ-konservative. Letztere fand ja dann auch ihre Unterstützung durch die US-amerikanische und britische Besatzungsmacht, die die alten bürgerlichen Verhältnisse auch vor den geringsten Ansätzen einer über die bürgerlich-parlamentarische Demokratie hinausführender Demokratisierung sicherten. Erst nach der Befreiung Wiens konnte das sowjetische Oberkommando in Erfahrung bringen, daß mit Wissen und Hilfe des Chefs des US-Geheimdienstes, Allan Dulles, eine Widerstandsbewegung „Österreich erwache!“ von höchst zweifelhaften Gestalten geschaffen worden war, die auch die Führung der Aufstandsgruppe um Major Sokoll an die Faschisten verraten hatte. Unmittelbares Ziel dieser reaktionären Gruppe war, die Macht nach der Befreiung an sich zu reißen, die Kommunisten zu isolieren und durch Verbreitung verleumderischer Gerüchte über sowjetische Soldaten die Rote Armee in den Augen der Bevölkerung zu diffamieren.

Am 15. April, zwei Tage nach der Befreiung Wiens, versuchten Vertreter dieser Gruppe die Unterstützung des sowjetischen Stadtkommandanten sowie ihre Anerkennung als einzige legitime „Widerstandsbewegung“ zu erlangen, womit sie die in solchen merkwürdigen Angeboten erfahrene Militärbehörde veranlaßte, sich die „Freiheitskämpfer“ dieser „Widerstandsbewegung“ etwas näher anzusehen. Zu deren Führern gehörten ein Baron, der in der Wehrmacht gedient hatte, ein Prinz, ebenfalls Wehrmachtsoffizier, und einige andere dubiose Gestalten, die Vorläufer des „Kalten Krieges“.180)

Es muß nicht besonders hervorgehoben werden, daß es keine Anerkennung dieser „Widerstandsbewegung“ von der sowjetischen Kommandantur gab. Sie arbeitete mit der Regierung Renners und den Wiener Behörden zusammen.

Ende April, Anfang Mai erreichten die sowjetischen Truppen die Linie Linz - Hieflau - Klagenfurt, wo die Begegnung mit den amerikanischen Truppen stattfand. Als sich am 5. Mai US-Panzerspähwagen dem KZ Mauthausen näherten, kam es zu einem Aufstand der Insassen gegen die SS-Wachtruppen. Unter Führung des sowjetischen Majors A.I. Pirogow und dem österreichischischen Oberst Codre lieferten sie der SS harte Kämpfe. Am 7. Mai trafen US-Truppen in Mauthausen ein. Damit war der Kampf gegen die SS entschieden/ die Insassen des Todeslager hatten ihre Freiheit gewonnen.

Im Kampf um die Befreiung Österreichs sind 26.000 sowjetische Soldaten und Offiziere gefallen.181)

 

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Finnland

Anfang Februar 1944 nahm das HQ am Nordabschnitt der deutsch-sowjetischen Front eine Umgruppierung vor. Die Wolchowfront wurde aufgelöst, ihre Truppen der Leningrader Front übergeben. General Merezkow war bis dahin FOB der Wolchowfront. Wie er schrieb, hatte er mehrfach den Wunsch geäußert, in der Westrichtung eingesetzt zu werden, ein Wunsch, den nicht wenige sowjetische Generale äußerten. Sie wünschten, in der Hauptrichtung eingesetzt zu werden, um dabei zu sein, den Faschismus in seiner eigenen Höhle zu zerschlagen. Nach den Verwüstungen, die die deutschen Faschisten in dem bis dahin dreijährigen Krieg in ihrer Heimat angerichtet hatten, den Opfern, die die Sowjetvölker hatten bringen müssen, um ihr Land von den Okkupanten zu befreien, ein verständlicher Wunsch.

So war Merezkow enttäuscht, daß das HQ ihn zum FOB der Karelischen Front ernannt hatte.

Mitte Februar nach Moskau ins HQ bestellt, teilte ihm Stalin die Gründe mit, warum das HQ ihn zum Oberbefehlshaber der Karelischen Front berufen habe: „Sie kennen die Nordwestrichtung und sind in der Durchführung von Angriffsoperationen unter den komplizierten Bedingungen des Wald-Sumpf-Geländes erfahren. Hinzu kommt, daß Sie schon in den Jahren 1939 und 1940 im sowjetisch-finnischen Krieg die Armee in der Wyborger Richtung befehligten und die Mannerheimlinie durchbrachen. Einen Mann, der die Besonderheiten dieses Kriegsschauplatzes nicht kennt und keine Erfahrungen in Kampfhandlungen in Karelien und im Polargebiet hat, zum Oberbefehlshaber der Karelischen Front zu ernennen, empfiehlt sich nicht. Es würde zuviel Zeit kosten, die Zerschlagung des Gegners mit einem anderen Oberbefehlshaber zu organisieren, der erst umlernen müßte. Und wir haben keine Zeit.“182)

Diesen Argumenten war nichts entgegenzusetzen.

Stalin und Merezkow kannten sich schon seit 1920. Der damals einundvierzigjährige Stalin, Mitglied des „Revolutionären Kriegsrates“ der Südwestfront gegen die Weißpolen Pilsudskis, die vorübergehend Kiew eingenommen hatten, traf den fünfundzwanzigjährigen Merezkow, Mitglied des Stabes beim Oberbefehlshaber Jegorow, in einem Sonderzug. Stalin wünschte mit mit den Mitarbeitern Jegorows zu sprechen. Im Gespräch ging es um Pferde.

„Verstehen Sie mit Pferden umzugehen?“ fragte Stalin.

„Wir sind alle kavalleristisch ausgebildet, Genosse Mitglied des Revolutionären Kriegsrates.“

„Dann wissen Sie also, mit welchem Bein man sich in den Sattel schwingt?“

„Das macht jeder, wie er es gewohnt ist. Spezialisten gibt es auf allen Gebieten.“

„Wissen Sie aber auch, wie man einem Pferd beim Satteln mit der Faust die Luft aus dem Leib klopft, damit es sich nicht aufbläht und der Reiter beim Anziehen des Sattelgurtes täuscht?“

„Wir denken schon.“

„Doch Spaß beiseite, Genossen. Wir müssen schleunigst die Stäbe der Ersten Reiterarmee verstärken. Zu diesem Zweck schickt man euch zu ihr. Für einen, der nichts von Pferden versteht, ist bei der Reiterarmee kein Platz!“183)

Die Frage nach den Pferden mochte nach den Erfahrungen des ersten Weltkrieges, dem Stellungskrieg im Westen, dem Einsatz von Tanks und Flugzeugen anachronistisch erscheinen. Die Kavallerie, die an der Westfront sich als wenig nützlich erwies, hatte auf dem weiten Territorium Rußlands, wo es im Bürger- und Interventionskrieg keine festen Fronten, keinen Stellungskrieg gab, noch eine große strategische Bedeutung. In einigen Fällen war ihr Einsatz entscheidend für den Ausgang der Schlacht. Um vorzugreifen, selbst nach Ende des Großen Vaterländischen Krieges hielt Stalin eine zahlenmäßig begrenzte Kavallerie zur Überwachung der ausgedehnten Landgrenzen in unwegsamem Gelände der UdSSR für nützlich. Die für den heutigen Leser primitiv anmutenden Fragen Stalins erklären sich aus dem Bildungsstand der Mehrheit der Bevölkerung des ehemaligen russischen Zarenreiches: etwa 85 Prozent Analphabethen, in den mittelasiatischen Gebieten etwa 90 Prozent. Stalin verstand es, sich einfachen Menschen gegenüber verständlich auszudrücken.

Ob Stalin dem jungen Merezkow damals schon besondere Aufmerksamkeit zugewandt hatte, ist wenig wahrscheinlich. Stalin hatte jedoch ein ausgezeichnetes Personengedächtnis. Nach dem Kriege konnte er sich noch an dieses erste Zusammentreffen mit Merezkow erinnern.

Der nördliche Kriegsschauplatz war für Merezkow kein Neuland.

Da die komplizierten sowjetisch-finnischen Beziehungen wenig bekannt sind und in der bürgerlichen und revisionistischen Geschichtsschreibung mit antisowjetischer Tendenz entstellt reflektiert werden, scheint mir ein Exkurs zum besseren Verständnis des Krieges an der Leningrader und Karelischen Front gerechtfertigt.

 

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Exkurs

Nicht nur Finnland, sondern die skandinavische Halbinsel insgesamt ist von wirtschaftlicher und militärstrategischer Bedeutung. Finnland und Skandinavien gerieten schon vor dem ersten Weltkrieg ins Visier der Generalstäbe Großbritanniens und des kaiserlichen Deutschlands. Finnland war Bestandteil des zaristischen Rußlands.

Vom 12. Jahrhundert bis ins 18. Jahrhundert war Finnland von Schweden besetzt. Mitte des 18. Jahrhunderts trat Rußland auf den Plan. 1721 hatte Schweden Wyborg, 1743 Südostfinnland an Rußland abgetreten. 1809 erfolgte die Einbeziehung des Großherzogtums Finnland in das Zarenreich.

Mit der Entwicklung des Kapitalismus in Südfinnland entstanden die beiden Grundklassen der bürgerlichen Gesellschaft, Bourgeoisie und Industrieproletariat in den Städten. 1899 gründeten fortschrittliche Arbeiter und Intellektuelle die Arbeiterpartei Finnland, die 1903 in Sozialdemokratische Partei Finnlands umbenannt wurde. Sie zählte zu dieser Zeit etwa 13.000 Mitglieder.

Als Teil der russischen Revolution 1905 erhoben sich die Arbeiter Finnlands im Oktober zum Generalstreik. In größeren Städten, so in Helsinki, kam es zu Massendemonstrationen und zur Bildung von „Roten Garden“.

Im Zuge der Februar- und Oktoberevolution in Rußland 1917 erhob sich auch die Arbeiterklasse Finnlands. Am 23. November (6. Dezember nach Gregorianischen Kalender) proklamierte das finnische Parlament die staatliche Unabhängigkeit Finnlands. Entsprechend der Leninschen Nationalitätenpolitik erkannte der Rat der Volkskommissare der RSFSR am 18. (31.) Dezember 1917 die Unabhängigkeit Finnlands an. Die russischen Truppen wurden sukzessive aus Finnland abgezogen. Es ist festzuhalten: Die Errichtung eines unabhängigen finnischen Staates war Ergebnis der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution!

Am 28. Dezember 1917 (10. Januar 1918) begann die finnische Arbeiterrevolution. Am 15. (28.) Januar 1918 wurde der „Rat der Volksbeauftragten“ unter der Präsidentschaft des Sozialdemokraten Manner gebildet. Oberstes Machtorgan war der Arbeiter-Generalrat. Ihm gehörten 35 Mitglieder an, 10 Sozialdemokraten, 10 Gewerkschaftsfunktionäre, 10 Mitglieder der Roten Garde und 5 vom Helsingforser Sejm der Arbeiterorganisationen, eine Art Arbeiterparlament. Das Programm des Rates der Volksbeauftragten enthielt bürgerlich-demokratische Forderungen. Es war noch kein sozialistisches Programm. Im Süden Finnlands, vor allem in den Städten, hatten die Arbeiter die Macht. Der Sejm der Arbeiterorganisationen übte Funktionen der Diktatur des Proletariats aus. Aber auch der Sejm der Arbeiterorganisationen ging noch nicht über revolutionär-demokratische Maßnahmen hinaus. Der Klärungsprozeß der revolutionären Kräfte Finnlands war noch im vollen Gange.

Im rückständigen, dünnbesiedelten Norden Finnlands übten die Großgrundbesitzer die Macht aus. Südfinnland war die territoriale Basis der finnischen Konterrevolution. Die überragende Persönlichkeit der finnischen Konterrevolution war Carl Gustav Freiherr von Mannerheim, ehemaliger Offizier der zaristischen Armee. Er hatte eine sehr gute Ausbildung unter General Brussilow erhalten, gehörte zeitweilig der Leibgarde des Zaren an. Nach der Oktoberrevolution ging Mannerheim nach Finnland, wo er von den reaktionären Kräften zum Oberbefehlshaber der konterrevolutionären Truppen ernannt wurde.

Die weißfinnische Reaktion konnte allein mit den revolutionären Roten Garden nicht fertig werden. Sie schloß einen Vertrag mit der deutschen kaiserlichen Regierung zum Einsatz deutscher Gruppen zur Niederschlagung der Revolution.

Am 5. März 1918 verlegte das deutsche Oberkommando Truppen auf die Alandinseln. Das deutsche Expeditionskorps, die sogenannte „Ostseedivision“ unter Generalmajor Rüdiger von der Goltz, landete im Hafen von Hangö, vormals ein Marinestützpunkt der russischen Ostseeflotte, auf der Spitze einer schmalen Halbinsel am Eingang zum Finnischen Meerbusen gelegen. Am 3. April besetzten 12.000 deutsche Interventen die Hafenstadt Turku und 3.000 Interventen Loviisa.

Nach schweren Kämpfen konnten die deutschen Interventen mit den Truppen Mannerheims am 14. April Helsingfors (Helsinki) einnehmen. Anfang Mai schlugen die vereinigten Kräfte der deutschen Interventen und der finnischen Konterrevolution die Revolution nieder. Dem weißen Terror fielen 35.000 Revolutionäre zum Opfer. Die im Aufbau befindliche Rote Armee Sowjetrußlands, gerade am 23. Februar gegründet, konnte keine Hilfe leisten.

Sowjetrußland mußte sich nach allen Seiten gegen die innere Konterrevolution und die einsetzende ausländische Intervention verteidigen.

Doch die deutschen Interventen ließen sich ihr Eingreifen zugunsten der Weißfinnen bezahlen. Der Preis war der Verlust der staatlichen Unabhängigkeit. Finnland geriet in völlige Abhängigkeit vom deutschen Imperialismus. Selbst der britische Historiker, John Keegan, der nicht gerade zu den Freunden des Roten Oktobers gehört, muß einräumen, daß sich die finnische Regierung durch das Bündnis mit Deutschland „kompromittiert hatte.“184) An diesem Sachverhalt hat auch die Novemberrevolution 1918 in Deutschland nichts ändern können. Finnland nahm später in der Planung der Hitlerfaschisten für den Überfall auf die Sowjetunion, den Plan „Barbarossa“, eine Schlüsselstellung ein.

Das wußte Stalin, und nicht nur er.

Mit Beginn des zweiten Weltkrieges geriet Skandinavien, besonders Norwegen, auch in den Blickpunkt der britischen Admiralität.

Die strategische Bedeutung Skandinaviens war der britischen Admiralität von Anfang an bekannt. Mit Beginn des zweiten Weltkrieges rückte vor allem die 1.600 Kilometer lange Küste Norwegens vom Ostsee-Eingang bis über den nördlichen Polarkreis in den Brennpunkt britischer Strategie. Ihr kam „ungeheure strategische Bedeutung zu“, wie Churchill schrieb.185)

Es war richtig, wenn er meinte, daß die deutsche Rüstungsindustrie hauptsächlich auf das schwedische Eisenerz angewiesen sei. Schweden erzeugte zu dieser Zeit 22 Prozent der europäischen Gesamtförderung an Eisenerz. Für die deutsche Rüstungsindustrie war nicht nur das Eisenerz, sondern waren auch die Nickellieferungen aus Finnland unersetzbar. Finnland erzeugte 32 Prozent der europäischen Gesamtförderung an Nickel.186) Die Lieferungen an Deutschland erfolgten auf dem Seeweg, im Sommer über den schwedischen Hafen Lulea am Bottnischen Meerbusen, im Winter über Narvik in Nordnorwegen, nördlich des 68. Breitengrades im Polargebiet. Nach der Besetzung Norwegens am 9. April 1940 fuhren die Erzfrachter an der norwegischen Küste im Bereich der deutschen Luftwaffe entlang.

Norwegen bot zugleich der deutschen Kriegsmarine günstige Basen für ihre U-Boote und für ihre Überwasserflotte. Von Norwegen aus konnte die Kriegsmarine über das Europäische Nordmeer durch die Islandpassage in den Nordatlantik vordringen und somit die britische Blockade durchbrechen, in östlicher Richtung in die Barentsee, bis in die Karasee an der Nordküste der Sowjetunion vordringen. Letzteres interessierte Churchill 1939/40 noch nicht, dafür aber Stalin und die sowjetische Admiralität.

Norwegen war für die deutschen Faschisten auch aus ökonomischen Gründen wichtig. Von dort bezog die deutsche Rüstungsindustrie jährlich 25.000 Tonnen Kupfer, 30.000 Tonnen Aluminium, Norwegen deckte den deutschen Bedarf an Molybdän zu 75 Prozent, an Schwefel zu 100 Prozent.187)

Churchill zitierte ausführlich aus einigen Exposés des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine, Admiral Raeder, die er am 10. Oktober 1939 Hitler vorlegte. Darin betonte er: „...die Nachteile, die eine Besetzung Norwegens durch die Engländer für uns mit sich bringen würde, nämlich deren Beherrschung der Zufahrten zur Ostsee, die Störung unserer Flottenoperationen und unserer Fliegerangriffe gegen England sowie die Beendigung der Möglichkeit unseres Druckes auf Schweden.“ Raeder betonte auch „...die Vorteile, die sich uns bieten würden, wenn wir die norwegische Küste besetzten: Wir hätten damit ein Ausfallstor nach dem nördlichen Atlantik gewonnen und würden es der britischen Flotte unmöglich machen, eine Minensperre zu legen wie in den Jahren 1917/18.“

Am gleichen Tage habe Hitler dem Wehrmachtsführungsstab den Befehl erteilt, die Invasion Norwegens vorzubereiten.188)

Churchill verschweigt jedoch, daß die Invasion in Norwegen sich auch, und nicht zuletzt, gegen die Sowjetunion richtete.

Der in Churchill tief verwurzelte Antikommunismus und Antisowjetismus zeigte sich in seiner Darstellung des sowjetisch-finnischen Krieges vom 30. November 1939 bis zum 12. März 1940. Selbst unter Berücksichtigung des sowjetisch-deutschen Nichtangriffspakt vom 23. August 1939, über dessen Zustandekommen Churchill nicht im Unklaren gewesen sein dürfte, sind seine Ausführungen über diesen Krieg als Diffamierung der Sowjetunion zu bezeichnen. Churchill waren die Ursachen, die zu diesem Krieg führten, durchaus bekannt. Dennoch bezeichnete er den sowjetisch-finnischen Krieg als einen „unprovozierten Angriff der ungeheuren Sowjetmacht auf ein kleines stolzes, hochkultiviertes Volk“, als ein „Schauspiel brutaler Aggression und Vergewaltigung.“

Bei Churchill regte sich „sofort der dringende Wunsch, den Finnen zu Hilfe zu eilen, ihnen Flugzeuge und anderes wertvolles Kriegsmaterial zu schicken, sowie Freiwillige aus Großbritannien, den Vereinigten Staaten und vor allem aus Frankreich zu senden.“

Der Erzhafen Narvik erlangte nun zwar keine neue strategische Bedeutung, jedoch „eine gefühlsmäßige“. Die britische Regierung, der es geradezu „widerstrebt“ habe, die norwegische Neutralität zu verletzen, beabsichtigte nunmehr, „lediglich von edlen Gefühlen geleitet“, die Forderung an Norwegen und Schweden nach „Gewährung freien Durchzugs von Truppen und Kriegsmateriallieferungen nach Finnland“ zu stellen.

Abgesehen von seinen „edlen Gefühlen“ meinte er ganz prosaisch: „Sollte Narvik eine Art alliierter Stützpunkt zur Versorgung Finnlands werden, müßte es leichtfallen, die deutschen Schiffe darin zu hindern, in dem Hafen Erz zu laden und dann ungefährdet der Küste entlang nach Deutschland zu fahren.“

Die französische Regierung unter Premierminister Daladier beschloß am 2. März 1940, - etwa 10 Wochen vor der deutschen Offensive! - 50.000 Freiwillige und 100 Bomber nach Finnland zu senden. Die britische Regierung genehmigte am 12. März Pläne für Truppenlandungen in Narvik und Trondheim, später, im Zuge „der erhöhten Hilfeleistungen für Finnland“, sollten Stavanger und Bergen folgen.189)

Frankreich und Großbritannien befanden sich im Kriegszustand mit dem faschistischen Deutschland. Trotzdem waren die Regierungen beider Staaten bereit, einem erklärten Vassallenstaat Hitlers militärische Hilfe gegen die Sowjetunion auf Kosten der Schwächung der eigenen Verteidigungskräfte zu leisten. Die britische und französische Regierung hatten auch nach dem Überfall der deutschen Faschisten auf Polen am 1. September 1939 die Hoffnung noch nicht aufgegeben, die faschistische Aggression letztendlich gegen die Sowjetunion lenken zu können. In diesem strategischen Konzept nahm Finnland einen wichtigen Platz ein. Die sowjetisch-finnische Staatsgrenze verlief in nächster Nähe von Leningrad. Leningrad lag im Bereich der Artillerie eines Aggressors von finnischem Territorium aus.

Von der Südküste Finnlands aus ließ sich der Finnische Meerbusen gegen die sowjetische Baltische Rotbannerflotte sperren. Dabei nahm der Hafen Hangö an der äußersten Südspitze einer schmalen Halbinsel eine strategische Schlüsselstellung ein. Nicht nur die deutschen, sondern auch die französischen und britischen Imperialisten betrachteten Finnland als Ausgangsbasis für eine Aggression gegen die Sowjetunion.

Daraus erklärt sich, daß Finnland sowohl von Deutschland als auch von Großbritannien und Frankreich materielle und militärische Unterstützung erhielt, von Deutschland inoffiziell auf Grund des Neutralitätsvertrages mit der UdSSR - obwohl sich die beiden imperialistischen Gruppierungen im Krieg gegeneinander befanden, der 1939/40 zunächst sehr zurückhaltend geführt wurde und als „komischer Krieg“ in die Geschichtsschreibung eingegangen ist.

Dieser Krieg war gar nicht komisch! Er war ein Kompromiß auf der Basis des Antisowjetismus, sich gegenseitig „nicht weh zu tun“. Der Antisowjetismus war das vereinigende Band der beiden gegeneinander „Krieg“ führenden imperialistischen Koalitionen, das in unterschiedlicher Intensität bis zur Kapitulation des faschistischen Deutschlands und darüber hinaus wirksam blieb.

Um dies vorweg zu nehmen: Finnland mit seinen damals etwa drei Millionen Einwohnern auf einem Territorium von 338.145 Quadratkilometern (etwa die Größe der Bundesrepublik) mit einem mittelmäßig entwickelten kapitalistischen System in den Städten im Süden war keine Bedrohung der Sowjetunion. Die Bedrohung ging von den imperialistischen Großmächten aus, namentlich von Deutschland, die das finnische Territorium für ihre Aggressionspolitik mißbrauchten und das finnische Volk ihrer verbrecherischen Politik unterordneten.

Besonders reaktionäre Teile der Großbourgeoisie, der Streitkräfte, des Großgrundbesitzes sowie der Beamtenschaft in Finnland unterstützten aktiv die Aggressionspolitik der imperialistischen Mächte. Je nach spezifischen Interessen stützten sie sich auf die britische oder die deutsche Macht.

Die reaktionärsten Schichten der finnischen Gesellschaft hatten ihre eigenen expansiven Ziele. Diese Weißfinnen träumten von einem „Großfinnland“, das „vom Bottnischen Meerbusen bis zum Weißen Meer und zum Ilmensee“ reichte.190) Diese großfinnischen Ambitionen werden nicht einmal von antisowjetischen und antikommunistischen Publizisten bestritten.191)

Nach der Niederschlagung der Revolution in Finnland 1918 ließ der Oberbefehlshaber der finnischen Streitkräfte, General Mannerheim (seit 4. Juni 1942 Marschall) auf der Karelischen Landenge ein mächtiges Verteidigungssystem errichten, die sogenannte „Mannerheimlinie.“ Aus finanziellen Mitteln Finnlands allein hätten diese Befestigungen niemals errichtet werden können. Von den imperialistischen Großmächten wurden Mannerheim Geld, moderne Technik und Fachleute zur Verfügung gestellt.

Erste Befestigungen entstanden von 1920 bis 1929. Im Sommer 1938 wurde nach einer Unterbrechung die Bautätigkeit wieder aufgenommen. Im Sommer 1939 - noch vor Abschluß des sowjetisch-deutschen Nichtangriffspaktes! und vor dem Überfall auf Polen - folgten der Bau weiterer Befestigungsanlagen. Darüber hinaus fand eine Umgruppierung der finnischen Armee an der sowjetischen Grenze statt.

„Die fünf an der sowjetischen Grenze stationierten finnischen operativen Truppenverbände wurden Ende 1939 zur Lapplandgruppe des Generals Wallenius (Richtung Murmansk), zur Nordgruppe des Generals Tuompo und zur schwedischen Freiwilligenbrigade des Generals Linder  (Richtung Kandalakscha), zum 4. Armeekorps des Generals Hägglund (Richtung Weißes Meer), zur Gruppe des Generals Oestermann und zur Alandgruppe (Richtung Leningrad) zusammengefaßt.“192)

Ende Juni 1939 rief Stalin General Merezkow, zu dieser Zeit Oberbefehlshaber des Leningrader Militärbezirks, zu einer Besprechung nach Moskau, aus der hervorgeht, daß Stalin sich über die Bedrohung von finnischem Territorium aus im Klaren war. Merezkow berichtet: Stalin äußerte sich über das Leningrader Problem. „Die Lage an der finnischen Grenze sei alarmierend, da Leningrad von gegnerischem Beschuß bedroht sei. Bisher seien die Verhandlungen mit Großbritannien und Frankreich erfolglos geblieben. Deutschland sei auf dem Sprung, sich auf einen beliebigen Nachbarn zu stürzen, darunter auch auf Polen und die UdSSR. Finnland könne von beiden bürgerlichen Hauptgruppierungen - der deutschen wie der britisch-französisch-amerikanischen - leicht zum Ausgangspunkt für sowjetfeindliche Handlungen werden. Nicht ausgeschlossen sei ferner, daß sich beide Gruppen über ein gemeinsames Vorgehen gegen die UdSSR einigten und Finnland sich in den Anstifter eines großen, gegen uns gerichteten Krieges verwandle...

Stalin hob hervor, daß noch im Laufe dieses Sommers ernsthafte Aktionen des faschistischen Deutschlands zu befürchten seien, die - direkt oder indirekt - Finnland und uns berühren würden. Es wäre keine Zeit zu verlieren.“193)

Dieses Gespräch fand während der sowjetisch-britisch-französichen Verhandlungen in Moskau über ein Militärbündnis gegen eine drohende Aggression seitens des faschistischen Deutschlands statt. Es ist aktenkundig, daß von britischer und französischer Seite die Verhandlungen sabotiert wurden.

Wie der deutsche Botschafter in London, Dirksen, an Staatssekretär Weizsäcker meldete, habe die britische Militärmission bei den Verhandlungen „mehr den Auftrag“ erhalten, „Gefechtswert der Sowjetarmee festzustellen, als operative Abmachungen zu treffen.“193a)

Dies führte zum Abschluß des sowjetisch-deutschen Nichtangriffspaktes.

Stalin hatte Merezkow beauftragt, den Plan zur Sicherung der Grenze und zur Führung eines Gegenstoßes im Falle eines finnischen Angriffs in kurzer Frist, zwei bis drei Wochen, auszuarbeiten. Das war sehr kurzfristig, aber die Zeit drängte.

Über die Mannerheimlinie gab es sehr unterschiedliche Berichte. Einige Mitarbeiter der sowjetischen Aufklärung meinten, die Mannerheimlinie sei „reine Propaganda“, ein „verhängnisvoller Irrtum“, wie sich herausstellte.194)

Der im Falle eines finnischen Angriffs vorgesehene Gegenstoß sollte „innerhalb kürzester Frist“ geführt werden. Auf Einwand Merezkows, daß einige Wochen für eine solche Operation nicht ausreichen würden, meinten Stalin und Woroschilow (Volkskommissar für Verteidigung) daß er nicht nur von den Möglichkeiten des Leningrader Militärbezirks, sondern von den Kräften der gesamten Sowjetunion ausgehen müsse. Haben Stalin und Woroschilow auf Grund ungenauer und falscher Informationen die Mannerheimlinie unterschätzt, die eigenen Möglichkeiten überschätzt?

Stalin erörterte noch mehrere Varianten einer Gegenoffensive in immer wieder verändertem Personenkreis. Außer Merezkow war es anscheinend nur noch Marschall Schaposchnikow (Chef des Generalstabes), der „...eine gegen Finnland gerichtete Gegenoffensive durchaus nicht für eine leichte Aufgabe“ hielt. Eine solche Offensive würde „mehrere Monate anstrengenden und schwierigen“ Krieg erfordern, „selbst wenn sich die großen imperialistischen Mächte nicht einmischten....“195)

Die Sowjetregierung hatte der Regierung Finnlands angeboten, einen Beistandspakt abzuschließen. Die Finnen lehnten ab. Die Sowjetregierung schlug daraufhin einen Gebietsaustausch vor. Die finnische Regierung sollte auf der Karelischen Landenge ihre Grenze, die nur 32 Kilometer vor Leningrad verlief, zurückverlegen, den Hafen Petsamo im Polargebiet und den Hafen Hangö am Finnischen Meerbusen an die Sowjetunion verpachten. Für die Abtretung des Gebietsstreifens vor Leningrad sollte Finnland ein weitaus größeres Gebiet nördlich des Onega-Sees erhalten. Auch diesen Vorschlag von sowjetischer Seite lehnten die Finnen ab.

Die finnische Regierung antwortete mit der Mobilisierung ihrer Streitkräfte und mit bewaffneten Provokationen gegen sowjetische Grenztruppen im Raum Leningrad.

„Am 26. November erhielt ich durch Sondermeldung Nachricht, daß die Finnen in der Nähe der Ortschaft Mainila Artilleriefeuer gegen unsere Grenzer eröffnet hätten. Vier Genossen seien gefallen, neun weitere verwundet. Ich befahl, die Grenze in ihrer gesamten Ausdehnung durch Kräfte des Militärbezirks unter Kontrolle zu nehmen, und meldete Moskau sofort den Vorfall. Von hier erging die Anweisung, sich auf die Führung eines Gegenschlages vorzubereiten. Zwar gab man uns für die Vorbereitung eine Woche Zeit, doch blieben praktisch nur vier Tage, weil finnische Abteilungen sich vielerorts anschickten, die Grenze zu überschreiten und Gruppen von Diversanten in das sowjetische Hinterland einschleusten. Nach einer entsprechenden Regierungserklärung der UdSSR schritten am 30. November um 08.30 Uhr reguläre Truppenteile der Roten Armee zur Abwehr der sowjetfeindlichen Handlungen.

Die Truppen erhielten Befehl, den Gegner von Leningrad zurückzuwerfen, die Grenze in Karelien und im Raum Murmansk zu sichern und die Marionette der imperialistischen Mächte zur Aufgabe weiterer militärischer Provokationen gegenüber der UdSSR zu zwingen. Hauptaufgabe war dabei die Beseitigung des Aufmarschraums auf der Karelischen Landenge.“196)

Die Maßnahmen der Sowjetregierung waren defensiver Natur. Ohne die Verlegung der Staatsgrenze vor Leningrad wäre die Stadt beim Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 nicht zu halten gewesen.

Über die verlustreiche und anfangs erfolglose Offensive der Roten Armee im Winter 1939/40 gab und gibt es in militärhistorischen Werken, nicht nur bürgerlicher Autoren, einige nicht haltbare Darstellungen. Sie berücksichtigen nicht den Stand der materiell-technischen Ausrüstung und den Ausbildungsstand der Roten Armee. Die allgemeine Wehrpflicht wurde in der Sowjetunion erst im September 1939, also erst kurz vor dem Winterkrieg eingeführt. Das Kräfteverhältnis zu Anfang des Krieges war annähernd ausgeglichen.

Die Bunker der Mannerheimlinie hielten anfangs der sowjetischen Artillerie stand. Erst nach Einführung überschwerer Geschütze (203 und 280 mm Kaliber) vermochte sie in direktem, gezielten Beschuß die Bunker zu zerstören. Viele Bunker waren mit mehreren Lagen Panzerplatten an der Schießschartenseite gesichert, die anderthalb bis zwei Meter starken Eisenbetonwände und -decken waren zusätzlich durch eine zwei bis drei Meter starke Schicht gestampften Bodens geschützt.197) Die Mannerheimlinie, die auch verglichen wurde mit der französischen Maginotlinie, war eben keineswegs nur Propaganda. Aber dies wußte die sowjetische Führung erst danach.

Im Februar 1940 gelang es dem sowjetischen Oberkommando, eine absolute Kräfteüberlegenheit, vor allem an Artillerie und Panzern, an der Mannerheimlinie herzustellen, mit der sie durchbrochen werden konnte.

Nunmehr war die finnische Regierung zur Beendigung des Krieges bereit. Am 12. März 1940 wurde der Friedensvertrag unterzeichnet. Die Sowjetregierung verzichtete auf eine Entschädigung für die erlittenen Verluste.

Der Friedensvertrag bestimmte, „daß die Sowjetunion die Karelische Landenge sowie das nördliche und westliche Ufer des Ladogasees mit den Städten Wyborg, Kexholm und Sortavala erhielt. Im Rayon Kandalakscha wurde die in der Nähe der Murmansker Eisenbahn verlaufende Grenze Finnlands etwas nach Westen verlegt. Im Norden kamen kleinere Teile der Sredni- und der Fischerhalbinsel an die Sowjetunion. Dasselbe traf für eine Inselgruppe im Finnischen Meerbusen zu. Aufgrund des Friedensvertrags mußte Finnland die Halbinsel Hanko (Hangö) mit den anliegenden Inseln an die Sowjetunion verpachten, die dort einen Flottenstützpunkt einrichtete; die UdSSR erklärte sich bereit, dafür pro Jahr 5 Mio. finnische Mark Pacht zu zahlen.

Der Friedensvertrag sah den gegenseitigen Nichtangriff und die Nichtbeteiligung an Koalitionen vor, die sich gegen einen der beiden Staaten richten würden.“198)

In seinem Aufruf an die Soldaten der Ostfront vom 22. Juni 1941 verkündete Hitler in Bezug auf Finnland: „Im Bunde mit finnischen Divisionen stehen unsere Kameraden mit dem Sieger von Narvik am Nördlichen Eismeer. Deutsche Soldaten unter dem Befehl des Eroberers von Norwegen sowohl als auch die finnischen Freiheitshelden unter ihrem Marschall schützen Finnland.“199)

Wie General der Infanterie Waldemar Erfurth bemerkt, war diese Äußerung Hitlers den „amtlichen finnischen Stellen“, besonders  „dem  finnischen Hauptquartier äußerst unerwünscht. Sie ließen den nicht zutreffenden Eindruck entstehen, als wenn zwischen Finnland und dem Deutschen Reich ein Waffenbündnis bestanden hätte, und als wenn die Finnen ebenfalls am 22. Juni 1941 in den Krieg gegen die Sowjetunion eingetreten wären. Da der Kriegszustand zwischen Finnland und der Sowjetunion völkerrechtlich erst am 26. Juni eintrat, eilten Hitlers Ausführungen der Ereignissen voraus und kompromittierten die finnische Politik.“200)

Damit fand Erfurth eine salomonische Erklärung für die Empfindlichkeit der finnischen Regierung. Diese nachträgliche Rechtfertigung der aggressiven Kriegspolitik der finnischen Regierung hat er selbst im ersten Kapitel seines Buches ad absurdum geführt. Offenbar wußte er beim Schreiben des fünften Kapitels nicht mehr, was er im ersten geschrieben hatte.

Im ersten Kapitel schreibt Erfurth, daß nach dem März 1940 die finnische Regierung „eine Annäherung an Deutschland“ gesucht habe.201)  „Am 22. September 1940 wurde ein finnisch-deutsches Abkommen über Durchmarsch deutscher Truppen nach Nordfinnland abgeschlossen, wodurch die Versorgung der deutschen Truppen im nördlichen Norwegen sehr erleichtert wurde.“202) Erfurth versichert uns, daß das „Mißtrauen gegen die Sowjetunion... eine Annäherung an Deutschland“ erzwangen.203) Verschiedene „Fühlungnahmen“ zwischen deutschen und finnischen amtlichen Stellen in der ersten Hälfte des Jahres 1941 seien „ohne Ausnahme auf deutsche Initiative entstanden.“204) Wie das? 1940 hatte doch die finnische Regierung „eine Annäherung an Deutschland“ gesucht?

An der Monatswende Januar/Februar 1941 besuchte der finnische Generalstabschef, General Heinrich, Berlin und Zossen. Ein erster Besuch in Finnland von Oberst Buschenhagen, Chef des Generalstabs des Armeeoberkommandos (AOK) Norwegen, erfolgte Februar/März 1941. Nach Angaben von Oberst Buschenhagen war der Zweck der Besprechungen, „mit dem finnischen Generalstab Fühlung aufzunehmen, um gemeinsame Operationen für den Fall eines deutsch-sowjetischen Krieges zu besprechen.“ Buschenhagen habe sich „in hohem Maße“ für die Geländeverhältnisse im nördlichen Finnland interessiert.

Am 25. und 26. Mai 1941 - vier Wochen vor dem Überfall auf die Sowjetunion! - folgten Besprechungen zwischen deutschen und finnischen Offizieren in Salzburg und Berlin. In seinen Ausführungen in Salzburg erklärte General Jodl, daß im Fall eines wahrscheinlichen deutsch-russischen Krieges die Deutschen über nordfinnisches Gebiet gegen den Raum der Murman-Bahn vorstoßen würden. Ein weiterer Besuch von Oberst Buschenhagen erfolgte Anfang Juni in Helsinki.205)

Nach Erfurth hätten die Finnen in den Gesprächen mit Vertretern deutscher Stäbe keine bindenden Zusagen gegeben.

Am 13. Juni 1941 - neun Tage vor dem Überfall auf die Sowjetunion! - landete General Erfurth als Kommandeur des „Verbindungsstabes Nord“ auf dem Flugplatz Malmi bei Helsinki und nahm seine Tätigkeit im finnischen Hauptquartier auf. „Durch die von General Erfurth ... vermittelten ... Anregungen des deutschen OKW bezüglich des Aufmarsches des finnischen Heeres wurde der finnische Operationsplan in gewissem Sinne deutscherseits beeinflußt...“206)

Am 15. Juni - sieben Tage vor dem Überfall auf die Sowjetunion! - traf Generaloberst von Falkenhorst mit Teilen des AOK Norwegen in Rovaniemi ein und übernahm den Oberbefehl über die deutschen und finnischen Truppen.207)

Am 17. Juni - fünf Tage vor dem Überfall auf die Sowjetunion! - liefen deutsche Schnellboote und Minenleger unter Kapitän zur See Bülow in finnischen Häfen der Südküste ein und „übernahmen die Sicherung im Finnischen Meerbusen gegen die in Kronstadt liegende russische Ostseeflotte.“208)

Am gleichen Tag gab der finnische Staatspräsident die Weisung zur Ausgabe der  Einberufungsbefehle an die Reservisten, jedoch ohne öffentliche Erklärung der Mobilmachung.209)

Etwa zur gleichen Stunde, als Hitler am 22. Juni seinen w.o. zitierten Aufruf erließ, marschierten Truppen des AOK Norwegen von Kirkenes in das Gebiet von Petsamo ein. Ohne Wissen, ohne Zustimmung der finnischen Regierung?

Finnische und deutsche Kriegsschiffe begannen gemeinsam den Finnischen Meerbusen in seinem östlichen Teil abzuriegeln. Ohne Wissen der finnischen Regierung und des finnischen Oberkommandos?

Deutsche Flugzeuge bombardierten den sowjetischen Flottenstützpunkt Hanko.

Alles dies ohne Wissen des finnischen Oberkommandos?

Wie Admiral N.G. Kusnezow, Volkskommissare und Oberbefehlshaber der Seekriegsflotte, berichtete, gab er am 19. Juni Anweisung, die Baltische Flotte in die operative Bereitschaftsstufe 2 zu versetzen, um etwaigen Überraschungen gegenüber gewappnet zu sein.209a) Im Polargebiet wie auch im Finnischen Meerbusen flogen vor dem 22. Juni deutsche Kriegsflugzeuge. Kusnezow hatte Befehl gegeben, auf Flugzeuge, die den sowjetischen Luftraum verletzen, das Feuer zu eröffnen, wofür er von Stalin einen Verweis erhielt.209b)

Die deutsche Botschaft hatte sich beschwert, daß friedliche Flugzeuge, die „meteorologische Beobachtungen“ durchführten, beschossen worden seien.209c) Stalin wollte alles vermeiden, was den deutschen Faschisten als Vorwand für einen Krieg gegen die UdSSR dienen konnte.

Wenige Stunden vor dem Überfall meldete der Befehlshaber der Nordmeerflotte, Admiral Golowko, über Telefon Kusnezow, daß von finnischem Territorium aus deutsche Flugzeuge nach Poljarny fliegen. Kusnezow gab Befehl: „Auf Flugzeuge, die unseren Luftraum verletzen, eröffnen Sie das Feuer.“209d)

Am 22. Juni schossen die sowjetischen Streitkräfte zurück. Sowjetische Flugzeuge griffen finnische Panzerschiffe und einige Befestigungen in den Schären von Turku sowie finnische Küstenschiffe südwestlich von Porvo an. Am Morgen des 22. Juni schoß sowjetische Artillerie auf finnisches Gebiet, am Abend mit Infanteriewaffen, von Erfurth als „Grenzverletzungen“ bezeichnet, die sich auch in den folgenden Tagen ereigneten. Und erst darauf erklärte die finnische Regierung, die von den Russen provoziert worden war, der Sowjetunion am 26. Juni den Krieg.210) Folgt man der „Argumentation“ Erfurths, dann hätten die sowjetischen Truppen erst nach dem 26. Juni zurückschießen dürfen - wenn überhaupt! - da sich Finnland erst seit diesem Zeitpunkt „völkerrechtlich“ mit der UdSSR im Kriegszustand befand. Diese Art „objektiver Geschichtsschreibung“ erledigt sich wohl von selbst.

Die reaktionäre weißfinnische Regierung war von Anfang an mit Hitler im Bunde. Sie hatte sich selbst kompromittiert.

Am 29. Juni begannen die Truppen des AOK Norwegen unter Generaloberst Falkenhorst mit finnischen Truppen die Offensive aus dem Raum Petsamo (Petschenga) in Richtung Murmansk und Murman-Bahn.211) Ohne Vorbereitung und Planung mit dem finnischen Oberkommando?

Um die engen Beziehungen zwischen den Weißfinnen und den deutschen Faschisten abschließend in aller Deutlichkeit zu dokumentieren, sei über ein an sich unbedeutendes Ereignis etwas ausführlicher berichtet.

Am 4. Juni 1942 feierte Mannerheim seinen 75. Geburtstag, der für das finnische Volk „ein großes Ereignis“ gewesen sein soll. Die Feier wurde am Südufer des Saimaa-Sees von Staatspräsident Ryti ausgerichtet. Zu den „von weither“ kommenden Gästen gehörten die Generale Dietl und Stumpff. Schließlich landeten „zwei aus Deutschland gekommene Dornier-Flugzeuge“; sie „brachten Adolf Hitler“. „Hitler, der für Mannerheim großes persönliches Interesse und für das heldenhafte Finnenvolk starke Bewunderung hegte, hatte sich entschlossen, seine und des deutschen Volkes Glückwünsche dem finnischen Heros selbst zu überbringen.“ Es war dies ein „glänzendes, alle Teilnehmer voll befriedigendes Ereignis.“ Hitler, der nicht die Absicht gehabt hatte, bei Tisch eine Ansprache zu halten, „stand dann aber doch auf und hielt, mit erstaunlicher Einfühlungsgabe in den ihm ganz fremden Kreis, eine allen Zuhörern gut aufgenommene Rede, in der er die finnische Leistung im Winterkriege und in dem gegenwärtigen Kriege rühmte und seinem Bedauern Ausdruck gab, daß Deutschland dem finnischen Volke nicht schon im Winterkriege hätte zu Hilfe eilen können.“

Bei den Teilnehmern der Feier „herrschte allgemeine Befriedigung ... über den guten Verlauf des Tages.“

Während die finnische Presse den Besuch Hitlers „günstig“ kommentierte, wäre dieser Besuch in Amerika „sehr ungünstig“ aufgenommen worden. „Der finnische Gesandte Procope berichtete darüber, daß ihm vom Staatsdepartement bedeutet worden wäre, noch eine solche Extratour dürfe sich Finnland nicht leisten.“

Am 27. Juni erwiderte Mannerheim den Besuch Hitlers. Hitler hatte ihm für die Abholung aus Helsinki sein eigenes Flugzeug mit dem Chef seiner Wehrmachtadjutantur, General Schmundt, geschickt. In der Wolfsschanze wurde er von Hitler empfangen. Mannerheim nahm teil an der täglichen „Lagebesprechung beim Führer“. Am Nachmittag wurde Mannerheim von Generaloberst  Halder, Chef des OKH, empfangen. Den Abend und die Nacht verbrachte er als „Gast  des Reichsmarschalls im Reichsjägerhof im Herzen der Romintenschen Heide“. Am 28. Juni erfolgte der Rückflug, wieder in Hitlers Flugzeug.212)

Dieser in der „Sprache des Dritten Reichs“ verfaßte Bericht bedarf keines Kommentars mehr. Er ist aussagekräftig genug, um die personelle Verflechtung der weißfinnischen Reaktion mit der faschistischen Führungsgarde nachzuweisen.

Natürlich verfolgte Hitler auch politische Ziele mit seinem Besuch bei Mannerheim. Der deutschen Aufklärung war nicht entgangen, daß der Krieg im finnischen Volk unpopulär war. Im Volke verbreitete sich die Überzeugung, daß es Zeit wäre, einen Ausweg aus dem Krieg zu finden.

Soweit zur Vorgeschichte der Kämpfe an der Karelischen Front im Jahre 1944.

Im Raum Leningrad und in Karelien standen die finnischen und deutschen Truppen den Armeen der sowjetischen Streitkräfte seit etwa drei Jahren in einer Art Stellungskrieg gegenüber.

Nach Anfangserfolgen gelang es den finnischen und deutschen Armeen, Alakurttii, Kestenga und Petrosawodsk zu besetzen. Sie kamen bis vor Murmansk, konnten die Stadt aber nicht nehmen. An einigen Abschnitten gelangten sie bis an die Murman-Bahn, die Leningrad mit Murmansk verbindet. Im Süden erreichten sie den Swir, konnten ihn aber nicht forcieren. Die Frontlänge vom Finnischen Meerbusen bis an die Barentsee betrug fast 1.600 Kilometer. Es gab keine andere Front mit einer solchen Ausdehnung.213)

Der ursprünglich von Merezkow ausgearbeitete Plan vom Februar 1944 sah eine Offensive gegen die deutsche 20. Gebirgsarmee, die „Lapplandarmee“ im hohen Norden vor. Der Hauptstoß sollte in Richtung Kandalakscha erfolgen, ein Nebenstoß im Abschnitt von Murmansk. Das HQ stimmte am 28. Februar dem Plan zu und bewilligte auch den Antrag auf zusätzliche Verstärkungsmittel aus der Reserve des HQ.

Dafür gab es nicht zuletzt politische Gründe. In Finnland hatte sich im Herbst 1942, noch vor der Stalingrader Schlacht, die Antikriegsstimmung im Volke ausgebreitet. Der Krieg der Weißfinnen war im Volke, selbst in Schichten der Bourgeoisie, nicht populär gewesen. Innerhalb der herrschenden Klasse mehrten sich Zweifel an einem Sieg des faschistischen Deutschland, wenn die Antihitlerkoaltion stabil bliebe. Selbst in der zenzierten Presse wurden solche Zweifel geäußert, ob es nicht an der Zeit wäre, einen Ausweg aus dem Krieg zu suchen.

1944 geriet die finnische Regierung immer stärker unter den Druck der Antikriegsstimmung. In den drei Jahren Krieg hatte es an der Front bereits über 37.000 Tote gegeben. Ein herber Verlust für ein Dreimillionenvolk! Jeder Kriegsmonat kostete Finnland zwei Milliarden finnische Kronen. In der finnischen Armee häuften sich Desertationen.

Die Erfolge der Roten Armee bei Leningrad und Nowgorod im Winter 1944 leitete auch bei Politikern in Finnland einen Prozeß des Nachdenkens ein, wie man aus diesem Krieg ausscheiden könnte. Im finnischen Parlament hatte sich eine starke Antikriegsopposition gegen die reaktionäre Regierung gebildet, die sie nicht mehr übersehen oder unterdrücken konnte.214) Der finnische Außenminister äußerte am 1. Februar: „Falls Narva nicht gehalten werden kann, würde für Finnland eine neue Situation entstehen.“214a) Finnische Offiziere sprachen untereinander offen über einen „Sonderfrieden“ mit der UdSSR. Zunächst hatten die herrschenden Kreise versucht, über Kontakte mit den USA und Großbritannien einen Weg aus dem Krieg zu finden. Die USA befanden sich nicht im Kriegszustand mit Finnland, im Unterschied zu Großbritannien.

Erst nach den erwähnten Erfolgen der Roten Armee bei Leningrad und Nowgorod ließ die finnische Regierung den bekannten bürgerlich-demokratischen Politiker Juho Kusti Paasikivi, der nicht durch die volksfeindliche Kriegspolitik der weißfinnischen Regierung kompromittiert war, am 16. Februar bei der sowjetischen Botschafterin in Schweden, Frau A.M. Kollontai, sich nach den sowjetischen Bedingungen für eine Einstellung der Kampfhandlungen und den Kriegsaustritt Finnlands zu erkundigen. Erfurth kann man hier zustimmen, wenn er schrieb: „Der Name Paasikivi bedeutete für alle Finnen eindeutig ein Programm; nämlich Einigung Finnlands mit der Sowjetunion. Obwohl seiner politischen Einstellung nach Konservativer (Sammlungspartei), war Paasikivi stets für eine Verständigung Finnlands mit der Sowjetunion eingetreten. Er war die gegebene Persönlichkeit, um die zerrissenen Fäden zwischen Finnland und der Sowjetunion wieder anzuknüpfen“.214b)

Am 19. Februar übermittelte die Sowjetregierung die Bedingungen: „Abbruch der Beziehungen zu Deutschland, Internierung der in Finnland befindlichen deutschen Truppen und Schiffe, Wiederinkraftsetzung des sowjetisch-finnischen Vertrages von 1940, Rückzug der finnischen Truppen auf die darin festgelegten Grenzen, Freilassung der sowjetischen und alliierten Kriegsgefangenen und Zivilpersonen.“215) Andere Fragen, Demobilisierung der finnischen Armee, Wiedergutmachung der der Sowjetunion zugefügten Kriegsschäden, des Gebietes von Petsamo, sollten bis zu späteren Verhandlungen  in Moskau aufgeschoben werden.216)

Churchill, der von der Sowjetregierung vertragsgemäß als Verbündeter im Krieg gegen Finnland über diese Vorgänge informiert worden war, gratulierte Stalin in seiner Botschaft vom 21. März zu „der außerordentlich maßvollen Art, in der Sie mit den Finnen verfahren sind.“217) „Vor Tische hörte man es anders“, nämlich 1940!

Das waren die politischen Gründe für die Entscheidung des HQ, den Hauptschlag gegen die deutsche Lapplandarmee zu führen, die finnischen Truppen am Swir und auf dem Landrücken zwischen Ladoga- und Onega-See nicht anzugreifen, um den Finnen ein Ausscheiden aus dem Krieg zu erleichtern. Letzteres würde den sowjetischen Streitkräften Verluste ersparen; die freiwerdenden Kräfte konnten an anderen Fronten eingesetzt, die Dauer des Krieges abgekürzt werden. Die militärischen Operationen waren also auch hier den politischen Erfordernissen untergeordnet.

Am 27. und 29. März fanden die sowjetisch-finnischen Verhandlungen in Moskau statt.

Nach starkem Druck von deutscher Seite, namentlich von Hitler und Rippentrop, lehnte das finnische Parlament am 12. April aus „technischen Gründen“ die Waffenstillstandsbedingungen der Sowjetregierung ab.

Daraufhin änderte das HQ die strategische Zielstellung an der Karelischen Front. Der Hauptschlag war jetzt nicht im Norden gegen die deutsche Lapplandarmee, sondern im Süden, am Swir und am Ladogasee gegen die finnischen Streitkräfte zu führen, um die finnische Regierung zum Ausscheiden aus dem Krieg zu zwingen. So wurde Merezkow am 30. Mai nach Moskau ins HQ gerufen.

In kurzer Frist mußte ein neuer Plan zur Zerschlagung der finnischen Truppen im Süden ausgearbeitet werden. Vom Nordabschnitt durften aber keine Kräfte abgezogen werden. Schtemenko berichtet über ein Gespräch mit Stalin, der betonte, „daß man auf keinen Fall den Nordabschnitt der Karelischen Front gegenüber der 20. deutschen Armee schwächen dürfte. Unsere Truppen müßten hier jeden Augenblick zu einem Stoß bereit sein, um dem Gegner die Möglichkeit von Manövern nach Süden zu nehmen. Im gegenwärtigen Stadium des Krieges könne sich das sowjetische Oberkommando eine solche Bereitstellung von Kräften leisten. Wir seien jetzt in der Lage, die für den Erfolg der vorgesehenen Operation benötigten Truppen und Mittel zu konzentrieren, ohne einen anderen Abschnitt zu schwächen. Außerdem erschwere das unwegsame Gelände in den nördlichen Breiten jegliches Manöver. Zudem seien die Finnen nicht mehr wie die von einst, sondern demoralisiert.“218)

Bei der Ausarbeitung des Plans  im HQ befahl Stalin Merezkow, „die den deutschen Truppen gegenüberstehenden Kräfte unter keinen Umständen zu schwächen und sie jederzeit zur Zerschlagung des Gegners  in diesem Raum bereitzuhalten.“219)

Merezkow war von der Unterredung mit Stalin „nicht ganz befriedigt“. Merezkow hatte an Hand einer Geländekarte der Landenge zwischen dem Ladoga- und dem Onega-See und von Aufklärungsdaten über die Stärke des Gegners auf die Schwierigkeiten verwiesen, die seine Truppen zu überwinden hatten. Stalin, so meinte Merezkow, schätzte „Prognosen“ dieser Art nicht. Er hielt seine Ausführungen „für den Versuch, weitere Reserven zu erpressen“, und lehnte ab. Erst später habe sich Stalin revidiert und die beantragten Reserven bewilligt.220)

Solche Auseinandersetzungen waren im HQ nicht selten. Jeder FOB versuchte, aus den Reserven des HQ zusätzliche Kräfte zu erhalten. Stalin mußte aber alle Fronten, vom Balkan bis zum Polargebiet, vor allem in der Hauptstoßrichtung, im Auge behalten. Ein FOB an der Karelischen Front konnte nicht wissen, was der FOB in Rumänien oder den Karpaten benötigte.

Gerade Merezkow mußte sich wegen der geringen Kräfte, über die er an der Karelischen Front verfügte, oft an das HQ um Hilfe wenden. „‘Ewige Bittsteller’, nannte sie Stalin, der die Bedingungen des Kampfes zwar kannte und Verständnis für ihre Lage hatte, aber wegen der Hauptrichtungen keine Kräfte an sie abgab.“221)

Am 9. Juni teilte Stalin Merezkow mit, daß die Leningrader Front, die die finnische Verteidigungslinie auf der Karelischen Landenge zu durchbrechen hätten, Unterstützung haben müsse. Die Karelische Front müsse die gegnerische Gruppierung von Swir-Sortawala schnellstens zerschlagen. In zehn Tagen müsse die Vorbereitung der Operation beendet sein. Ihre Erabeitung erfolgte im HQ unter Mitwirkung von A.M. Wassilewski, G.K. Shukow und A.I. Antonow. Es gab wieder Diskussionen um Verstärkungen.

Neue Anforderungen von Merezkow waren nicht unbegründet. Im Angriffsstreifen sowohl der Leningrader Front auf der Karelischen Landenge als auch an der Karelischen Front am Swir, zwischen dem Ladoga- und Onega-See verfügten die Finnen über starke Kräfte: 15 Divisionen und 6 Brigaden, etwa 268.000 Mann, 1930 Geschütze und Granatwerfer, 110 Panzer und ungefähr 250 Flugzeuge. Hinzu kam, daß die Finnen an diesen Fronten starke Befestigungen in einem schwer zugänglichen Gelände ausgebaut hatten.

Das HQ hatte unter Berücksichtigung dieser Schwierigkeiten bedeutende Kräfte an der Karelischen Landenge und am Swir, Raum Ladoga- Onega-See, konzentriert, die denen der Finnen überlegen waren, an personeller Stärke um 160 Prozent, an Geschützen und Granatwerfern um 330 Prozent, an Panzern und SFL um 320 Prozent und an Flugzeugen um 600 Prozent.222)

Stalin bewilligte Merezkow zusätzlich zwei weitere Schützenkorps sowie eine Artilleriedivision. An Stelle einer Fliegerdivision sollte Marschall der Luftstreitkräfte Nowikow ein oder zwei Angriffe auf die finnischen Stellungen fliegen lassen. Der Antrag Merezkows auf ein weiteres Schützenkorps wurde von Wassilewski und Shukow abgelehnt, womit die Diskussion beendet war.

Stalin hatte Merezkow zum Salut-Schießen zu Ehren der Leningrader Front eingeladen. Beim Abschied sagte er leise zu ihm: „Sie bekommen das erbetene Schützenkorps.“223)

Der schwierigste Abschnitt an der Karelischen Front war der 350 m breite und 8 bis 11 m tiefe Swir. Ein zusätzliches Problem war das große Wasserkraftwerk Swir 3 mit seiner 18 Meter hohen Staumauer. Wenn die Finnen die Schleusen öffnen, würden die ausströmenden Fluten die Forcierung des Swir verhindern. Um dem Gegner diese Möglichkeit zu nehmen, ließ Merezkow die Staumauer zerstören, worauf ihn das HQ nach Moskau zitierte.

Merezkow begründeten seinen Entschluß, den er Stalin persönlich vortrug. Stalin „beschäftigte sich nämlich nicht nur mit grundsätzlichen Fragen, sondern drang auch in Einzelheiten ein, um die er sich eigentlich nicht zu kümmern brauchte.“224)

Im Krieg läßt sich „der Verlauf des Geschehens nicht bis ins Letzte planen... Richtig ist, die Generallinie zu bestimmen, die konkreten Einzelheiten jedoch der Initiative der nachgeordneten Kommandeure zu überlassen, die man nicht von vornherein hemmen sollte. Meist verfuhr Stalin auch nach diesem Prinzip. Er wich nur bei politischen und ökonomischen Erwägungen, oder wenn er sich ähnlicher Situationen zu erinnern glaubte, davon ab. Damit will ich jedoch nicht sagen, daß ich Stalins Methoden zur Lösung von Problemen stets gut hieß, um so weniger, als ich ihm mitunter in wesentlichen wie nebensächlichen Fragen widersprechen mußte, soweit das mein Unterstellungsverhältnis zuließ...“

„Typisch für sein Verhalten war, daß er die Oberbefehlshaber von Fronten stets nach Moskau kommen ließ, sobald er von Abänderungen in einer bereits geplanten Operation erfuhr. Er zog es vor, mit den Menschen persönlich zu sprechen, meines Erachtens nach aus drei Gründen: Erstens ermöglichte es ihm ein persönliches Gespräch, eine Sache gründlicher kennenzulernen; zweitens liebte er es, Menschen zu prüfen, um sich bei dieser Gelegenheit ein Urteil über sie zu bilden; drittens verstand er es, wie sich in den Kriegsjahren häufig zeigte, von anderen zu lernen, wenn ihm daran lag. Ich bin der Meinung, daß die Oberbefehlshaber der Fronten, die Mitarbeiter des Hauptquartiers, des Generalstabes und andere Militärs ihn vieles in bezug auf die Probleme des modernen Krieges gelehrt haben. Andererseits haben auch sie von ihm gelernt, vor allem in allgemeinstaatlichen, ökonomischen und politische Fragen. Auch ich mache darin keine Ausnahme.

Jeder Besuch im Hauptquartier bereicherte mich, jede Zusammenkunft mit leitenden Partei- und Staatsfunktionären erweiterte meinen Gesichtskreis. Diese Gespräche waren stets lehrreich und nützlich für mich.“225)

Am 10. Juni begannen die Armeen der Leningrader Front ihre Offensive. Sie hatten ein entscheidendes Übergewicht gegenüber den Finnen. Sie betrug an Infanterie „das Doppelte, an Artillerie und Panzern fast das Sechsfache und an Fliegerkräften das Dreifache. Der überwiegende Teil der Truppen und technischen Kampfmittel auf der Karelischen Landenge war im Streifen der 21. Armee konzentriert, die den Hauptstoß führte. Außerdem sollte in diesem Raum noch die 23. Armee angreifen. So war die Überlegenheit an dem 12,5 Kilometer breiten Durchbruchsabschnitt, besonders an Artillerie, noch bedeutender.“226)

Die Offensive zeitigte bedeutende Ergebnisse. Am 20. Juni, 19 Uhr wurde Wyborg befreit.

Am 18. Juni, als die Offensive auf der Karelischen Landenge erfolgreich verlief, bemerkte Stalin, daß der Zeitpunkt für die Offensive Merezkows gekommen sei. Stalin beauftragte Antonow, den Kriegsrat der Karelischen Front noch einmal darauf hinzuweisen, die Kräfte und Mittel vor der deutschen Lapplandarmee nicht zu verringern. Antonow sandte ein Fernschreiben an die Karelische Front: „Der Oberste Befehlshaber hat befohlen, Sie an seine Forderung zu erinnern, den rechten Flügel und das Zentrum der Front nicht zu schwächen und außer den genehmigten Kräften keine Kräfte und Mittel zusätzlich abzuziehen.“227) Stalin überblickte vorausschauend den gesamten Ablauf der Handlungen: „die Verlegung gegnerischer Kräfte auf die Karelische Landenge und die damit verbundene Schwächung der finnischen Truppen gegenüber der Karelischen Front, deren Vorstoß gegen die Flanken der finnischen Hauptgruppierung, die darauf folgenden Operationen zur endgültigen Zerschlagung der finnischen Armee und anschließend der isolierten deutschen Truppen.“228)

Es wäre unvollständig, die Rolle der sowjetischen Seestreitkräfte bei den Operationen auf der karelischen Landenge und das Interesse Stalins an maritimen Fragen unerwähnt zu lassen.

Bei den Planungen der Operationen an der Leningrader und Karelischen Front informierte sich Stalin eingehend über die Möglichkeiten der Baltischen Flotte sowie der Ladoga- und Onega-Flottillen, in das Kampfgeschehen einzugreifen. Zu diesem Zweck hatte er Admiral Tribuz, Befehlshaber der Baltischen Flotte, im März 1944 nach Moskau ins HQ beordert.

Stalin hörte seiner Gewohnheit gemäß aufmerksam den Ausführungen Tribuz’ zu. Seine Frage: Welche Unterstützung von der Seeseite für die Operation auf der Karelischen Landenge kann die Baltische Flotte geben?

Die Baltische Rotbannerflotte war drei Jahre in Kronstadt eingeschlossen gewesen. Sie konnte lediglich mit ihrer Schiffsartillerie an der Verteidigung Leningrads teilnehmen und Abteilungen von Matrosen als Marineinfanterie an der Landfront einsetzen. Gelegentlich gelang es auch mal einem U-Boot, die Minensperren am Westausgang des Finnischen Meerbusens zu durchbrechen.

„Jetzt können sich die Seeleute beweisen“, meinte Stalin bezüglich der Baltischen Flotte. Die Zeit wäre vorbei, in der sie im Finnischen Meerbusen eingeschlossen war. Zur gleichen Zeit begannen die Vorbereitungen der Offensiven bei Nowgorod und Narva, zur Befreiung der baltischen Sowjetrepubliken. Diese Operationen sollten von der Baltischen Flotte unterstützt werden.

Doch zunächst ging es um die Wyborger Operation. Stalin interessierte sich vor allem für die Schiffsartillerie, ihre Reichweite und Kaliber sowie für die Möglichkeiten von Truppentransporten und -landungen an den Küsten. Er mahnte davor, „unnötig Schiffe aufs Spiel zu setzen“.228a) Vor allem sollten Seeflieger eingesetzt werden. Der Schiffsartillerie war beim Durchbruch der stark befestigten finnischen Verteidigungslinien eine bedeutende Rolle zugedacht. Der Terminus „Schiffsartillerie“ ist hier sehr weit gefaßt. Ein Grund mag dafür sein, daß während der Belagerung Leningrads die schwere Artillerie von den Schiffen abmontiert und als „Landartillerie“, z.T. als Eisenbahngeschütze, eingesetzt wurde. Nach dem Befehlshaber der Baltischen Flotte wurde die „Schiffsartillerie“ in vier Gruppen eingeteilt: 1. Eisenbahnartillerie, 2. Artillerie der Forts und der in Kronstadt liegenden Schiffe, 3. Artillerie des Erprobungspolygons (Artillerieerprobunsgelände, UH), 4. Schiffsartillerie des Geschwaders.228b)

Darunter befand sich schwere Artillerie mit Geschossen von 120 bis 406 Millimeter Kaliber. Von den vor Wyborg eingesetzten 240 Geschützen gehörten die Hälfte zur „Schiffsartillerie“. Insgesamt feuerten die „Schiffsartillerie“ und Armeeartillerie 17.000 großkalibrige Geschosse auf die finnischen Stellungen ab.228c)

Die Baltische Flotte spielte noch eine wichtige Rolle in der Vorbereitung der Wyborger Operation durch Übersetzen der Truppen der 21. Armee aus der Reserve des HQ von Oranienbaum nach Lissi Nos in den Bestand der Leningrader Front.228d)

In der Wyborger Bucht versenkte ein sowjetisches U-Boot ein deutsches U-Boot in flachem Wasser, das gehoben werden konnte. An Bord dieses U-Bootes befanden sich die 1944 eingeführten neuen Torpedos mit akustischer Zielsucheinrichtung, der sogenannte „Zaunkönig“.

Churchill ersuchte Stalin, britischen Spezialisten die Besichtigung des deutschen U-Bootes zu gestatten. Nach Rücksprache mit Admiral Kusnezow, Volkskommissar und Oberkommandierender der Seekriegsflotte, der „keinen Grund“ sah, der Bitte zu widersprechen, erteilte Stalin die Erlaubnis. Die Briten bedankten sich danach herzlich, „besonders für die wertvollen Informationen über die deutschen akustischen Torpedos“. Das ließ Stalin aufhorchen: „Hatten wir etwa ein wertvolles Geheimnis preisgegeben? Tribuz und ich machten uns Sorgen. Stalin erinnerte daran, daß die Verbündeten uns sehr ungern militärische Geheimnisse mitteilten.“228e)

Die Frage scheint berechtigt: Haben die sowjetischen Admirale diesen speziellen Torpedo vorher nicht selbst untersuchen lassen?

Am 21. Juni, 11.45 Uhr eröffnete die Karelische Front ihre Offensive mit starkem Artilleriefeuer und Luftangriffen auf die finnischen Befestigungen. Um die Mittagsstunde begann die Forcierung des Swir. Am 24. Juni hatten die sowjetischen Truppen den Swir an seinem gesamten Lauf überwunden. Bei der Operation auf der Landenge zwischen Ladoga- und Onega-See spielte die Ladoga-Flottille eine hervorragende Rolle. „Die Russen haben sich auf dem Ladoga-See ... taktisch und strategisch außerordentlich gut geschlagen“, schrieb der Schweizer Historiker Jürg Meister. „1944 wurde die russische Landung bei Tuulos mit überlegenen Mitteln durchgeführt.“228f)

Am 28. Juni befreiten die Armeen Merezkows Petrosawodsk. Ende Juni war die Murman-Bahn restlos vom Gegner gesäubert, der Weißmeer-Ostseekanal wieder auf der ganzen Strecke befahrbar.229)

Die Truppen der Leningrader Front bedrohten das Hinterland von Wyborg, die der Karelischen Front näherten sich mit Überschreiten des 34. Meridians der sowjetisch-finnischen Staatsgrenze. Am 21. Juli hatte die 32. Armee der Karelischen Front die Staatsgrenze erreicht.

Die Finnen hatten in dem dreijährigen Krieg unersetzliche Verluste erlitten. Die unterschiedlichen Zahlenangaben stimmen im wesentlichen überein. Nach Merezkow haben die Finnen in den anderthalb Monaten während der Kämpfe auf der Onega-Ladoga-Landenge allein 50.000 Soldaten und Offiziere verloren.230) In den Zahlen wird im allgemeinen nicht zwischen Toten und Verwundeten unterschieden. An der Karelischen Landenge (Leningrader Front) gab es nach Noskow 44.000 Tote und Verwundete. Die Gesamtverluste an Gefallenen im zweiten Weltkrieg gibt Noskow mit etwa 90.000 Mann an.231) Erfurth gibt die Verluste der Finnen an der Karelischen Landenge seit Beginn der sowjetischen Offensive am 9. Juni mit 18.000 Mann an, insgesamt mit den Verlusten auf der Ladoga-Onega-Landenge mit 32.000 Mann. Bis 18.  Juli betrugen die Gesamtverluste der Finnen an beiden Fronten insgesamt 44.000 Mann, davon 6.500 Tote.232)

Am 25. August ersuchte die finnische Regierung um Abschluß eines Waffenstillstands. Am 4. September stellten die finnischen Truppen das Feuer ein, am 5. September die sowjetischen Truppen. Am 19. September erfolgte die Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommen. Finnland war aus dem Krieg ausgeschieden.

Nach Beendigung der Kampfhandlungen hatte Merezkow Gelegenheit, die finnischen Verteidigungsanlagen im befestigten Raum von Olonez zu untersuchen. Die Dichte der Verteidigung betrug über 30 Maschinengewehrnester und Granatwerferstellungen, 70 Schützenlöcher, 10 Bunker und 7 Panzerkuppeln je Frontkilometer. Außerdem gab es Schützengräben für die Infanterie mit kuppelartigen Betonunterständen, in den Hauptrichtungen bis zu zehn Gefechtsanlagen aus Eisenbeton. „Die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen dieser Art erforderte ein militär-ökonomisches Potential, über das Finnland selbst nicht verfügte. Also erhielt seine Armee seit Kriegsbeginn zum Aufbau dieses Verteidigungsstreifens deutsche Hilfe. Ich bemühte mich, dahinter zu kommen, worauf die Finnen eigentlich gerechnet hatten. Die Zahl ihrer Truppen war unzureichend. Es fehlte an Flugzeugen, Panzern und Artillerie. Das Land hatte sich demnach auch vom militärischen Standpunkt aus eine nicht zu bewältigende Bürde aufgeladen.“233)

Die weißfinnische Regierung hatte das finnische Volk dem faschistischen deutschen Imperialismus für eine historisch unlösbare Aufgabe bedenkenlos zur Verfügung gestellt, in der vagen Hoffnung, durch Annexion der Kola-Halbinsel mit ihren Rohstoffen ein „Großfinnland“ zu errichten. Das Volk durfte auch hier die Rechnung der reaktionärsten Oberschicht der herrschenden Klassen Finnlands bezahlen.

Der Krieg gegen Finnland war beendet, aber noch nicht der Krieg gegen die deutsche Lapplandarmee im Polargebiet, die nach dem Waffenstillstandsabkommen bis zum 15. Juni Finnland zu verlassen, dies aber nicht getan hatte. Ob sie nicht wollte oder in der relativ kurzen Zeit nicht konnte, lasse ich offen. Die Kämpfe gingen jedenfalls mit unerbittlicher Härte weiter, von sowjetischer Seite mit dem Ziel, den Rückzug der Lapplandarmee mit ihrem Kriegsmaterial nach Norwegen zu verhindern, von wo aus sie den Krieg gegen die UdSSR fortsetzen konnte. Bei ihrem Rückzug hatte die Lapplandarmee Zwangsevakuierungen von finnischen Bürgern durchgeführt, Finnen als Geiseln genommen, Städte und Dörfer zerstört. Um es vorweg zu nehmen, auch Petsamo und die norwegische Stadt Kirkenes wurden von den Faschisten zerstört.  Selbst Erfurth konnte diese Schandtaten nicht leugnen, wenn er sie auch in gewohnter Weise der faschistischen Generale als durch „militärische Erfordernisse“ zu legitimieren suchte.

 

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Petsamo - Kirkenes - Operation

Aus einer Tagebucheintragung Admiral Golowkos, Befehlshaber der Nordmeerflotte, vom 8. September 1944 geht hervor, daß sie einen Befehl abgefangen haben, „in dem der Kommandeur der zur 20. Gebirgsarmee gehörenden 2. Division die Notwendigkeit unterstreicht, die gegenwärtige Frontlinie zu halten und die ‘Lebensinteressen Deutschlands an den Nickelerzen des Gebietes Petsamo’ hervorhebt. Dabei beruft er sich auf einen Befehl Hitlers, die Positionen in Nordfinnland um jeden Preis zu halten, besonders im Raum des Nickelabbaus bei Kolosioki.“234)

Wie General Merezkow berichtet, wußten sie nach Beendigung der Kämpfe in Südfinnland nicht, wie sich die deutschen Armeen weiter verhalten würden. Er rechnete darauf, daß sie früher oder später werden abziehen müssen. Ein ungehinderter Abzug würde ihren Einsatz an anderen Fronten ermöglichen. Dies mußte verhindert werden.

Es gelang den sowjetischen Truppen der Karelischen Front, das XXXVI. deutsche Korps im Mittelabschnitt Finnlands durch geschicktes Manöverieren zum Rückzug zu zwingen und mit der Einschließung zu bedrohen. Vom HQ erhielt er jedoch die Weisung, sich „keinesfalls auf schwere Gefechte mit dem zurückgehenden Gegner einzulassen, unsere Truppen nicht durch tiefe Umgehungen zu erschöpfen und die Faschisten hauptsächlich mit Feuermitteln auf deren Rückzugsstraßen zu liquidieren.“

Dieser Befehl war Merezkow unverständlich. Auf Anfrage im HQ erhielt er die Aufklärung darüber, was er nicht wissen konnte.

Vorrang habe die Befreiung des Petsamogebietes. Dieses sei für Deutschland von größter Bedeutung auf Grund der Nickelvorkommen und als U-Boots- und Flugzeugstützpunkte für Operationen in der Barentsee. Da die Deutschen keine Anstalten träfen, das Gebiet zu räumen, müsse man sie dazu zwingen. Alle Kräfte seien daher auf die im Polargebiet zu lösenden Aufgaben zu konzentrieren. Die Verfolgung des XXXVI. deutschen Korps würde Reserven beanspruchen, die man im Raum Murmansk benötige. Das HQ würde sogar noch von der Karelischen Front Kräfte abziehen, um sie in die Westrichtung zu verlegen.235)

Soweit das militärische Problem. Es gab aber noch ein politisches, über das das HQ die Truppen noch nicht informieren konnte oder wollte. Erst vierzehn Tage später erfuhr Merezkow vom Abschluß des Waffenstillstandsabkommen vom 19. September.

Die finnische Regierung war verpflichtet, die deutschen Truppen aus Finnland zu verweisen oder zu internieren. Die finnische Regierung war gezwungen, dem Abkommen gemäß zu handeln. „Eine geschichtliche Episode, die lehrt, daß im Krieg die politische Lösung eines Problems wirksamer sein kann als die militärische.“236)

Die deutschen Faschisten zogen ihre Truppen jedoch nur auf ein Gebiet bis zur Nordspitze des Bottnischen Meerbusens zurück.237) Die finnische Regierung war nunmehr gezwungen, ihre Truppen gegen den einstigen Verbündeten einzusetzen. In der ersten Oktoberwoche nahmen die Finnen die Hafenstädte Kemi und Tornio am Bottnischen Meerbusen und gingen zum Angriff auf Rovaniemi über, wo sich das Oberkommando der Lapplandarmee befand. Der Kommandeur der 20. Gebirgsarmee, General Rendulic, ließ die Stadt niederbrennen und zog sich nach Petsamo zurück.238)

Ende September waren die deutschen Truppen in zwei Teile gespalten. Der eine Teil zog sich nach Nordwesten auf die finnisch-norwegische Staatsgrenze zurück, gefolgt von finnischen Truppen. Die deutschen Truppen hielten dort den Raum Kilpis-Järvi noch sechs Monate lang besetzt, bis sie von finnischen Truppen vertrieben bzw. gefangengenommen werden konnten.

Die Befreiung Petsamos erfolgte durch gemeinsame Operationen der Truppen der Karelischen Front und Einheiten der sowjetischen Nordmeerflotte. Am 29. September stimmten Merezkow und Admiral Golowko den Plan zur Zerschlagung der noch starken Reste der Lapplandarmee im Raum Petsamo ab.

Am 7. Oktober begann die Offensive von der Land- und einen Tag später von der Seeseite.

Erwähnenswert ist der in der internationalen Militärgeschichtsschreibung stark beachtete viertägige Marsch des 126. leichten Schützenkorps durch die Tundra, mit allem Gerät, Geschützen, Granatwerfern, Maschinengewehren auf Pferden und Rentieren, durch Flüsse, Sümpfe, bergiges Gelände. Völlig geräuschlos überraschten sie deutschen Truppen von einer Seite, von der kein Angriff zu erwarten war.

Der bereits erwähnte schweizer Historiker Jürg Meister hebt die Rolle der sowjetischen Küstenbatterien auf der Fischerhalbinsel hervor, die „während des ganzen Krieges eine bedeutende Rolle“ gespielt haben. „Ab 1942 lag das russische Feuer auch bei Nacht und Nebel ausgezeichnet,...“238a) Die sowjetischen Schnell- und Torpedoboote zeichneten sich bei der Petsamo-Operation durch erfolgreiche Anlandung von Truppen so wie die Einnahme von Linachamari, dem Hafen von Petsamo aus. Am 15. Oktober befreiten die Truppen der Karelischen Front und Einheiten der Nordmeerflotte Petsamo, in Verfolgung der sich zurückziehenden deutschen Truppen auf norwegisches Gebiet am 25. Oktober Kirkenes.239)

Am 29. Oktober meldete Merezkow über Telefon Stalin, daß der Kriegsrat der Karelischen Front am 28. Oktober den Abschluß der Operation festgestellt habe: Die der Karelischen Front und der Nordmeerflotte gestellte Aufgabe sei gelöst, die faschistischen Aggressoren geschlagen, ihre Reste aus dem sowjetischen Norden vertrieben. Ein weiteres Vordringen auf norwegischem Boden sei nicht zweckmäßig. Außerdem sei ein Beitrag zur Befreiung Norwegens geleistet worden.

Stalin stimmte zu: „Dringen Sie nicht weiter in norwegisches Gebiet ein. Sichern Sie einstweilen die Hauptrichtungen an den erreichten Abschnitten, bilden Sie starke Reserven und kommen Sie ins Hauptquartier.“240)

Die norwegische Militärmission in Moskau informierte die sowjetische Regierung, daß die norwegische Regierung für eine Unterstützung der lokalen Verwaltung und der Kräfte der norwegischen Widerstandsbewegung  dankbar sein würde.

Die Ankunft norwegischer Truppen verzögerte sich. Das Abkommen der norwegischen Regierung mit den Regierungen der UdSSR, der USA und Großbritanniens vom 17. Mai 1944 und der Aufruf des norwegischen Königs Hakon VII. an das norwegische Volk bildeten die rechtliche Grundlage für die Zusammenarbeit des Kommandos der 14. sowjetischen Armee und den norwegischen Verwaltungen und der Widerstandsbewegung. Es gab große Schwierigkeiten zu überwinden, denn „die Menschen lebten hier in bis zu 100 Kilometer voneinander entfernten Gehöften oder Siedlungen, und es gab weder Straßen noch Kraftfahrzeuge oder Nachrichtenmittel. Mit der Verpflegung war es schlecht bestellt. Da niemand eine militärische Ausbildung besaß, war es einfach unmöglich, Kommandeure zu finden.“240a) Diese Einschätzung bezog sich auf die norwegische Bevölkerung.

Hinzu kam daß die Faschisten bei ihrem Rückzug Kirkenes und die kleine Ortschaft Neiden zerstört hatten. Die 14. Armee half der ansässigen Bevölkerung mit ihren Mitteln, die auch nicht gerade allzu reichhaltig waren. Sie teilte ihre Lebensmittelvorräte mit der Bevölkerung, half bei der Einrichtung von Lazaretten, beim Kampf gegen Infektionskrankheiten unter der Bevölkerung, beim Aufbau einer Nachrichtenverbindung, der Ingangsetzung von Betrieben. Die Angehörigen der norwegischen Widerstandsbewegung wurden aus sowjetischen Waffenbeständen und mit dazugehöriger Munition versorgt.240b)

In seiner Rundfunkrede am 26. Oktober würdigte der norwegische König den Einsatz der sowjetischen Truppen: „Wir verfügen über zahlreiche Beweise der Freundschaft und Sympathie der Regierung und des Volkes Sowjetrußlands unserem Land gegenüber. Begeistert verfolgten wir den heldenhaften und siegreichen Kampf der Sowjetunion gegen unseren gemeinsamen Feind. Pflicht aller Norweger ist es, unseren sowjetischen Alliierten jede Unterstützung zu erweisen.“241)

Im Juli 1945 erklärte der norwegische König: „Das norwegische Volk hat mit Begeisterung das Heldentum, die Tapferkeit und die wuchtigen Schläge verfolgt, die die Rote Armee den Deutschen versetzt hat... Der Krieg wurde durch die Rote Armee an der Ostfront gewonnen. Gerade dieser Sieg führte zur Befreiung des norwegischen Territoriums im Norden durch die Rote Armee... Das norwegische Volk hat die Rote Armee als Befreierin empfangen.“241a)

Der norwegische Justizminister sandte ein Telegramm an Merezkow: „In meiner Eigenschaft als Mitglied der norwegischen Regierung möchte ich Ihnen, Herr Marschall, als Oberbefehlshaber dieser Front meinen aufrichtigen Dank sagen...“242) Die norwegische Regierung zeichnete Merezkow mit dem „Orden des Heiligen Olaf“ aus.243)

Am 31. Oktober beförderte das Präsidium des Obersten Sowjet Merezkow zum Marschall der Sowjetunion.

Im September 1945 verließen die sowjetischen Truppen Nordnorwegen. Die norwegische Zeitung „Aftenposten“ schrieb: „Die Russen sind als erste zu uns gekommen und verlassen uns auch als erste. Nie werden die Norweger vergessen, was die Russen für sie und die gemeinsame Sache des Sieges über den Feind geleistet haben.“244)

 

                                                                                                                                       Ulrich Huar, Berlin

 

 

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Anmerkungen (Quellennachweise):


 

1)Westeuropa und Asien bleiben in der vorliegenden Arbeit unberücksichtigt.

2) „...unpopulär among large sections of the population.“ Sir Liewellyn Woodward: British Foreign Policy in the Second Worid War. London 1962. Her Majesty’s Stationary Office. S. 350. Im weiteren L. Woodward genannt.

3) „...dominate the Resistance Movements.“ Ebd.

4) Die britische Regierung „had to use force, but there is no doubt that the great majority of the Greek nation welcomed their interference...“ Ebd. S. 351. Seltsam! Eine Seite vorher bescheinigt L.Woodward, daß die griechische Monarchie unter weiten Kreisen der Bevölkerung verhaßt war, während sie nunmehr den Briten dankbar waren, ihren lieben König zurückzubekommen. Siehe Fußnote 2.

5) Winston S. Churchill: Der Zweite Weltkrieg. (Von Churchill selbst bear-beiteteeinbändige Fassung seines 12-bändigen Memoirenwerkes.) Frankfurt/Main 2003. S. 1007 f. Hervorhebung im Original.

6) „...mob violence and communist dictatorship.“ L.Woodward, a.a.O. S. 358.

7) Elliot Roosevelt: Wie er es sah. (AS HE SAW IT). l. Auflage. Zürich 1947, S. 278.

8) Ebd. S. 285.

9) Ebd. S. 289.

10) Churchill, a.a.O. S. 1008. Hervorhebung im Original.

10a) Siehe Ulrich Huar: Stalins Beiträge zur marxistisch-leninistischen Militärtheorie und -politik. Das Jahr 1943. Teil 1. In: Schriftenreihe für marxistisch-leninistische Bildung der Kommunistischen Partei Deutschlands Teil l/ Heft Nr. 168/1. Berlin, April 2004, S. 3 - 10.

10b) Prawda, l. Mai 1944. Zitiert nach K.S. Moskalenko: In der Südwestrichtung, Bd. 2. Moskau 1975/Berlin 1979. S. 362.

 

10c) Briefwechsel Stalins mit Churchill, Attlee, Roosevelt und Truman. 1941 - 1945, Hersg. vom Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR. Moskau 1957/Berlin 1961. S. 278 f.

10d) Ebd. S. 281.

10e) Ebd. S. 287.

10f) Ebd. S. 289.

10g) Moskalenko, a.a.O. S. 363.

10f) Ebd. S. 364.

10i) Schtemenko: Im Generalstab. Bd. 2. Moskau 1973/Berlin 1985. 3. Auflage. S. 327.

11) Antipenko: In der Hauptrichtung. Moskau 1971/Berlin 1973. S. 213.

12) Krainjukow: Vom Dnepr zur Weichsel. Wojenisdat 1971/Berlin 1977. S. 259.

13) Ebd. S. 260 f.

14) Ebd. S. 261 f.

15) Ebd. S. 262.

16) Zitiert nach Geschichte des Zweiten Weltkrieges 1939 - 1945 in zwölf Bänden. Bd. 10. Hrsg. von Institut für Militärgeschichte des Ministeriums für Verteidigung der UdSSR, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU, Institut für allgemeine Geschichte der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Institut für Geschichte der UdSSR der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Moskau 1979/Berlin 1982, S. 67.

17) Karl Marx/Friedrich Engels Werke (MEW) Bd. 7. Berlin 1976. S.93.

18) Ebd.

19) Antipenko, a.a.O. S. 216 f.

20) Ebd. S. 217.

21) Ebd. S. 216.

22) Ebd. S. 222 ff.

23) Valentin Falin: Zweite Front. Die Interessenkonflikte in der Anti-Hitler-Koalition. München 1997. S. 378. Hervorhebungen von mir.

23a) Siehe Ulrich Huar: Stalins Beiträge zur marxistisch-leninistischen Militärtheorie und -politik. Das Jahr 1943. Teil l, a.a.O. S 39 - 44.

24) Siehe Falin, a.a.O. S. 548, Fußnote 89.

25) Der Aufstand „...was not an unplanned attack...“. Sir L. Woodward, a.a.O. S. 300.

26) Die „Polish Underground Movement which was controlled by the Polish Government in London.“ Ebd. S. 287.

27) „We must continue to regard the Polish Government in London äs the legitimate Government of Poland.“ Ebd. S. 288.

28) Die polnische Exilregierung und die Delegatur hatten „plans ready for a general rising, ...“ und weiter „...in fact asked for British assistance.“ Es folgte die Empfehlung der britischen Regierung, „...that a rising would be effective only if it took place in agreement and cooperation with the Russians.“ Ebd. S. 300.

29) Die Pläne „...were ready before the Russians, in a rapid advance reached the outskirts of Warsaw on July 29.“ Ebd.

30) „The Russians werde then only 10 kilometers from the city...“ „Genera Bor-Komorowski was, however, unable to get into touch with the Soviet military authorities before issuing his order.“ Ebd. S. 301.

31) „The Poles wanted to liberate Warsaw for themselves, and to have a Polish administration at work before the Russians entered the city; hence they needed to be in control at least twelve hours before the Russians entry.“ Ebd. S. 301, Fußnote l.

32) Kurt von Tippelskirch: Geschichte des Zweiten Weltkrieges. Bonn 1954. S. 471 f. Tippelskirch konnte zur Zeit der Abfassung seines Buches den Plan „Rankin“ und andere, später veröffentlichte Dokumente noch nicht kennen.

33) Briefwechsel Stalins mit Churchill, Attlee, Roosevelt und Truman 1941 - 1945. Moskau 1957/Berlin 1961. S. 308.

34) Ebd. S. 309.

35) Falin, a.a.O. S. 442.

36) Rokossowski: Soldatenpflicht. Erinnerungen eines Frontoberbefehlshabers. Moskau 1968/Berlin 1971. S. 340 f.

37) Ebd. S. 341 f.

38) Ebd. S. 343.

39) Ebd.

40) Ebd. S. 344.

41) Ebd. S. 345.

42) Ebd. S. 348 f.

43) Ebd. S. 350.

44) Ebd. S. 350 f.

45) Ebd. S. 351.

46) Ebd. S. 351 f.

47) Schtemenko war seit 1940 Mitglied, ab 1943 Chef der operativen Verwaltung des Generalstabs, später Chef des Stabes beim Vereinigten Oberkommando der Staaten des Warschauer Vertrages.

48) Schtemenko: Im General stab. Bd. 2, Moskau 1973/Berlin 1985, 3. Auflage. S. 72.

49) Ebd. S. 72 f. Hervorhebungen von mir. Die 1. Belorussische Front hatte in zweimonatigen pausenlosen Angriffen teilweise 600 Kilometer zurückgelegt. Die Truppenteile und Einheiten waren durch Verluste geschwächt, Nachschub und Versorgung desorganisiert. Ahnlich war die Lage bei der 3. und 2. Belorussischen sowie der 1. Ukrainischen Front. Ebd. S. 84.

50) Ebd. S. 73 f.

51) Ebd. S. 74.

52) Ebd. S. 75 ff. Schtemenko berief sich hierbei auf Ausführungen des polnischen Historikers A. Borkiewicz: Powstanie warszawski 1944. Warschau 1957.

53) Ebd. S. 78 f.

54) Ebd. S. 80 f.

55) Ebd. S. 85.

56) Ebd. S. 85 f.

57) Ebd. S. 89.

58) Ebd. Ebd.

59) Ebd.

60) Ebd. S. 89 f.

61) Ebd. S. 90.

62) Ebd. S. 91.

63) Ebd. S. 95.

64) Ebd. S. 96.

65) Ebd. S. 101.

66) Ebd. S. 102.

67) Schtemenko

68) Ebd. S. 114.

69) Tippelskirch, a.a.O. S. 484.

70) Schtemenko, a.a.O. S. 114.

71) Ebd. S. 115.

72) Ebd. S. 120.

73) Ebd. S. 121.

74) Tippelskirch, a.a.O. S. 484.

75) Schtemenko, a.a.O. S.124.

76) Shukow, Bd. II. a.a.O. S. 169.

77) Tippelskirch, a.a.O. S. 481.

78) Schtemenko, a.a.O. S. 128 - 136.

79) Ebd. S. 140.

80) Ebd.

81) Ebd. S. 144.

82) Ebd. S. 148.

83) Ebd. S. 146.

84) Bulgariens Volk im Widerstand. Eine Dokumentation über den bewaffneten Kampf gegen den Faschismus/ hrsg. von P.Georgieff/B.Spiru. Eingeleitet von N. Gornenski/E. Kalte, Berlin 1962, S. 354. Zitiert nach Schtemenko, a.a.O. S. 150.

85) Schtemenko, a.a.O. S. 153.

86) Ebd. S. 154.

87) Ebd.

88) Ebd. S. 156.

89) Ebd. S. 161.

90) Ebd. S. 163.

91) Ebd. S. 164.

92) Ebd. S. 168.

93) Ebd. S. 169.

94) Ebd. S. 169 f.

95) Ebd. S. 171.

96) Georgi Dimitroff: Tagebücher 1933 - 1943. Hersg. von Bernhard H. Bayerlein. Berlin 2000, S. 528.

97) Ebd. S. 648.

98) Schtemenko, a.a.O. S. 196.

99) Dimitroff, a.a.O. S. 644.

100) Ebd. S. 616 f.

101) Schtemenko, a.a.O., S. 190 f.

102) Ebd. S. 206.

103) Ebd.

104) Ebd. S. 228.

105) Churchill: Der zweite Weltkrieg. Bd. VI/1. Dem Sieg entgegen. Stuttgart 1954. S. 182.

106) Winston s. Churchill: Der zweite Weltkrieg. Einbändige Fassung. Frankfurt/Main,a.a.O. S. 989.

107) Ebd. S. 990.

108) Ebd. S. 993.

109) Schtemenko, a.a.O. S. 228.

110) Ebd.

111) Ebd. S. 229.

112) Ebd. S. 218-225. A.A. Gretschko: Über die Karpaten. Moskau 1970, Berlin 1972. S.193 Zoltan Halasz: Kurze Geschichte Ungarns. Corvina Verlag. Budapest 1974. S. 256.

113) Schtemenko, a.a.O. S. 218 f.

114) Gretschko, a.a.O. S. 196. Schtemenko, a.a.O. S. 224 f.

115) Schtemenko, a.a.O. S. 226.

116) Ebd. S. 229 f.

117) Ebd. S. 230.

118) Ebd.

119) Ebd. S. 231.

120) Ebd. S. 232.

121) Ebd. S. 233.

122) Ebd. S.236.

123) Ebd. S. 238.

124) Ge. II. W’krieg, a.a.O. Bd. 10. S. 290.

125) Schtemenko, a.a.O. S. 245.

126) Ebd. S. 248.

127) Zoltan Halasz, a.a.O. S. 255.

128) Ebd. S. 257.

129) Schtemenko, a.a.O. S. 238-241. Zoltan Halasz, a.a.O. S. 260.

130) Schtemenko, a.a.O. S. 243.


 

 

131) Schtemenko Ebd. S. 288 u. 292.

132) Konew: Aufzeichnungen eines Frontoberbefehlshaber 1943/44. Moskau 1972/Berlin 1978, S. 288.

132a) Ge. II. W’krieg, a.a.O. Bd. 8, S. 245. Im Mai 1939 war eine illegale Führung der Kommunistischen Partei der Slowakei (KPS) gebildet worden. Die Einheit mit der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPC) blieb gewahrt. Nach dem Überfall der deutschen Faschisten auf die Sowjetunion leitete die in Moskau gebildete Parteizentrale KPS und KPC. An der Spitze der KPC stand Clement Gottwald. 1943 wurde die Zentrale in das Auslandsbüro der KPC umgebildet.

133) Konew, a.a.O. S. 291.

134) Ebd. S. 289.

134a) Deutscher Wortlaut nach „Völkischer Beobachter“, vom 24. März 1939. Zitiert nach: Wolfgang Venohr: Aufstand für die Tschechoslowakei. Der slowakische Freiheitskampf von 1944. Hamburg 1969, S. 287 f.

134b) Bleyer, K. Drechsler, G.Förster, G. Hass: Deutschland von 1939 - 1945. Berlin 1969, S. 162.

134b*) Venohr, a.a.O. S. 290.

134c) Ge. II. W’krieg, Bd. 8. a.a.O. S. 246.

134d) Konew, a.a.O. S. 292.

134e) Schtemenko, a.a.O. S. 309 f.

135) Carl von Clausewitz: Vom Kriege. Jubiläumsausgabe Januar 2003. München 2003, S. 529.

136) Schtemenko, a.a.O. S. 283.

136a) Ge. II. W’krieg, Bd. 8, a.a.O. S. 247f.

137) Schtemenko, a.a.O. S. 285.

138) Ebd. S. 286.

139) Ebd.

140) Ebd. S. 289 f.

141) Ebd. S. 290.

141a) Siehe Venohr, a.a.O. S. 119 - 121.

 

 

142) Schtemenko, a.a.O. S. 290 f.

143) Ebd. S. 291.

144) Konew, a.a.O. S. 290.

145) Schtemenko, a.a.O. S. 293.

146) Ebd. S. 294.

147) Ebd.

148) Ebd.

149) Siehe Konew, a.a.O. S. 287-347; K.S. Moskalenko: In der Südwestrichtung 1943-45, Bd.2, Moskau 1975/Berlin 1979, S.418 - 507. A.A. Gretschko: Über die Karpaten. Moskau 1970/Berlin 1972, S. 165 - 261.

150) Konew, a.a.O., S. 297.

151) Ebd.

152) Ebd. S. 297 f.

153) Ebd. S. 299 - 306, Schtemenko, a.a.O. S. 294 - 299.

153a) Schtemenko, a.a.O. S. 297.

154) Ebd. S. 295 f.

155) Ebd. S. 296, Moskalenko, a.a.O. S. 422 f.

156) Schtemenko, a.a.O. S. 300.

157) Ebd. S. 303 f. und Konew, a.a.O. S. 311.

158) Schtemenko, a.a.O. S. 305.

159) Ebd. S. 305 - 307.

160) Ebd. S. 310.

161) Churchill, Der Zweite Weltkrieg, einbändige Fassung, a.a.O. S. 1042.

162) Ebd. S. 1049.

163) Ebd. S. 1065.

164) Malachow: Die Befreiung Österreichs. In: Die Befreiungsmis-sion der Sowjetstreitkräfte im zweiten Weltkrieg. Unter der Redaktion und mit einem Vorwort von Marschall der Sowjetunion A.A. Gretsch-ko. Moskau 1971/Berlin 1973. S. 343.

165) Schtemenko, Bd. 2., a.a.O. S. 317 f.

166) Malachow, a.a.O., S. 340.

166a) Maiski: Memoiren eines sowjetischen Botschafters. Moskau 1964 und 1965/Berlin 1984. S. 408.

167) Ge. II. W’krieg, Bd. 7., a.a.O. S. 401.

168) Stalin, Werke, Ed. 15. Verlag Roter Morgen, 2. Auflage, Dortmund 1976, S. 333.

169) Schtemenko, a.a.O. S. 314. Karl Renner, (1870 - 1950). Mitglied der Sozialdemokratie seit 1894, führender Austromarxist, veröffentlichte theoretisch-historische Schriften zur Nationalitätenfrage; 1919/20 Bundeskanzler und Außenminister, 1931/33 Präsident des Nationalrates, 1945 provisorischer Regierungschef, 1945/50 Bundespräsident. (Kleine Enzyklopädie Weltgeschichte. Bd. 2. Leipzig 1979, S. 127.

169a) Stalin: Marxismus und Nationale Frage. In: SW 2/273, 288 ff, 294 f.

170) Schtemenko, a.a.O. S. 314.

171) Ebd. S. 315.

172) Ebd. S. 315 f.

173) Ebd. S. 316.

174) Ebd.

175) Ebd. S. 323 f.

176) Ebd. S. 325.

177) Malachow, a.a.O. S. 353.

178) „Österreichische Volksstimme“, Wien, 29. November 1945. Zitiert nach Malachow, a.a.O. S. 354.

179) Malachow, a.a.O. Ebd.

180) Schtemenko, a.a.O. S. 321 f.

181) Malachow, a.a.O. S. 350 ff.

182) Merezkow: Im Dienste des Volkes. Moskau 1968/Berlin 1982, dritte Auflage, S. 318.

183) Ebd. S. 49.

184) John Keegan: Der Erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie. Reinbek bei Hamburg, Oktober 2001, S. 530.

185) Churchill: Der Zweite Weltkrieg, einbändige Fassung, a.a.O. S.229.

186) Ge. II. W’krieg, Bd. 8. a.a.O. S. 292 f.

187) Noskow, Das Ausscheiden Finnlands aus dem Krieg. Die Befreiung Nordnorwegens. In: Die Befrei-ungsmission der Sowjetstreitkräfte... a.a.O. S. 261.

188) Churchill: Der Zweite Weltkrieg, einbändige Fassung, a.a.O. S. 230.

189) Ebd. S. 231, 233, 234, 237.

190) Merezkow, a.a.O. S. 157.

191) Siehe Waldemar Erfurth: Der Finnische Krieg 1941 - 1944. 2. überarbeitete Auflage 1977. Wiesbaden und München 1950, S. 197. General der Infanterie Erfurth war der Verbindungsoffizier vom OKW zum finnischen Generalstab.

192) Merezkow, a.a.O. S. 158.

193) Ebd. S. 158 f.

193a) Siehe Dokumente und Materialien aus der Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges. Bd. II. Das Archiv Dirksens (1938-1939). Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR. Moskau 1949, S. 105.

194) Merezkow, a.a.O. S. 158.

195) Ebd. S. 159 f.

196) Ebd. S. 162 f.

197) Ebd. S. 161 f und 166. Darauf wurde bereits in der Schriftenreihe der KPD Stalins Beiträge zur marxistisch-leninistischen Militärtheorie und -Politik, 1941 - 1942/43/Teil l, Heft Nr. 150/1, Berlin, November 2003, S. 10 f. verwiesen, bzw. in offen-siv, gleicher Titel, Heft 14/03, S. 11 f.

198) Bershin: Geschichte der UdSSR. 1917 - 1970. Moskau 1966/Berlin 1971, S. 491.

199) Zitiert nach Erfurth, a.a.O. S. 196.

200) Ebd.

201) Ebd. S. 21.

202) Ebd. S. 21 f.

203) Ebd. S. 26.

204) Ebd.

205) Ebd. S. 26 und 27 f, 34.

206) Ebd. S. 36.

207) Ebd.

208) Ebd. S. 35.

209) Ebd.

209a) Siehe N.G. Kusnezow: Am Vorabend. Moskau 1969/Berlin 1984, 3. Auflage, S. 338.

209b) Ebd. S. 229.

209c) Ebd. S. 230.

209d) Ebd. S. 344.

210) Erfurth, a.a.O. S. 38.

211) Ebd. S. 47.

212) Ebd. S. 202 - 205.

213) Ge. II. W’krieg, Bd. 8, a.a.O. S. 58. - Merezkow, a.a.O. S. 320.

214) Noskow, a.a.O. S. 262 f.

214a) Erfurth, a.a.O. S. 164.

214b) Ebd. S. 168 f.

215) Ge. II. W’krieg, Bd. 8. a.a.O. S. 539.

216) Ebd. Siehe auch Noskow, a.a.O. S. 263.

217) Briefwechsel, a.a.O. S. 263.

218) Schtemenko, a.a.O,S. 339.

219) Ebd.

220) Merezkow, a.a.O. S. 327.

221) Schtemenko, a.a.O. S. 328.

222) Noskow, a.a.O. S. 265. Siehe auch Schtemenko, a.a.O. S. 342.

223) Merezkow, a.a.O. S. 329.

224) Ebd. S. 330.

225) Ebd. S. 330 f.

226) Schtemenko, a.a.O. S. 341.

227) Ebd. S. 341 f.

228) Ebd. S. 342.

228a) Kusnezow: Auf Siegeskurs. Moskau 1975/Berlin 1979. S. 128.

228b) Ebd. S. 132.

228c) Ebd. S. 132, 133.

228d) Ebd.

228e) Ebd. S. 136.

228f) Jürg Meister: Der Seekrieg in den osteuropäischen Gewässern 1941 - 1945. München 1958, S. 201.

229) Verlauf der Kämpfe siehe Merezkow, a.a.O. S. 331 - 334.

230) Ebd. S. 336.

231) Noskow, a.a.O. S. 269.

232) Erfurth, a.a.O. S. 247, 251, 252.

233) Merezkow, a.a.O. S. 337.

234) A.G.Golowko: Zwischen Spitzbergen und Tiksibucht. Moskau 1979/Berlin 1986, S. 203.

235) Merezkow, a.a.O. S. 339 f.

236) Ebd. S. 340.

237) Ebd.

238) Ebd. S. 341.

238a) Meister, a.a.O. S. 185.

239) Verlauf der Kämpfe siehe Merezkow, a.a.O. S. 347 - 353; Golowko, a.a.O. S. 205 - 221.

240) Merezkow, a.a.O. S 352.

240a) Schtemenko, a.a.O. S. 360.

240b) Ebd. Siehe auch Noskow a.a.O. S. 291.

241) Merezkow, a.a.O. S. 352.

241a) Prawda, 5. Juli 1945. Zitiert nach Noskow, a.a.O. S. 291.

242) Merezkow, a.a.O. S. 352.

243) Ebd. S. 353.

244) Zitiert nach Noskow, a.a.O. S. 291.




[1] Diese beiden Daten stehen im Original

[2] * Deklaration des Slowakischen Nationalrates aus Banska Bystrica vom 1. September 1944. - Precan, a.a.O., S. 390 f., Nr. 212.

Quelle: Wolfgang Venohr, „Aufstand für die Tschechoslowakei“, Hamburg 1969