Konzeption des marxistisch-leninistischen Fernstudiums von KPD und offen-siv, März 2020 – September 2021

Konzeption des marxistisch-leninistischen Fernstudiums von KPD und offen-siv, März 2020 – September 2021

„Lernen, lernen und nochmals lernen“ (Lenin)

„Lerne es! Laß es dich nicht verdrießen! Fang an! Du mußt alles wissen! Du mußt die Führung übernehmen.“ (Brecht)

Inhaltliches: Die Schulung soll die Grundlagen des Marxismus-Leninismus vermitteln. Sie wird mit einer Einführung in die erkenntnistheoretischen und philosophischen Grundlagen beginnen, also mit dem dialektischen und historischen Materialismus, dann wird es um die Ökonomie gehen, d.h. Marxsche Kapitalanalyse, Leninsche Imperialismustheorie. Abgeleitet daraus sollen die Grundlagen der politischen Ökonomie des Sozialismus erarbeitet und die historischen Erfahrung analysiert werden. Danach soll es mehr um Politisches gehen:  Klassenkampf, Lenins Parteitheorie, Revolutionstheorie, Bündnispolitik, Kampf gegen den Revisionismus, Diktatur des Proletariats. Hier wollen wir auch die Ursachen der Niederlage des Sozialismus in Europa analysieren. 
Die hauptverantwortlichen Teamer für das Fernstudium werden Jürgen Geppert und Frank Flegel sein, unterstützt von je kompetenten Fachreferenten.

Zur Form des Fernstudiums: Da die potentiellen Teilnehmer/innen weit über das Land verstreut sind und weder wir noch die KPD die Kapazitäten besitzen, in der Fläche regional bzw. kommunal kontinuierliche Schulungsarbeit durchzuführen, haben wir uns für die Form des Fernstudiums entschieden. 
Diese Form bedeutet, dass es zentrale Wochenendseminare geben wird und dazwischen dreimonatige Phasen von Gruppen- bzw. Einzelarbeit vor Ort. Während der Wochenendseminare werden die Referenten die logische Struktur und die wichtigsten „Eckpunkte“ der je kommenden dreimonatigen Lernetappe darstellen, den Teilnehmern/innen zum Ende des Seminares Leitfragen mit auf den Weg geben und nach etwa zwei Monaten um Antworten auf die Leitfragen bitten, um das je nächste Seminar konkret vorbereiten zu können. Im Ganzen denken wir an einen Zeitraum von etwas mehr als eineinhalb Jahren, jeweils unterteilt in 3-monatige Blöcke, es soll sieben Wochenendseminare geben.

Anforderungen an die Teilnehmer/innen: Das Programm ist nicht unkompliziert, es setzt kontinuierliche Arbeit und einige Disziplin voraus. Andererseits ist es auch zu schaffen: als Teilnehmer/in muss man ein- bis zweimal wöchentlich zwei bis drei Stunden Studienzeit aufbringen können und man muss alle drei Monate zu einem zweitägigen Wochenendseminar (Sa. und So.) fahren können. Und man muss sich anschaffen: Karl Marx, Das Kapital, MEW Bd. 23 und Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus (es gibt vielerlei Ausgaben). Des weiteren werden wir gedruckte bzw. kopierte schriftliche Materialien, im wesentlichen Klassikertexte, verteilen.

Technisches und Organisatorisches: Die Seminare sind zweitägige Wochenendseminare, Beginn sonnabends um 12.00 Uhr, Ende sonntags um 14.45 / 15.00 Uhr. Die Zeiträume für die Seminare werden sein: März, Juni, September und November 2020, März, Juni und September 2021. Der Tagungsort wird Hannover sein. Unterkunft am Tagungsort ist möglich, man bringt Trampermatte/Luftmatratze und Schlafsack mit oder man kommt nur mit einem Schlafsack und verlässt sich auf eine der vor Ort vorhandenen Matratzen. Duschen sind vorhanden. Für die Verpflegung sorgen wir selbst, d.h. die „Teamer“ sorgen dafür. 

Kosten: Wir müssen einmalig 15,- Euro für die Druck- und Kopierkosten der Materialien, die wir verteilen, einsammeln. Und für die Miete des Tagungsortes und die Verpflegung müssen wir 10,- Euro pro Person und Wochenende erheben. Dazu kommen natürlich je individuell die Kosten für Hin- und Rückfahrt.
Für Bedürftige mit hohen Anreisekosten werden wir eine Spendenkampagne in der offen-siv und in der Roten Fahne durchführen, damit fehlendes Geld kein Hindernis für’s Lernen ist.

Anmeldungen und Spenden:

Anmeldungen: Tel: 05572 – 999 22 42, Mail: redaktion@offen-siv.com
Spendenkonto: Konto Frank Flegel bei der Sparkasse Hannover, Konto-Nr. DE10 2505 0180 0021 8272 49, Kennwort: Fernstudium.

Überblick über den inhaltlichen Aufbau anhand der Seminarstruktur:

Erstes Seminar , März 2020:

Samstag
12.00 – 12.40 Uhr:
Technisches (Übernachtungen, Verpflegung, Finanzen usw.)
12.40 – 13.00 Uhr:
Überblick über das gesamte Fernstudium. 
13.00 – 14.00 Uhr:
Wissenschaftsbegriff und Begriff des „Begriffs“, Erkenntnistheorie, Materialismus (und Idealismus), Basis-Überbau-Modell. 
14.00 – 14.30 Uhr:
Der Begriff der Gesellschaftsformation, das Verhältnis von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, Grundsätzliches zum Historischen Materialismus.
14.30 – 15.00 Uhr: 
Pause
15.00 – 16.30 Uhr:
Die bisherigen Gesellschaftsformationen der Menschheit: 
Urgesellschaft, Stammesgesellschaft, Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus, Sozialismus.
16.30 – 17.00 Uhr:
Pause 
17.00 – 19.30 Uhr:
Kapitalismus: Marxsche Methode, dann: 
Ware und Geld, Arbeitswerttheorie, Doppelcharakter der Ware und der Arbeit, Wert und Preis der Ware, Herausbildung des Geldes
19.00 – 19.30 Uhr:
Abendessen,
danach am besten eine kurze Vorstellungsrunde und Zeit zum Quatschen usw.

Sonntag
08.00 Uhr:
Frühstück
09.00 – 09.30 Uhr:
Wiederholung Materialismus und Idealismus, Marxsche Methode, dann Wiederholung Ware und Geld.
09.30 – 10.30 Uhr:
Fetischcharakter der Ware und des Geldes.
Die Warenzirkulation. Verschlingung der Zirkulationsketten. Die individuelle Konsumtion.
10.30 – 11.00 Uhr:
Pause
11.00 – 12.30Uhr:
Verwandlung von Geld in Kapital: Der einfache Begriff des Kapitals, 
die Arbeitskraft als Ware, 
Mehrwertproduktion=Ausbeutung bei Einhaltung des Gesetze des Warentausches.
Die notwendig entstehenden Charaktermasken. 
Die Klassen und der ökonomische Klassenkampf.
12.30 – 13.00 Uhr:
Mittagspause
13.00 – 14.00 Uhr:
Mystifizierung der Oberfläche des Kapitals (Stichwort Zirkulationssphäre), Unsichtbarkeit der Ausbeutung.  Zusammenfassung: Warenfetisch, Geldfetisch, der schöne Schein der Oberfläche des Kapitals, Unsichtbarkeit der Ausbeutung. Der Begriff des „notwendig falschen Bewusstseins“. 
14.00 – 14.45 Uhr:
Literaturhinweise,
Rückmeldung über das Seminar, danach Heimreise.

Zweites Seminar , Juni 2020:

Samstag
12.00 – 14.00 Uhr:
Wiederholung und Klärung offener Fragen der ersten Etappe. 
14.00 – 14.30 Uhr 
Pause
14.30 – 16.00 Uhr
Formen der Mehrwertproduktion, Produktivkraftsteigerung im Kapitalismus, der Begriff der produktiven Arbeit (darin Exkurs zur Benachteiligung der Frau im Kapitalismus), Mehrwertrate und Profitrate, die Jagd nach dem Extraprofit. Der Kapitalfetisch.
16.00 – 16.30 Uhr
Pause
16.30 – 17.30 Uhr:
Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Produktivkraftsteigerung, Arbeitslosigkeit, Ableitung des Bankkapitals. 
17.30 – 18.00 Uhr:
Pause 
18.00 – 19.00 Uhr:
Monopolbildung, Monopolprofite, Folgen für die Gesellschaft.
19.00 – 20.00 Uhr
Abendessen,
danach Klönen, Diskutieren, Kontakte verstärken usw. 

Sonntag
09.00 – 09.20 Uhr:
Kurze Wiederholung: Formen der Mehrwertproduktion, Begriff produktiver Arbeit, allgemeines Gesetz der kapitalistischen Akkumulation, Monopolbildung. 
09.20 – 10.30 Uhr:
Organische Zusammensetzung des Kapitals und Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate. Die allgemeine Krise des Kapitals.
10.30 – 11.00 Uhr:
Das Gesetz der ungleichen Entwicklung. Ausplünderung der Peripherie und die Entwicklung konkurrierender imperialistischer Zentren. Kriege der Zentren gegeneinander und um weltweite Einflusssphären. 
11.00 – 11.30 Uhr:
Pause
11.30 – 12.30 Uhr:
Lenins Imperialismustheorie, darin Besonders: Das Finanzkapital, die Tatsache, dass es sich um faulenden, sterbenden Kapitalismus handelt und deshalb die Alternative vor der Tür steht: der Sozialismus.
12.30 – 13.30 Uhr:
Mittagspause
13.30 – 14.30 Uhr:
Literaturhinweise,
Rückmeldungen zum Seminar. Danach: Heimreise.

Drittes Seminar, September 2020:

Samstag:
12.00 – 14.00 Uhr:
Wiederholung und Klärung offener Fragen der zweiten Etappe. 
14.00 – 14.30 Uhr 
Pause 
14.30 – 16.30 Uhr
1. Marxistische Krisentheorie. Die zyklische Bewegung des Kapitals – oder: die Reproduktionszyklen und ihre Auswirkungen. Dabei zur Illustration evtl. Gruppenarbeit anhand der Statistiken der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der BRD, dabei besonderes Augenmerk auf die Geschichte der letzten tiefen Krise, also die Krisenentwicklung von 2007/8 und die Entwicklung bis heute. 
2. Aktuelle Internationalisierung des Krisengeschehens bezogen auf Europa und die USA. Darin evtl. Gruppenarbeit anhand der Daten ausgewählter anderer Staaten (Italien, Spanien, Griechenland, USA). Deutschland als Gewinner.
16.30 – 17.00 Uhr: 
Pause 
17.00 – 18.00 Uhr
Andere kapitalistische Krisenformen: Strukturkrisen, Rohstoffkrisen, Absatzkrisen, Finanzkrisen (Bankencrash).
18.00 – 19.00 Uhr 
Abendessen.
19.00 – 21.00 Uhr:
Eventuelle Publikationsprojekte

Sonntag:
09.00 -10.30 Uhr
Der deutsche Imperialismus. Vorgeschichte des 1. Weltkrieges. Vorgeschichte des 2. Weltkrieges.
Die Nachkriegsordnung. 
10.30 – 11.00 Uhr
Pause 
11.00 – 12.00 Uhr
Der deutsche Imperialismus seit 1989. 
12.00 – 12.45 Uhr
Mittagspause
12.45 – 14.00 Uhr
14.00 – 14.30 Uhr
Literaturhinweise,
Rückmeldungen zum Seminar, danach: Heimreise.

Viertes Seminar, Dezember 2020:

Samstag

12.00 – 12.30 Uhr: 
Organisatorisches.
12.30 – 13.30 Uhr: 
Johann und Frank: Wiederholung und Klärung offener Fragen der dritten Etappe.
13.30 – 14.15 Uhr: 
Frank: Die Funktion von IWF, Weltbank und EZB. Die aktuelle Situation der imperialistischen Konkurrenz, die Frage der „Weltwährung“. Die aktuellen Machtblöcke: Deutsch-Europa, USA, Russland, China. Rolle der Gegengründungen: BRICS-Staaten, Schanghai-Staaten, Alba.
14.15 – 14.45 Uhr:
Pause
14.45 – 16.00 Uhr 
Frank: Staatstheorie – der Staat überhaupt, und: der bürgerliche Staat
Was ist ein Staat, ab wann gibt es ihn in der Menschheitsgeschichte und warum. 
Funktionen des bürgerlichen Staates (Recht, allgemeine Produktionsbedingungen, Aufrechterhaltung des Systems). Formen des bürgerlichen Staates. Dabei ausführlich die parlamentarische Demokratie. Integrationsfunktion des Parlamentarismus. Illusionen in den Parlamentarismus. Rekurs auf die Mystifizierung der Oberfläche des Kapitals. 
Kritik des Reformismus und der Illusion vom „parlamentarischen Weg“. (D.h. des „Demokratischen Sozialismus“, des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, warnende Beispiele: Chile, Nicaragua, heute in Gefahr: Venezuela). Bedeutung und Überschätzung der Erklärung der „Menschenrechte“ und der UNO.
16.00 – 16.30 Uhr: 
Kaffeepause.
16.30 – 18.30 Uhr: 
Frank: Politische Ökonomie des Sozialismus, theoretische Grundlagen, erster Teil:
Überwindung des Kapitalismus/Imperialismus = Kommunismus. Warum gibt es keine andere Lösung? Systemanalyse versus jeglicher Reformversuche.
Definition Kommunismus, Definition Sozialismus. 
Vergesellschaftung der Produktionsmittel. Voraussetzung dafür: Erringen der politischen Macht der Arbeiterklasse, (wie? Durch Zerschlagen der alten Staatsmaschinerie und Aufbau eigener Machtorgane), d.h. politische und ökonomische Entmachtung der Kapitalistenklasse, d.h. deren Enteignung, d.h. Eleminieren der Bourgeoisie als Klasse. Neue Wirtschaftsform: Planwirtschaft. 
Planwirtschaft = es herrscht nicht das Wertgesetz, sondern eine von Menschen für Menschen gestaltete Ökonomie, d.h. die Ökonomie wird das erste Mal in der Geschichte der Menschheit dem menschlichen Willen zugänglich (natürlich bei Berücksichtigung der grundlegenden Wirtschaftsgesetze, vor allem der Reproduktion und der Produktivkraftsteigerung).
Planwirtschaft = Volkswirtschaft versus Betriebswirtschaft, es zählt nicht die Rentabilität eines Betriebes, sondern die Rentabilität der gesamten Volkswirtschaft. Planwirtschaft = Wirtschaftsdemokratie. Der Begriff „Demokratie“. Kein Plan ohne Mitwirkung des Volkes an seiner Gestaltung. Demokratie ist der Planwirtschaft wesenseigen. Das ist wirkliche Demokratie. Vergleich parlamentarische Demokratie und sozialistische Demokratie.
18.30 – 19.30 Uhr: 
Abendessen.
19.30 – ca. 21.00 Uhr:
Frank: Politische Ökonomie des Sozialismus, theoretische Grundlagen, zweiter Teil:
Der Staat im Sozialismus. Ökonomie und Staat. Der Staat wird Gesellschaft. Rolle des Zentralismus (Zentralismus als Bedingung für das spätere „Absterben“ des Staates im Kommunismus).
Funktion des Geldes im Sozialismus. Funktion des Arbeitslohns im Sozialismus. Rolle der Partei. (Verschmelzung oder Trennung von Staat und Partei?) Klassenkampf im Inneren. Klassenkampf von außen.

Sonntag

09.00 – 09.30 Uhr:
Frank: Kurze Wiederholung vom Samstag.
09.30 – 11.00 Uhr: 
Michael: Praxis des Sozialismus in der UdSSR, erster Teil: Der Aufbau
Die Neue Ökonomische Politik. Die Kollektivierung der Landwirtschaft. Die Industrialisierung. Der Klassenkampf im Land und in der Partei. Die Masseninitiativen. Der Sieg im 2. Weltkrieg. 
11.00 – 11.30 Uhr
Pause 
11.30 – 13.00 Uhr:
Gregor: Praxis des Sozialismus in der UdSSR, zweiter Teil: Der Abbau der Planwirtschaft und die Konterrevolution
Analyse des Rückbaus der Planwirtschaft in der Sowjetunion seit 1953: Die Ära Chruschtschow, die Kossygin-Reformen, Gorbatschows Perestroika , die Konterrevolution. Hinweis auf das Revisionismusproblem, das beim nächsten Seminar behandelt werden wird.
13.00 – 14.00 Uhr: 
Mittagspause
14.00 – 14.30 Uhr:
Literaturhinweise,
Rückmeldungen zum Seminar, danach Heimreise.

Fünftes Seminar: März 2021 

Samstag

12.00 – 12.30 Uhr:
Begrüßung, Organisatorisches. 
12.30 –  13.30 Uhr:
Gregor, Michael und Frank: Wiederholung und Klärung offener Fragen der vierten Etappe. 
13.30 – 14.00 Uhr:
Pause
14.00 – 16.00 Uhr:
Jürgen: DDR, der Aufbau 
Gründung der DDR (und vorher der SED), das Brechen des Bildungsmonopols, die Lösung der Landwirtschaftsfrage, die Sozialpolitik, die Jugendpolitik, die Friedenspolitik, die internationale Solidarität.
16.00 – 16.30 Uhr: 
Pause
16.30 – 18.30 Uhr:
Johann: DDR, die Konterrevolution 
Erstarken des Revisionismus in der SED, Opportunismus, Wirtschaftsprobleme, Zerstörung der DDR. 
18.30 – 19.30 Uhr: 
Abendessen
19.30 Uhr bis 21.00:
Frank: Einleitung: Das Revisionismusproblem.
Heinz: Lenin zum klassischen Revisionismus.
Frank: Der moderne Revisionismus – auf politischer Ebene und auf ökonomischer Ebene. Der Anti-Stalinismus.

Sonntag:

09.00 – 9.40 Uhr:
Jürgen, Johann, Heinz und Frank: Kurze Wiederholung vom Vortag (jeder 10 Minuten!)
9.40 – 11.00 Uhr:
Imdat: Die typischen Einfallsstore des Revisionismus
11.00 – 11.30 Uhr:
Pause
11.30 – 13.00 Uhr:
Frank: Die Verbrechen des Revisionismus
Tafelbild auf Zuruf, Strukturierung durch den Referenten.
13.00 – 14.00 Uhr: 
Mittagspause
14.00 – 14.30 Uhr:
Literaturhinweise, Rückmeldung über das Seminar, Heimreise.

Sechstes Seminar Juni 2021:

Samstag:

12.00 – 12.30 Uhr:
Begrüßung, Organisatorisches.  
12.30 –  13.30 Uhr:
Wiederholung und Klärung offener Fragen der fünften Etappe. 
13.30 – 14.00 Uhr:
Pause
14.00 – 15.00 Uhr:
Frank: Parteitheorie, Teil 1: Der Weg zur Organisation der Klasse: Die Partei.
Klassen und Klassenkampf, Klasse an sich und Klasse für sich. Notwendigkeit der Partei. Wissenschaft und Partei. 
15.00 – 15.45 Uhr: Michael: Parteitheorie, Teil 2: Kaderpartei oder Massenpartei? Die Partei und die Theoriebildung. Der demokratische Zentralismus. Fraktionsverbot. Parteidisziplin. Kampfformen.
15.45 – 16.15 Uhr:
Pause
16.15 – 17.30 Uhr: 
Frank: Strategische Probleme der kommunistischen Partei (und der kommunistischen Weltbewegung): 
Proletarischer Internationalismus, Dialektik von Reform und Revolution, Partei und Gewerkschaften, Bündnispolitik: Punktuelle Bündnisse, Aktionseinheit, Einheitsfront und Volksfront. Der Kampf gegen die Sozialdemokratie und die historischen Erfahrungen mit der Einheitsfronttaktik. Das Revisionismusproblem.  
17.30 – 18.30 Uhr: 
Johann: Geschichte der kommunistischen Bewegung in Deutschland
18.30 – 19.30 Uhr:
Abendessen
19.30 – 21.00 Uhr:
Heinz: Lenins Revolutionstheorie. 

Sonntag:

09.00 – 11.00 Uhr:
Frank: Kriterien für kommunistische Agitation und Propaganda, abgeleitet aus den Mystifizierungen der Oberfläche des Kapitals und der Fetischbildungen sowie den Illusionen in die parlamentarische Demokratie. 
11.00 – 11.30 Uhr:
Pause
11.30 Uhr –  12.15 Uhr:
In Kleingruppen: Exemplarische Analysen vorhandener historischer und aktueller Beispiele für kommunistische Agitation und Propaganda, Reflexion, Kritik und Verbesserung.
12.15 – 12.45 Uhr
Frank: Vorstellung der Gruppenarbeitsergebnisse. 
13.00 – 13.45 Uhr:
Mittagessen
13.45 – 14.30 Uhr:
Wie weiter?
14.15 – 14.45 Uhr:
Literaturhinweise,  Rückmeldung über das Seminar, Aufräumen, Heimreise.

Siebentes und letztes Seminar (September 2021):

Samstag

12.00 – 12.30 Uhr:
Begrüßung, Organisatorisches. 
12.30 –  14.00 Uhr:
Wiederholung und Klärung offener Fragen der sechsten Etappe. 
14.00 – 14.30 Uhr:
Pause 
14.30 – 15.15 Uhr:
Frank: Die Reaktionen einiger europäischer Kommunistischer Parteien auf den XX. Parteitag der KPdSU
15.15 – 16.00 Uhr
Frank: Überblick über die Entwicklung in den RGW-Staaten. Weichenstellungen vor allem vom II. Weltkrieg bis Anfang der 60er Jahre.
16.00 – 16.30 Uhr:
Pause
16.30 – 17.30 Uhr:
Anti-Imperialismus und anti-imperialistische Kämpfe, 1. Teil: Der II. Weltkongress der Kommunistischen Internationale über die nationale und koloniale Frage.
17.30 – 19.30 Uhr
Anti-Imperialismus und anti-imperialistische Kämpfe, 2. Teil: ausgewählte historische Bespiele, z.B.: Korea, Vietnam, Palästina, Angola.
19.30 – 20.30 Uhr:
Abendessen
20.30 – 21.30 Uhr:
Frank (Moderation): Unsere eventuellen Publikationsvorhaben

Sonntag

Thema: Der aktuelle Zustand der kommunistischen Bewegung in Deutschland. 

09.00 – 10.30 Uhr:
Von Zentrismus und Revisionismus beeinflusste Vereinigungen (was nicht heißen soll, dass es dort nicht auch hervorragende Kommunisten gibt)
10.30 – 10.45 Uhr:
Pause
10.45 – 11.00 Uhr: 
Die Reste von Trotzkismus und Spät-Maoismus
11.00 – 12.00 Uhr: 
Der anti-revisionistische Teil der kommunistischen Bewegung in Deutschland
12.00 – 12.15 Uhr:
Pause
12.15 – 13.15 Uhr:
Frank (Moderation): Was tun? Fragen der Kooperation der Organisationen.
Dabei auch: Zukunft des Fernstudiums, Organisation von Referenten- und Teamerausbildung.
13.15 – 14.00 Uhr:
Mittagspause
14.00 – 14.45 Uhr:
Rückmeldung über das Seminar und über das gesamte Fernstudium, Heimreise.

Max Lehner in der NS-Zeit – Geschichte einer Verfolgung

„…1918 / 1919 […] wurde die deutsche Front […] von Juden und Verbrechern hinterhältig erdolcht. […] Wir haben dann bis 1933 sehen müssen, dass in Deutschland die Juden ihre Herrschaft ausübten, dass die Finanzgewalt, Theater, Presse usw. in der Hauptsache in jüdischen Händen lag und dass auch die Inflation ein Werk der Juden war. […] Diesem internationalen Judentum war es gelungen, sich in den deutschen Volkskörper einzunisten und ungeheuren Schaden anzurichten. […] Wir haben bisher nichts getan in Freising gegen die Juden und auch nichts gegen die Judenknechte. Wir werden nun aber sorgen, dass Freisings Geschäftswelt nicht mehr von Juden belästigt wird.“ ((Allgemeine Empörung der Freisinger Bevölkerung gegen die jüdische Mordtat, Freisinger Nachrichten (im folgenden FN), 11.11.1938))

Am Abend des 10. November 1938 hörten mehrere Tausend Freisinger Hetzreden wie diese des NSDAP-Kreisleiters Carl Lederer. Die Versammlungssäle im Collosseum, dem heutigen „Woolworth“, dem Stiegl-Bräu, Grünen Hof und Neuwirt in Neustift waren gut gefüllt. ((Lederer sprach im Collosseum. Als weitere Redner werden genannt: Bezirksschulrat Lenz (Stiegl-Bräu), Kreisschulungsleiter Dr. Nickl (Grüner Hof) und Ortsgruppenleiter Dr. Kattermann (Neuwirt). FN, 11.01.1938))

Im Anschluss an die Hetzkundgebungen, nach neun Uhr abends, machte sich ein Mob von 3.000 Personen auf den Weg, Freising, „judenfrei“ zu machen. Mehrere jüdische Bürger Freisings, Siegfried Neuburger, Oskar Holzer und Max Schülein waren bereits im Rahmen der deutschlandweiten Pogrome, die man zynisch Reichskristallnacht nannte, in das KZ Dachau verschleppt worden.

Über die folgenden Ereignisse gibt es einen Polizeibericht, eine geschönte, offiziöse Version ganz in der Diktion der Nazis:
„Ein Trupp dieser Leute, vielleicht 200 Personen, zog vor das Haus des Juden Holzer […]. Sie forderten, dass die Tochter des Juden, Irma Holzer, eine äußerst freche und unverschämte Jüdin, herauskomme. Der Aufforderung kam sie nach. Nun wurde sie auf der Straße etwa 100 m weit zum „Anschauen“ herumgeführt. […] Von der Schutzpolizei wurde sie zu ihrem persönlichen Schutz in Haft genommen […]. Etwa zur gleichen Zeit wurde der arische Rechtsanwalt Max Lehner, der judenhörig ist und bei Geldeintreibungen Juden vor Gericht vertritt, mit Gewalt aus seiner Wohnung geholt. Es begab sich ein Trupp vor seine Wohnung und forderte ihn auf, herauszukommen. Da nicht geöffnet wurde, ist die Wohnungstüre eingedrückt worden, auch ging eine Fensterscheibe in Trümmer. Es wurde ihm dann [ein] Transparent „Juda verecke“ [sic!] in die Hand gedrückt, das er eine längere Wegstrecke tragen musste. In seiner Wohnung erhielt er ein paar Ohrfeigen. […] Nachdem die Schutzpolizei mit der Unterbringung der Jüdin fertig war, rückte sie aus und nahm auch Lehner fest. Er wurde zu seiner persönlichen Sicherheit und auf seinen eigenen Wunsch in Schutzhaft genommen.“ ((Schutzpolizei der Stadt Freising: „Betreff: Judenaktionen.“, 11.11.1938, StAM, LRA 116523)) Nach der Familienüberlieferung war Lehner im Nachthemd, als man ihn durch die Straßen zerrte. ((Freundliche Mitteilung von Luise Gutmann, 23.01.2016))

Es gibt noch zwei weitere Versionen über die Aufschrift auf dem Schild: „Ich bin ein Judenknecht“ und „Raus Du Judengenosse“. (((Spruchkammer Freising-Stadt, Spruch Max Lehner, AZ J 619/47, 02.09.1947, Begründung., StAM Spruchkammern 3210 Lehner, Max („Judenknecht“); „Vormerkung“, wohl der NSDAP-Gauleitung Oberbayern, undatiert, Kopie im Archiv des Verfassers, freundliche Überlassung durch Luise Gutmann (Tochter von Max Lehner); (im Folgenden „Akten Lehner“), („Judengenosse“).)) Zum Ort der Ereignisse: Das Anwesen Holzer befand sich der Oberen Hauptstraße 9, Max Lehner wohnte an Plantagenweg 1. Der braune Mob zog also wohl aus der Altstadt durch die Ziegelgasse und Prinz-Ludwig-Straße. Auch wenn Quellen fehlen, darf angenommen werden, dass die Aktion gegen Irma Holzer und Max Lehner geplant war, wie dies aus anderen Orten belegt ist. Überall wurde der Terror der Pogromnacht als „spontane Aufwallung des Volkszorns“ ausgegeben, war aber von der Nazipartei sorgfältig vorbereitet.

Diese Terroraktion der Freisinger Nazis war ein Wendepunkt im Leben von Max Lehner, auch wenn er am nächsten Tag aus dem Freisinger Gefängnis in der Fischergasse wieder entlassen wurde. Die Freisinger Nazis hatten nicht vor, ihn in Ruhe zu lassen; sie wollten seine Existenz vernichten.

*

Bevor wir das weitere Schicksal von Max Lehner verfolgen, müssen wir untersuchen, warum der Mann, der seit 1933 eine erfolgreiche Anwaltskanzlei betrieb, ((Max Lehner studierte vom Sommersemester 1925 bis Wintersemester 1928/1929 an der Ludwig-Maximilians-Universität München Jura. Staatsexamen 2.02.1929 und 28.07.1932, Vereidigung am 31.12.1933, Personenverzeichnisse LMU München, Fragebogen Max Lehner, undatiert [wohl 1939], Akten Lehner)) von den Nazis derart gehasst wurde.

Zunächst zur Familie: Maximilian August Jakob Lehner, geboren am 12. Oktober 1906 in Freising, war in seinem bisherigen Leben politisch nicht hervorgetreten, wohl aber sein Vater, der Postbeamte Jakob Lehner, der seit 1929 für die Bayerische Volkspartei im Freisinger Stadtrat gesessen hatte und sein Mandat im Zuge der „Gleichschaltung“ im April 1933 verlor. ((FN 11.12.1929)) Jakob Lehner, so Kreisleiter Carl Lederer 1940, „benahm sich in seinem Amte […] als Gegner des Nationalsozialismus. Der Kampf gegen ihn wurde solange geführt, bis er endlich durch die Reichspost in Pension geschickt wurde. Der Vater des Lehner steht auch heute noch ablehnend der Bewegung gegenüber und zeichnet sich dadurch aus, dass er bei Sammlungen usw. den Beweis seiner gegnerischen Einstellung zeigt.“ ((NSDAP-Kreisleitung Freising, Kreisleiter Carl Lederer an Staatsministerium des Inneren, Staatssekretär Max Köglmaier, 08.03.1940, Akten Lehner))

Neben dem Vorwurf, Juden juristisch zu vertreten, scheinen die Anschuldigungen des Kreisleiters Lederer gegen Max Lehner weitgehend substanzlos; so ist von seiner „maßlose(n) Art“ die Rede, den Hitlergruß habe er „in lächerlicher Weise“ angewandt. „Durch seine strenge konfessionelle Einstellung“ habe es Max Lehner verstanden, „den gleichgesinnten Teil der Bevölkerung an sich zu ziehen.“ ((a. a. O.))

Auf diese Vorwürfe gibt es eine Antwort von Max Lehner, der um seine Existenz kämpfen musste und daher verständlicherweise versuchte, die Vorwürfe zu entkräften. Zur Behauptung, er würde den „Deutschen Gruß“ schlampig anwenden, meinte er, „dass ich vielleicht das eine oder andere Mal eine Persönlichkeit im Auto wegen meiner herabgesetzten Sehkraft erst spät erkannte und dass dann der Gruß etwas flüchtig geworden ist.“ ((Max Lehner an Leiter Abteilung X im Staatsministerium des Innern (Dr. Erwin Deischl), 19.03.1940, Akten Lehner)) Bemerkenswert ist Max Lehners Verneinung der „streng konfessionellen Einstellung“. Er gibt an, „an kirchlichen Veranstaltungen (auch Sonntagsmesse u. dergl.), abgesehen von ganz vereinzelten Fällen, nicht teilgenommen“ zu haben. ((Max Lehner an Leiter Abteilung X im Staatsministerium des Innern (Dr. Erwin Deischl), 190.3.1940, Akten Lehner)) Noch überraschender wirkt die Mitteilung des späteren Oberbürgermeisters, „die letzten Jahre vor dem Umbruch nicht zu den damals zahlreichen Wahlen“ gegangen zu sein: „Das damalige Parteigetriebe war mir unangenehm.“ ((a. a. O)) Der Sohn eines BVP-Stadtrats ein Nichtwähler?

Nochmals sei der aus der Zwangslage heraus apologetische Charakter der Stellungnahme betont. Dennoch: Waren nicht Angaben über Wahlbeteiligung anhand von Wählerverzeichnissen überprüfbar? Könnte demnach etwas Wahres an dieser Aussage sein?

In einem Fall zumindest hatte Lehner an einer Wahl teilgenommen: Zufällig hat sich im Stadtarchiv für eine der sechs Wahlen zwischen 1929 und 1933 ein Wählerverzeichnis erhalten, das Max Lehner und seinen Vater Jakob als abstimmend aufführt. ((„Gemeindewahl 1929 Vorbereitung und Durchführung“, StadtAFS, Altakten III – 98)) Es war die Stadtratswahl 1929 – hier wäre es freilich schwer vorstellbar gewesen, dass der Sohn eines Mannes, der erstmals für den Stadtrat kandidierte, nicht zur Wahl ginge.

Mag also das Bekenntnis zur Wahlenthaltung zutreffen oder nicht: Immerhin fällt auf, dass der Mann, der 22 Jahre an der Spitze der Stadt Freising stand, zeitlebens parteilos war. „Parteigetriebe“ war demnach Lehners Sache nicht.

Nach 1945 konnte Max Lehner sein Verhältnis zu den Nazis wahrheitsgemäß schildern. Trotzdem trügt die Hoffnung, dass jetzt die Quellen zu Lehners Widerstand gegen das NS-Regime reichlicher flössen. Denn Max Lehner war kein Mann großer Worte, der sich als großer Widerstandskämpfer dargestellt hätte. Ich habe eine einzige schriftliche Äußerung aus dem Jahr 1947 gefunden, die ein paar Details preisgibt, wobei auch das etwas übertrieben ist: Denn zu den Auseinandersetzungen mit den Nazis, die Lehner in diesem Schreiben in einigen Spiegelstrichen stichpunktartig aufzählt, nennt er teils nur Nachnamen ohne weitere Angaben, teilweise gar keine Namen.

Im Freising des Jahres 1947 kannte wahrscheinlich jeder jeden und die Ereignisse waren frisch im Gedächtnis. Heute dagegen ist es sehr schwierig, die Sachverhalte zu klären. Um zwei Beispiele zu nennen: Beim Internationalen Suchdienst Bad Arolsen, wo Millionen Datensätze von NS-Opfern gespeichert sind, bleibt die Suche nach einem KZ-Häftling, von dem man nur einen Nachnamen ohne weitere Eingrenzungsmöglichkeiten hat, erfolglos.

1947 hatte die Spruchkammer Lehner noch attestiert: „Dass der Betroffene … sich gegen jede Umbiegung des Rechts im nationalsozialistischen Sinne öffentlich in den Sitzungen des Amtsgerichts gewendet hat, dafür bieten die Akten des Amtsgerichts eine erhebliche Anzahl von Beweisen.“ ((Spruchkammer Freising-Stadt, Spruch Max Lehner, AZ J 619/47, 02.09.1947, Begründung, StAM, Spruchkammern 3210 Max Lehner)) Heute sind die betreffenden Gerichtsakten verschollen, wahrscheinlich der Aktenvernichtung zum Opfer gefallen.

Die Forschung hat also noch ein weites Feld und ich kann heute nur ein Zwischenergebnis präsentieren.

In dem genannten Schreiben fasste Max Lehner zusammen, was die Richtlinie seines Handeln als Wahrer des Rechts gewesen war: „Der Nationalsozialismus war eine Gewaltherrschaft ohne Recht für den einzelnen. Er hat die früheren Gesetze vielfach formell aufrecht erhalten, in Wirklichkeit haben seine Organe willkürlich gehandelt und sich über die Gesetze hinweggesetzt. Außerdem gab es aber die spezifisch nat.soz. Gesetze, wie das Heimtückegesetz, das Erbgesundheitsgesetz usw.
Der Rechtsanwalt hatte die Aufgabe, in den ersteren Fällen das formell noch bestehende Gesetz zum Schutz des Einzelnen gegen Willkürakte zur Geltung zu bringen und in den letzteren Fällen den einzelnen vor den formell gültigen nat.soz. Gesetzen zu schützen. Dagegen hat es kein nat.soz. Verbot gegeben, die Partei hat sich eine solche Blöße nicht gegeben nach außen. Die gefährlichsten Verbote aber waren die unausgesprochenen. Inhalt dieser Rechtsanwaltstätigkeit aber war -trotz dieser unausgesprochenen Verbote- Widerstand gegen das nat.soz. Unrecht, die Gewaltherrschaft, zu leisten.“ ((Max Lehner an Spruchkammer Freising-Stadt, 02.08.1947, StAM, Spruchkammern 3210 Max Lehner))

In diesem Sinne war er als Anwalt tätig gewesen: „Bei Freund und Feind galt ich als Anwalt der Nichtnazi.“ ((Max Lehner an Spruchkammer Freising-Stadt, 14.04.1947, Akten Lehner))

Lehner zählt stichpunktartig auf:
Mietsachen, bei denen sich Parteifunktionäre eingemischt hätten, „um rechtskräftige Urteile gegen Pgs. durch Druck auf die Gegenseite außer Wirkung zu setzen.“ ((Max Lehner an Spruchkammer Freising-Stadt, 02.08.1947, StAM, Spruchkammern 3210 Max Lehner))

„Gegen verschiedene bei der Kreisleitung besonders geschätzte Parteileute habe ich Beleidigungsklagen von Nicht-Pgs geführt.“ ((a. a. O.))

„Vielfach wurde ich um Rat angegangen, wie Parteizumutungen und Zwangsmaßnahmen der Partei auszuweichen sei.“ ((a. a. O.))

Max Lehner verteidigte Hans Beck gegen eine Körperverletzungsklage „die die HJ politisch ausschlachten wollte (Hetze gegen ehemalige Angehörige anderer Jugendbünde), so […], dass der Bannführer Benkert als Zeuge mich und meinen Klienten als politisch unzuverlässig in öffentlicher Sitzung des Landgerichts bezeichnete und mich später auf der Straße beschimpfe.“ Hier geht es offenbar um eine Schlägerei zwischen Hitlerjugend und katholischen Jugendlichen. Hans Beck, am 28. Januar 1919 in Freising geboren, wohnhaft am Domberg 4, ((Eltern: Johann Beck, Obermüller und Rosa, geb. Bichlmeier. Hans Beck wurde am 02.04.1938 zum Reichsarbeitsdienst einberufen. Meldekarte Rosa Beck, StadtAFS.)) war Angehöriger der Pfadfinderschaft St. Georg, die als katholische Jugendorganisation bald nach der Machtübernahme ins Visier der Nazis geraten war. Anlässlich der Auflösung eines Treffen der Pfadfinder an der Waldkirche Oberberghausen am 29. April 1934– auch hier war Hans Beck dabei- hatte die Freisinger Polizei das Verbot der Pfadfinder gefordert: „Die konfessionellen Jugendverbände in Freising stehen im groben Gegensatze zu HJ und [Jungvolk] und es sind täglich, fast stündlich, Reibereien zwischen beiden Teilen zu befürchten.“ ((Polizei Freising an bayerische politische Polizei München, 30.04.1934, StadtAFS))

Eine der Aufgaben der Hitlerjugend war es, die Jugend auf dem Krieg vorzubereiten. Bei einer Schießübung der HJ am Haager Wasserkraftwerk, am 2. Weihnachtsfeiertag eines Jahres zwischen 1933-1937 wurde ein Jugendlicher von einem Kameraden versehentlich erschossen. Nach der Erinnerung einer Haager Zeitzeugin hieß der Tote Rudi Huber, Hausname Metzger Lenz. ((Freundliche Mitteilung von Theresia Schindlbeck, Haun, 23.01.2016. Frau Schindlbeck datiert den Vorfall auf 26.12.1940. Die Jahresangabe kann nicht zutreffen, da Max Lehner zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als Rechtsanwalt tätig war. Der Todesschütze soll Max Grassl, Hofname Kramer, gewesen sei, der später im 2. Weltkrieg fiel.)) Die NSDAP-Kreisleitung wollte den Vorgang vertuschen, der Vater des Opfers, der Schmerzensgeld einklagen wollte, fand keinen Anwalt – außer Max Lehner. ((Max Lehner an Spruchkammer Freising-Stadt, 02.08.1947, StAM, Spruchkammern 3210 Max Lehner))

Bei der Vertretung von jüdischen Bürgern vor Gericht ging es ebenfalls darum, „formell noch bestehende Gesetz zum Schutz des Einzelnen gegen Willkürakte zur Geltung zu bringen.“ Lehner vertrat Max Schülein in Mietsachen und Oskar Holzer und Siegfried Neuburger in Geschäftsangelegenheiten. Für einen der letzteren hatte er einen „Mahnbrief wegen einer unstreitigen, durch Warenkauf begründeten Restforderung von ca. 20,- RM, für die schon mehrmals Stundung gewährt worden war“ geschrieben. ((Max Lehner an Leiter Abteilung X im Staatsministerium des Innern (Dr. Erwin Deischl), 19.03.1940, Akten Lehner )) Die Entrechtung der Juden hatte also auch eine ganz handfeste materielle Seite – bei jüdischen Geschäftsleuten gekaufte Waren wurden einfach nicht mehr bezahlt.

Was mit dem „Gesetz der Verhütung erbkranken Nachwuchses“ bezweckt wurde war beispielsweise in den „Freisinger Nachrichten“ unter dem Titel „Freising und die Erbkranken“ nachzulesen: „Ungeheure Beträge sind […] für die Kategorie jener Menschen, die ihre Krankheit vererben, ausgegeben worden […] Nimmt man die ganze Gruppe dieser körperlich und geistig Minderwertigen, so ergibt sich, dass etwa 80 Einwohner einen Dauerkranken ernähren müssen. […] Freising muss im Jahr den Betrag von 160.000 Mark aufbringen…“ ((„Freising und die Erbkranken“, FN, 05.10.1933)) Die wenigen Akten, die in einem Bestand des Landratsamtes im Staatsarchiv über Zwangssterilisationen erhalten sind, geben einen Einblick in den Naziterror: Da gibt es beispielsweise einen Erbstreit zweier Brüder, wo ein Bruder den anderen kurzerhand für „geisteskrank“ erklären lassen will, ein Heimkind aus Birkeneck, Martin Niedermaier, mit 14 Jahren als „angeboren schwachsinnig“ sterilisiert, später im KZ Flossenbürg als sog. „Zigeuner“. Immer wieder wehrten sich die Betroffenen und ihre Familien, mussten von der Polizei zwangsweise vorgeführt werden.

Es ist bekannt, dass Lehner zahlreiche Vormundschaften für sog. „Geisteskranke“ übernommen hatte ((Max Lehner an Leiter Abteilung X im Staatsministerium des Innern (Dr. Erwin Deischl), 19.03.1940, Akten Lehner )) und -nach eigenen Worten- in sog. „Erbgesundheits“-Verfahren „immer gegen Prinzipien der nat.soz. Gewaltherrschaft“ ((Max Lehner an Spruchkammer Freising-Stadt, 02.08.1947, StAM, Spruchkammern 3210 Max Lehner)) auftrat. Über Einzelheiten schweigen leider die Quellen völlig.

Das „Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniform“, kurz Heimtückegesetz stellte regimekritische Äußerungen unter Strafe. Von den von Max Lehner vertretenen Opfern der Verfolgung, die in Konzentrationslager verschleppt wurden, kann ich – nach jetzigem Forschungsstand- zwei namhaft machen: „Fertl habe ich (wohl 1936) persönlich im KZ Dachau besucht und ihm damit mindestens eine moralische Stütze in der schweren Haft gegeben. Ich glaube, es hat sehr wenige Rechtsanwälte gegeben, die das gewagt haben.“ ((a. a. O.)) Es handelt sich um den Moosburger Metzgermeister Jakob Georg Fertl, (* 18. August 1895), der vom 31. August bis 23. Dezember 1937 im KZ Dachau inhaftiert war. ((Häftlingsdatenbank, Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau)) Der „Schutzhaftbefehl“ war vom Landratsamt Freising ausgestellt worden. 1950 war Fertl Zeuge im Verfahren gegen den SS-Mann Hans Steinbrenner, einer der brutalsten Schergen in diesem Lager. Fertl gab dabei als Augenzeuge folgenden Vorfall zu Protokoll: „Für einen Juden, der erst kurz eingeliefert war, mussten Häftlinge ein Loch graben. In dieses Loch musste der Jude hineingestellt und das Loch wieder zugeschaufelt werde. Der Jude stand bis zur Brust eingegraben. Mittags […] wurde der Jude von den Häftlingen eigenmächtig ausgegraben. Er war bewusstlos. Er wurde dann von der SS mit Wasser übergossen und dann abends mit den Kleidern an einen Mast hingenagelt. Ich habe dann erfahren, dass dieser Jude […] gestorben ist.“ ((Zeugenaussage Jakob Fertl, 30.05.1950, StAM Staatsanwaltschaften 34462/5, S. 138))

Über Max Lehners Klienten Ludwig Ascherl aus Nandlstadt, im KZ Dachau vom 25. Januar 1936 bis zum 22. Oktober 1936 ((Häftlingsdatenbank, Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau)), ist folgendes zu erfahren: Im Herbst 1934 war er mit den Nazis in Konflikt geraten. Die Polizei wiegelte eine erste Denunziation zunächst noch ab: „Ascherl ist ein dummer unerfahrener einfältiger Mensch, der lediglich auf den schädlichen Einfluss ehemaliger Angehöriger der B.V.P., im Rausch das nachsagt, was er zuweilen von jenen hört.“ ((Gendarmeriestation Nandlstadt an Bezirksamt Freising, 11.09.1934, StAM LRA 116516)) Ascherl hatte im Wirtshaus Tafelmeier in Nandlstadt die Geldverschwendung anlässlich der “Reichsparteitage” angeprangert und dann, vermutlich an die Adresse des jungen SA-Manns gerichtet, der ihn dann denunzierte: „Wir waren im Krieg und haben für die Lausbuben gekämpft, die uns heute knechten.“ ((a. a. O.))

Er protestierte auch gegen die Verhaftung des Gütlers Johann Wimmer, der wenige Wochen zuvor “wegen Beleidigung des Führers” in sog. “Schutzhaft” im Moosburger Gefängnis genommen worden war. ((Gendarmeriestation Nandlstadt an Bezirksamt Freising, Politischer Wochenbericht, 14.09.1934, StAM LRA 116516)) „Der ist ein altes Weib, der den Wimmer Hans fort hat.“, meinte er. ((Gendarmeriestation Nandlstadt an Bezirksamt Freising, 11.09.1934, StAM LRA 116516))

Ascherl, geb. am 02. Juli 1897, war Futtermittelhändler und es zeigt sich an der Aussage eines zweiten Belastungszeugen, eines Bauern aus Kitzberg, dass auch Sozialneid mitspielte: „…ich hätte ihn unter den Stuhl hinuntergeschlagen, weil sich der Faulenzer sein Leben lang noch kein Stück Brot mit seiner Hände Arbeit verdient hat. Der lebt nur von den Provisionen aus dem Futtermittelhandel und wir Bauern müssen diese bezahlen.“ ((a. a. O.))

Für den Fortgang der Ereignisse fehlen wieder die Gerichtsakten. Immerhin ist zu erfahren, dass das Sondergericht München, bei dem das Verfahren nach dem sog. „Heimtückegesetz“, das regimekritische Äußerungen unter Strafe stellte, anhängig war, das Verfahren an das Landgericht München II überwies, letzteres das Verfahren im Juli 1935 einstellte. ((Staatsanwaltschaft am Landgericht München II an Bezirksamt Freising, 12.07.1935, StAM LRA 116516)) Die Schriftsätze des Anwalts Max Lehner werden zu dieser Einstellung beigetragen haben. Der Fall Ascherl zeigt exemplarisch die Willkür des Naziregimes. Ludwig Ascherl kam ins KZ, nachdem die Gerichte eine Verurteilung selbst nach den Unrechtsgesetzen der Nazis abgelehnt hatten und wurde fast ein Jahr dort gequält.

Nach 1945 engagierte sich Ludwig Ascherl in der VVN, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.

*

Nach diesem Überblick über Mandanten und Fälle Max Lehners wollen wir sein weiteres Schicksal verfolgen.

Lehner hatte nicht vor, sich vom Terror der Pogromnacht einschüchtern zu lassen. Als aber der Rechtsanwalt Lehner am 14. November 1938 wieder vor dem Amtsgericht auftrat wurde er im Gerichtssaal von einem Polizisten festgenommen und zu NSDAP-Kreisleiter und Oberbürgermeister Hans Lederer gebracht. Dieser stellte ihm das Ultimatum, binnen zwei Monaten Freising und Süddeutschland zu verlassen, ansonsten käme er in „Schutzhaft“. ((Max Lehner an Spruchkammer Freising-Stadt, 14.04.1947, Akten Lehner))

Lehner musste sich anderswo eine Existenzmöglichkeit suchen und ging nach Meißen in Sachsen, wo er Anfang Januar 1939 versuchte, als Anwalt zugelassen zu werden. ((Oberlandesgerichtspräsident Dresden an Max Lehner, 09.01.1939, Akten Lehner)) Max Lehner wurde jedoch vorgeworfen, mit der juristischen Vertretung von Juden, gegen die Berufsehre gehandelt zu haben, und man leitete ein Ehrengerichtsverfahren ein, das dann aber doch eingestellt wurde, da die Rechtslage eindeutig war. Anwaltschaftliche Vertretung von Juden war zwar aus nationalsozialistischer Sicht unerwünscht, aber noch nicht ausdrücklich verboten worden. ((Nationalsozialistischer Rechtswahrer-Bund, Gauehrengericht München-Oberbayern an Rechtsanwalt Dr. Ludwig Roder (von Max Lehner mit seiner Vertretung beauftragt), 30.06.1939, Akten Lehner, Max Lehner, „Anlage zum Fragebogen Max Lehner“ , undatiert [ca. 1947], Akten Lehner))

Mit der Erledigung des „Ehrengerichtsverfahrens“ ließ sich der „nationalsozialistische Rechtswahrer-Bund“, so der Name der Standesorganisation, Zeit: So erfolgte Lehners Zulassung als Rechtsanwalt erst nach 10 Monaten. In der Zwischenzeit lebte er, arbeitslos, von seinen Ersparnissen.

Nach wenigen Monaten als Rechtsanwalt in Meißen kehrte Max Lehner im Dezember 1939 nach Bayern zurück und erhielt eine Anstellung bei einer Außenstelle des Reichsverkehrsministeriums in München, das sein Studienfreund Dr. Erwin Deischl, ((Joachim Lilla: Deischl, Erwin, in: ders.: Staatsminister, leitende Verwaltungsbeamte und (NS-)Funktionsträger in Bayern 1918 bis 1945, URL: (26. November 2014).)) als „Beauftragter für den Nahverkehr“ leitete. ((Max Lehner, „Anlage zum Fragebogen Max Lehner“, undatiert [1947], Akten Lehner))

Im Februar 1940 wurde dies in Freising bekannt und NSDAP-Kreisleiter Carl Lederer betrieb Lehners Entlassung: „Rechtsanwalt Max Lehner, der in Freising als Gegner des nationalsozialistischen Staates bekannt war, hat bis Anfangs November 1938 (Judenaktion) Freisinger Juden vor Gericht noch vertreten. Diese Charakterlosigkeit wurde allgemein bekannt und Lehner sah sich gezwungen, seine Praxis in Freising gegen eine solche in Mitteldeutschland auszuwechseln. Damit war für Freising der Fall Lehner erledigt. Wie ich nun erfahre, soll Lehner im Bayer. Innenministerium eine Anstellung erhalten haben. Sollte dies zutreffen, so bitte ich, bemüht zu sein, dass die zuständigen Stellen von der politischen Unzuverlässigkeit des Lehner erfahren und seine Abberufung unverzüglich tätigen.“, so der Kreisleiter an die Gauleitung. ((NSDAP-Kreisleitung Freising, Carl Lederer, an NSDAP-Gauleitung München-Oberbayerrn, Gaurechtsamt, 02.02.1940, Akten Lehner))

Lederer hatte jedoch vorläufig keinen Erfolg; wie aus einem undatierten Aktenvermerk hervorgeht, wollte der Kreisleiter „bei der vorgesetzten Dienststelle des Lehner vorsprechen. Dabei wurde er glatt abgefertigt und musste er unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren. Auch dieses Vorkommnis wirkte sich in Freising nicht günstig aus und ist vornehmlich für den Kreisleiter und seinen Einfluss auf die Bevölkerung eine nicht tragbare Situation geworden.“ ((„Vormerkung“, wohl der NSDAP-Gauleitung Oberbayern, undatiert, Akten Lehner))

Deischl, PG seit 1933, verteidigte seinen Mitarbeiter Lehner vehement: „Die Anstellung ist erfolgt, nachdem von Seiten der Geheimen Staatspolizei geprüft worden war, ob er die Voraussetzungen zur Ausübung seines Dienstes in politischer, spionagepolizeilicher und strafrechtlicher Hinsicht erfüllt. Von Seiten des Sicherheitsdienstes ist auf die angezogenen Vorfälle in Freising hingewiesen worden. Politische Bedenken über seine Verwendung sind aber, wie die Geheime Staatspolizei ausdrücklich vermerkt, bei der vorgesehenen Verwendung nicht vorhanden.“

Lehner lege „außerordentliche Sachkenntnis und überdurchschnittlichen Fleiß an den Tag“, habe „Aktenrückstände von Monaten“ aufgearbeitet. An die Adresse des Kreisleiters gerichtet fuhr Deischl fort: „Es ist Aufgabe der Partei […] alle Kräfte, die irgendwie für den Dienst des Vaterlandes eingesetzt werden können, unbehindert bei den gestellten Kriegsaufgaben zur vollen Entfaltung zu bringen. Selbst wenn Rechtsanwalt Lehner […] gegen Grundsätze verstoßen hat, deren Einhaltung ihm die Freisinger Vorfälle erspart hätte, so müssen in der jetzigen Zeit auch von den unteren Parteistellen derartige Dinge hinter den großen Aufgaben des Krieges zurückgestellt werden und an der inneren und äußeren Front jedem, also auch RA. Lehner die Möglichkeit gegeben werden, durch kriegswichtige Dienste dem Vaterland sein Bestes zu geben. Die heutige Zeit erfordert positive Arbeit und erlaubt nicht, Dinge auszugraben, die als erledigt anzusehen werden müssen und können.“

Waren schon diese Ausführungen ziemlich forsch, so dürfte Erwin Deischl dann deutlich über das Ziel hinausgeschossen zu sein, als er drohte: „Sollte die Angelegenheit hiermit nicht auf sich beruhen bleiben, so würde ich Rechtsanwalt Lehner nahelegen, ein Gesuch an die Kanzlei des Führers zu richten; ich selbst würde dem Chef derselben, Herrn Reichsleiter Bouhler, in dieser Angelegenheit persönlich Vortrag halten.“ ((Staatsministerium des Innern, Abteilung X (Dr. Erwin Deischl), „Aktenvermerk in der Angelegenheit Max Lehner“, 20.3.1940, Akten Lehner)) Deischls Vorgesetzter, Staatssekretär Max Köglmeier, ((Biographie: https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Köglmaier)) wies dessen Aktenvermerk mit der „Belehrung“, dass Deischl seine Kompetenzen überschritten habe, „als für die weitere Behandlung ungeeignet“ zurück. ((Staatssekretär Max Köglmaier an Dr. Erwin Deischl, 21.02.1940, Akten Lehner))

Fast ein Jahr – bis Dezember 1940 – währten die Auseinandersetzungen um Lehner, Dr. Deischl musste seinen Mitarbeiter letztendlich aufgeben: „Im Dezember 1940 hatte der [Beauftragte für den Nahverkehr] einen […] Angestellten zur Verwendung im besetzten Gebiet abzugeben. Ich meldete Lehner, weil er wegen der politischen Schwierigkeiten in München nicht mehr zu halten war.“ ((Dr. Erwin Deischl, Erklärung an Eidesstatt, 20.09.1946, Akten Lehner))

Dr. Erwin Deischl konnte sich für Lehner nicht mehr verwenden, denn seine Karriere endete abrupt mit seiner Entlassung im Mai 1942. Deischl hatte sich „in herabsetzender Weise“ über Nazigrößen, darunter Göring, geäußert und habe durch „Darstellungen der Kriegsentwicklung die Abwehrkraft des deutschen Volkes zu schwächen versucht“, so die Gauleitung München-Oberbayern an Deischl. ((zitiert nach Lilla, a. a. O.))

Max Lehner wurde dann nach Brüssel zur Militärverwaltung Belgien und Nordfrankreich versetzt, wo er im Rang eines Kriegsverwaltungsrates für den Nahverkehr zuständig war.

Auch in dieser Position kam es zu Differenzen mit NS-Behörden, wie aus den von Max Lehner hinterlassenen Akten hervorgeht. Es gab, wie für viele Bereiche des Staatsapparats im Naziregime typisch, ein Kompetenzgerangel verschiedener Behörden. Neben der Militärverwaltung unter Dr. Harry von Craushaar ((https://de.wikipedia.org/wiki/Harry_von_Craushaar )) gab es eine Behörde des Vierjahresplans, geführt vom „Generalbevollmächtigten für das Kraftfahrwesen“, Generalleutnant Adolf von Schell. ((https://de.wikipedia.org/wiki/adolf_von_schell)) Bereits Ende Januar 1941, also nicht lange nach Max Lehners Dienstantritt in Brüssel, sah sich Dr. von Craushaar veranlasst, Lehner bei Schell gegen Angriffe aus dessen Dienststelle zu verteidigen. Es handle sich bei Max Lehner um einen „anständigen und ungewöhnlich tüchtigen Beamten.“ Der Militärverwaltungschef wehrte sich gegen Eingriffe in seine Kompetenzen: „Im fremden Land kann den Einwohnern gegenüber nur einer befehlen. Herr Lehner hat diesen Standpunkt von Anfang an, der Weisung des Militärverwaltungschefs entsprechend, mit aller Bestimmtheit vertreten.“ ((Militärverwaltungschef Dr. von Craushaar an Generalleutnant von Schell, Unterstaatssekretär im Reichsverkehrsministerium (Generalbevollmächtigter für den Nahverkehr), 24.01.1941, Akten Lehner)) Der Generalbevollmächtigte hingegen forderte Lehners Entlassung. Auch hier war eine Versetzung die Folge: Craushaar kommandierte Max Lehner für ein Jahr nach Lille, Nordfrankreich, ab. ((Dr. Erwin Deischl, Erklärung an Eidesstatt, 20.09.1946, Akten Lehner))

In Lille lehrte Max Lehner seine spätere Frau Viktoria Uhl kennen, die dort bei der Abwehr als Verwaltungsangestellte tätig war und u. a. mit dem späteren SPD-Politiker Carlo Schmid bekannt war. ((Freundliche Mitteilung von Luise Gutmann, 22.01.2016)) Viktoria Uhl (* 12.12.1912 in Brand im Fichtelgebirge, wohnhaft in Mochenwangen, Kreis Ravensburg ((Meldekarte Viktoria Lehner, StadtAFS))), hatte ein für die damalige Zeit ungewöhnliches Frauenleben geführt. Sie hatte von 1932 bis Kriegsbeginn im Ausland gearbeitet, beispielsweise in England als Zofe, in Frankreich als Mitarbeiterin des Welttierschutzvereins auf der Weltausstellung, Nach einer Erinnerung in der Familie war es in Italien zu einem Vorfall gekommen, bei dem ein SS-Mann, der es verwerflich fand, dass eine deutsche Frau im Ausland arbeite, Viktoria Uhl den Reisepass wegnahm, den sie sich aber wieder beschaffen konnte. ((Freundliche Mitteilung von Luise Gutmann, 22.01.2016))

Worum ging es bei den Vorwürfen gegen Lehner? Während der „Generalbevollmächtigte“ die völlige Ausplünderung Belgiens betrieb, habe Lehner „seine erste Aufgabe in der Sorge für die Aufrechterhaltung des zivilen Straßenverkehrs gesehen und hat sich hierbei wiederholt in Gegensatz zu Stellen der Wehrmacht und des Vierjahresplanes gesetzt.“ ((Walther Wetzler, Eidesstattliche Erklärung, 20.09.1946, Akten Lehner))

In mehreren Fällen trat er Beschlagnahmungen entgegen, teilweise auch mit Erfolg. In einzelnen ging es um zahlreiche Pkws, 459 Lastwagen, an die 100 Straßenbahnwagen, die in deutsche Städte verbracht wurden und 300 km Gleise der Kleinbahn, die in der besetzten Ukraine Verwendung fanden.

Über die Zeit nach Beendigung des Dienstes in Brüssel – Dezember 1944 – schweigen die Quellen wieder. In der Familie meint man, dass Max Lehner in Siegen, Westfalen als Soldat eingekleidet und für einige Wochen nach Jugoslawien zur Partisanenbekämpfung abkommandiert worden sei. Dann sei er aber wieder in einer Dienststelle in Berlin tätig gewesen, wohin ihm seine spätere Frau nachgereist sei, was nicht ungefährlich war, da sich der Kessel um Berlin zu schließen begann. ((Freundliche Mitteilung von Luise Gutmann, 22.01.2016))

Wann genau Max Lehner wieder in seine Heimat Freising zurück kam, ist unbekannt. Im Februar 1946 heiratete er in Freising. Aber sein Leben nach 1945 und seine 22-Jährige Amtszeit als Oberbürgermeister wäre Thema für einen weiteren abendfüllenden Vortrag.

Orte

Die folgenden Gedenkorte sind im Buch aufgelistet.
In Klammern finden Sie, soweit vorhanden, die GPS-Koordinaten mit einem Direktlink zu Google Maps.

  • Aign, Gemeinde Attenkirchen
    • Mahnmal „13. Juni 1944“
  • Freising
    • Stolpersteine und Gedenktafel Marcus-Haus (48°24’02.7″N 11°44’39.9″E)
    • Grab von Prälat Dr. Michael Höck
    • Grab von Max Lehner
    • Grab von Anton Setzwein
    • Grab von Ferdinand Zwack
    • Gedenktafel für Pater Albert Eise
    • Grab von Bärbel und Joschi Pohl
  • Tüntenhausen, Stadt Freising
    • Grab von Todesmarsch-Opfern
  • Kranzberg
    • Grab von Johann Döbl
  • Hohenbercha, Gemeinde Kranzberg
    • Grab von Pfarrer Korbinian Aigner
  • Marzling
    • Gedenktafel für Carl-Oskar Freiherr v. Soden
  • Moosburg
    • Gedenktafel für Josef Furtmeier
    • Gräber Heinrich Hiermeier/Koloman Wagner
    • Das ehem. Kriegsgefangenenlager Stalag VIIa
      • Die Selektion u. Ermordung sowjetischer Kriegsgefangener
      • Widerstandsorganisationen im Moosburger Lager
      • Vergessen und Gedenken 1945 bis heute
  • Neufahrn
    • Grab von Pfarrer Johann Jungmann
  • Blick über die Landkreisgrenze

Die Spurensuche geht weiter…